Die Investor-Relations-Abteilung der Bayer AG entscheidet sich nach einer Online-Befragung seiner Zielgruppen dazu, vorerst keine Social-Media-Kanäle für die Finanzkommunikation einzuführen.
Vor einigen Monaten habe ich die vorbildliche Zielgruppenanalyse in den Online-Investor-Relations der Bayer AG beschrieben. Das Unternehmen konnte über diese analysieren, inwieweit ein Web-2.0-Angebot von der Financial Community erwünscht bzw. erwartet wird – und ist dabei zu dem Schluss gekommen, ein solches vorerst nicht zu etablieren.
Im Rahmen der NetFed Investor Relations Lounge 2011 durfte ich an der erstmaligen Präsentation der Befragungsergebnisse teilnehmen.
Strategische Situationsanalyse
Bei der Bayer AG gibt es eine Reihe externer Social-Media-Kanäle für einzelne Konzernbereiche, die Themen wie beispielsweise Karriere, Nachhaltigkeit oder Teilkonzerne abdecken und somit in gewissem Maße auch IR relevant sind. Es gibt jedoch keine dedizierte Bayer Investor-Relations-Präsenz. Die Situation gestaltet sich somit ähnlich wie derzeit bei den meisten großen Aktiengesellschaften in Deutschland. Auch für Bayer war, bis Anfang dieses Jahres, der Bedarf von Social-Media-Kommunikation für seine Investoren und Analysten unklar.

Bayer Investor Relations Social Media-Umfrage
Die initiale Umfrage wurde zwischen Dezember 2010 und Mai 2011 durchgeführt und hatte insgesamt 115 Teilnehmer, die zu 21% deutsch und zu 79% englisch sprechen. Es nahmen zu 26% institutionelle Investoren, zu 31% Privatanleger, und zu 35% Finanzjournalisten teil. Auf die Online-Umfrage aufmerksam gemacht wurde über die IR-Website sowie in E-Mails und Newslettern.
Nutzungsintensität von Social Media-Plattformen
Die Hälfte der institutionellen Investoren, 43% der Finanzanalysten und 9% der Privatanleger nutzen Social Media demnach seltener als wöchentlich, also eher selten. Mindestens einmal pro Woche wird am häufigsten Facebook genutzt (Investoren 16%, Finanzanalysten 24%, Privatanleger 35%). Ebenfalls stark genutzt wird Youtube (Investoren 13%, Finanzanalysten 16%, Privatanleger 24%). In der Gesamtnutzung liegt Xing an dritter Stelle, was angesichts der überwiegend englischsprachigen Umfrageteilnehmer etwas verwundert. Die Twitter-Nutzung der befragten Financial Community liegt mit 7% deutlich über dem allgemeinen Durchschnitt der deutschen Online-Nutzer (3%, laut ARD-ZDF-Onlinestudie 2011). In der Befragung wurde leider nicht zwischen privater und beruflicher/professioneller Nutzungsart differenziert, wenngleich diese Unterscheidung auch schwer zu treffen gewesen wäre.
Kluft in der gewünschten Kommunikationspolitik zwischen professionell und privat
Die vielleicht interessanteste Erkenntnis generieren die Antworten auf die Frage: „Auf welchen Social Media-Plattformen wünschen Sie Kommunikation von Bayer IR?“. Ganze 73% der institutionellen Investoren und sogar 79% der Finanzanalysten lehnen eine zusätzliche Social-Media-Kommunikation seitens des Unternehmens ab. Über die Gründe lässt sich spekulieren, sie dürften jedoch im weitesten Sinne mit der komfortablen Informationssituation dieser Zielgruppen zu tun haben, die in der Regel auf verschiedene Informations- und auch Dialogkanäle zurückgreifen können.
Ganz anders das Bild bei den befragten Privatanlegern: Hier wünschen sich 81% Social Media in den Investor Relations (29% auf Facebook, 13% auf Youtube, 13% auf Slideshare, 10% auf Twitter und 8% auf Xing). Insgesamt gaben 61% an, dass es sehr wahrscheinlich sei, dass sie Social Media für Inhalte der Bayer IR nutzen würden.
Relevante Inhalte
Die Antworten auf die Frage, welche kommunikativen Inhalte grundsätzlich von Interesse seien, lassen sich in zwei Bereiche zusammenfassen. Zum ersten Information (z. B. IR News, Stimmrechtsmitteilungen, Konsensus, Events) und zum zweiten in Dialog (mit dem Unternehmen, aber auch mit anderen Aktionären oder Analysten).
Zusammenfassung und Fazit
Etwas mehr als die Hälfte der Investoren und Analysten nutzen regelmäßig Social Media, jedoch wünschen mehr als zwei Drittel der Investoren und Analysten derzeit keine Kommunikation von Bayer Investor Relations auf Social-Media-Plattformen und würde sie nach eigenen Angaben auch nicht in Anspruch nehmen. Die Privataktionäre auf der anderen Seite fragen zwar IR2.0-Kommunikation nach, machen jedoch lediglich rund 12 Prozent im Grundkapital-Anteil von Bayer aus. Nach entsprechenden Kosten-Nutzen-Überlegungen wurde daher beschlossen, dass eine Bayer Investor-Relations-Präsenz auf Social Media-Plattformen zum heutigen Zeitpunkt nicht zwingend notwendig ist. (Man hält jedoch eine Wiederholung der Umfrage zu einem späteren Zeitpunkt für sinnvoll.)
Ich halte den Weg, den die IR-Abteilung der Bayer AG geht, für richtig und sinnvoll. Man hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und in der Analyse offensichtlich festgestellt, dass die neuen Kommunikationsmöglichkeiten im Blick auf die Aktionärsstruktur sowie weitere individuelle Faktoren zum heutigen Tage noch nicht effizient wäre. Wichtig ist jedoch, die sich rasch vollziehenden Veränderungen im Social Web permanent zu beobachten und diese Entscheidung regelmäßig zu überprüfen.
Tags: Bayer AG, Befragung, Finanzjournalisten, institutionelle Investoren, IR2.0, Privatanleger, Situationsanalyse, Umfrage