Theodor Storms Gedicht „Ein grünes Blatt“

THEODOR STORM

Ein grünes Blatt

Ein Blatt aus sommerlichen Tagen,
Ich nahm es so im Wandern mit,
Auf daß es einst mir möge sagen,
Wie laut die Nachtigall geschlagen,
Wie grün der Wald, den ich durchschritt.

1850

 

Konnotation

Den Titel „Ein grünes Blatt“ hat Theodor Storm (1817–1888) in unterschiedlichsten Kontexten verwendet. Einmal hat er damit eine arg patriotische, 1854 erstmal veröffentlichte Novelle überschrieben, in der die Wald-Szenerie nur als Kulisse für den Rechtfertigungs-Monolog eines Soldaten dient, der Abschied nimmt von seiner „Waldkönigin“, um wieder in den Krieg zu ziehen. Aber auch für zwei Gedichte hat er diesen Titel gewählt.
In den beiden Gedichten steht das „grüne Blatt“ im Zeichen des Abschieds, erinnert es an ein Naturgeschehen, das vergangen ist. Auch im hier dokumentierten Gedicht aus dem Jahr 1850 wird das Naturphänomen zum Erinnerungsträger. Denn die sommerlichen Tage, die das Ich heraufbeschwört, sind versunken. Aber die Empfindung des Ich, die sich an die Landschaft und an die Vogel-Laute heftet, ist geblieben – als Eingedenken an einen glücklicheren Zustand.

Michael Braun, Deutschlandfunk-Lyrikkalender 2007, Verlag Das Wunderhorn, 2006

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