Paul Celan: Poesiealbum 137

Mashup von Juliane Duda zu dem Buch von Paul Celan: Poesiealbum 137

Celan/Celan-Lestrange-Poesiealbum 137

EIN DRÖHNEN: es ist
die Wahrheit selbst
unter die Menschen
getreten,
mitten ins
Metapherngestöber

 

 

 

 

 

Über das Singen in Celans Gedichten

Schöpft Poesie seit jeher aus den Quellen der Tradition, so entscheidet doch über ihren Rang erst die Weise, in der sie das Überlieferte ins Eigene bindet. Dabei entsteht das Problem der Aneignung nicht aus der prinzipiellen Fremdheit des Tradierten, sondern aus dessen zu großer Geläufigkeit, einer gleichsam subjektlosen Vertrautheit. Sie ist, paradoxerweise, das eigentlich Widerständige, und es kommt darauf an, das Geläufige in ein individuelles Fremdes zu verwandeln, man könnte auch sagen: ins fremde Eigene. Wie eine solche verfremdende Aneignung sich im Prozeß der Dichtung vollzieht, zeigt sich an der Verwendung so traditionsbeladener Motive wie Blume, Auge, Stern, Stein, Atem, Licht oder Schnee in der Lyrik Paul Celans. Auf jedem von ihnen liegt ein doppelter Akzent von Fremdheit und Eigenheit, und es scheint, als hätte Celan durch ihren in jedem Sinn radikalen Gebrauch oft ein motivgeschichtlich Äußerstes erreicht. Ein Rückbezug auf die Tradition dürfte dem Leser die gedichtinterne Bedeutung dieser Motive eher vernebeln, statt sie ihm zu erhellen. Das Motiv des Singens gibt dafür ein besonders eindrucksvolles Beispiel ab. Auf den ersten Blick möchte man es kaum zu den charakteristischen Elementen der Celanschen Dichtung zählen, dann aber überrascht die große Zahl der Belege. In jedem achten der etwa siebenhundert Gedichte des Gesamtwerkes ist von Singen, Lied oder Gesang die Rede. Celans kühne, ab Atemwende geradezu tollkühne Verwendung dieses Motivs ist ohne Beispiel in neuerer Lyrik, so beispiellos wie dessen jüngste Geschichte, die ich deshalb zunächst zu skizzieren versuche – auf eine Verlustmeldung läuft es hinaus.
Das Gesang-Motiv, vormals ein wesentliches Element jeder Poesie, ist seit dem Beginn der Moderne von einem grassierenden Bedeutungsschwund betroffen. Seine Verwendung in bedeutender Dichtung nach Rilke ist rückläufig bis an die Grenze des Verschwindens. Wo Begriffe wie Lied oder Gesang heute noch vorkommen, sind sie keine Erkennungszeichen eines noch irgendwie der Musik zugewandten Selbstverständnisses der Lyrik mehr. Dieses Verschwinden oder Beinahe-Verschwinden eines vormals das Wesen der Poesie reflektierenden Motivs scheint sich indes so leise, geschwind und selbstverständlich vollzogen zu haben, daß man angesichts anderer, spektakulärerer Veränderungen der Künste darüber zu staunen vergaß. Hat man es überhaupt bemerkt? Daß dieses Staunen sich mit Verspätung nun doch noch einstellt und ausgerechnet bei der Beschäftigung mit Gedichten Paul Celans, entbehrt nicht der Ironie. Man erkennt den Ausnahme-Charakter des Celanschen Motiv-Gebrauchs in dem selben Moment, in dem einem aufgeht, um welcher Regel Ausnahme es sich hier handelt. Ich beschränke mich auf Andeutungen zu drei Punkten: 1.) zum poetologischen Status des Gesang-Motivs, 2.) zur Verlaufsform seines Verschwindens und 3.) zur poesiegeschichtlichen Bedeutung dieses Vorgangs.
Erstens. Seinen poetologischen Status erhielt das Gesang-Motiv durch die Gleichung: Gedicht gleich Lied, Poet gleich Sänger. Sie ist der Kern des Motivs und zugleich der älteste Topos dichterischen Selbstverstehens; sie deutet zurück auf den Ursprung der Gattungsbezeichnung „Lyrik“, an deren alte Bedeutung nicht mehr zu denken, heute die Voraussetzung ihrer Weiterverwendung ist. Wo immer das Motiv des Singens erschien, erinnerte es an eine prinzipielle Verbundenheit von Dichtung und Musik, an den Gesang als höchste Steigerungsform der Poesie und an das Singen als eine traditionelle Aufführungspraxis der Dichtung. Diese Zugewandtheit besaß ihr materiales Fundament in einer Reihe formaler Analogien in beiden Künsten: in Metrik, Strophik, musikalischer Periodik oder Rhetorik. Der Kantabilität der Tonkunst entsprach ein Verständlichkeitsgebot in der Dichtung. Von diesen sympathetischen Entsprechungen wird unter Punkt 3 noch einmal zu reden sein. Sie begünstigten in allen Epochen der Poesie- und Musikgeschichte eine Art von platonischem Trieb, Ergänzung und Steigerung in der je anderen Kunst zu suchen. Diese Geltung haben sie in der Moderne weitgehend verloren, und gleichzeitig büßte das Motiv des Singens seinen poetologischen Sonderstatus ein.
Zweitens. Zum historischen Verlauf dieses Bedeutungsverlustes erweist sich ein Rückblick auf Klopstock und Herder als nützlich. Durch sie gewann seit dem Ende der siebziger Jahre des 18. Jahrhunderts die Gleichung von Poet und Sänger und das Motiv des Singens überhaupt eine neue, folgenreiche Dringlichkeit. Durch Herders Volksliedpropaganda war der romantischen Sangverslyrik ein Paradigma gegeben, das über Heines Buch der Lieder hinaus bis in die Epigonendichtung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Geltung blieb. Wo Lied, Gesang und Gedicht nun erschienen – und in romantischer Lyrik (etwa bei Brentano oder Eichendorff) war ihr Gebrauch nicht nur überaus zahlreich, sondern fast immer mit einer frommen, weltfrohen Emphase verbunden −, traten sie als programmatisch-synonyme Begriffe auf, die zugleich auf eine musikalische Zweckbestimmung der Verse verwiesen. Hölderlin dagegen folgte nebst Klopstock vor allem Vorbildern aus der Antike; daß er Formen der Sangverslyrik vermied, mußte die Vertonbarkeit seiner Dichtung im 19. Jahrhundert stark beschränken. Seine musikalische Stunde – sieht man vom Brahms’schen Schicksalslied ab – schlug erst in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts, nun freilich unter grundsätzlich anderen Voraussetzungen, die mit dem Problem der Singbarkeit seiner Dichtung (im traditionellen Verständnis) nichts mehr zu tun haben. Die Gründe dafür sind in den Botschaften seiner Dichtung und in der Sympathie mit einem an seiner Zeit exemplarisch Gescheiterten, nicht aber in den Formen der Hölderlinschen Dichtung zu suchen, denen das Sympathetisch-Analoge zur Musik des 19. Jahrhunderts gerade fehlte. Gleichwohl verstand auch er sein Gedicht als „reifen Gesang“ oder „sterblich Lied“ und sich selbst, den Dichter, als Sänger. Ähnlich der Petrarkist August von Platen, bei dem sich bereits jener routinierte Gebrauch dieses Topos andeutet, der dann die Lyrik der zweiten Jahrhunderthälfte kennzeichnen sollte. Diese Routine wurde aber zumindest pragmatisch durch die überwältigend zahlreichen, oft ebenso routinierten Gedicht-Vertonungen sanktioniert: das Klavierlied war eine bevorzugte Aufführungspraxis zeitgenössischer Lyrik bis zum Beginn der Moderne.
Geradezu exzessiv und zum letzten Mal in der dem 19. Jahrhundert vertrauten Weise verwendet das Motiv des Singens Rainer Maria Rilke. Bereits in seiner frühen Lyrik – was zunächst nur deren epigonalen Charakter bestätigt begegnet der Topos Gedicht gleich Lied an zentraler Stelle; er wird in den Florentiner Mädchenliedern zur Doppelgleichung Gedicht gleich Lied gleich Leben erweitert und so ins Ästhetisch-Existentielle (oder Existentiell-Ästhetische) gewendet. In Rilkes Spätwerk ist er das Grundmotiv einer orpheischen Dichter-Mythe. In nach-Rilkescher Dichtung aber sind Belege für den Gebrauch des Gesang-Motivs selten und eher beiläufiger Art – so bei Benn, Loerke, Huchel oder Eich. Sie sind selten sogar bei Ingeborg Bachmann, die der Neuen Musik wahrlich nahe stand, dem Gesang aber geradezu verfallen war; sie wußte, und hat es in ihrem Essay über Musik und Dichtung auch ausgesprochen, daß beide Künste sich heute nur noch „wenig Blicke zuwerfen und nicht mehr in den alten Umarmungen liegen“. Nur wenige Beispiele, und durchwegs motivgeschichtlich ohne Belang, auch bei Brecht, der in den „Gebrauchswert“ seiner Gedichte gelegentlich deren Singbarkeit einbezog. So daß man sagen darf, daß das Motiv des Singens in Rilkes Dichtung zwar die Grenze zur Moderne überschritt, dort aber nicht ankam. Wo wir dem Topos Gedicht gleich Lied danach noch begegnen, verdankt sich seine Weiter- oder Wiederverwendung – etwa in den Gedichten von Max Herrmann-Neiße oder (mit sozialistischem Akzent) beim späten Johannes R. Becher – romantisch-nostalgischen Poesie-Konzeptionen.
Drittens. Der hier skizzierte Bedeutungsverlust eines Motivs mit poetologischem Sonderstatus signalisiert Veränderungen im Selbstverständnis der Dichtung. Zum ersten Mal im Verlauf ihrer Geschichte scheint der deutschsprachigen Lyrik das Singen in jedem Sinne vergangen. Es entspricht einer allgemeinen Entheiterung und Introvertierung, wenn wir uns das in modernen Gedichten mit seiner Selbstbehauptung beschäftigte Ich als ein singendes kaum noch vorzustellen vermögen – die Alternative seines Verstummens ist nicht der Gesang. So reflektiert Poesie, wo sie heute noch etwa vom Singen spricht, kaum noch sich selbst, schon gar nicht etwa im Topos Gedicht gleich Lied, Dichter gleich Sänger. Auch ist Gesang keine von den Dichtern noch vorausgesetzte oder erhoffte Aufführungspraxis ihrer Gedichte mehr. Dies und eine weitgehende Prosaisierung der Lyrik bedenkend, darf man die Feststellung wagen, daß die deutschsprachige Poesie ihr Wesen noch nie so musikfern bestimmte und zur Musik sich so teilnahmslos verhielt, wie seit dem Beginn der Moderne. Diese Teilnahmslosigkeit ist gegenseitig. Auch die Musik hat sich von jenen formalen Analogien, die einmal Zeichen einer prinzipiellen Zugewandtheit waren, verabschiedet. Auch sie ist „prosaisch“ geworden – „musikalische Prosa“, ein Begriff Arnold Schönbergs −, sie hat sich aus den Bindungen der Metrik und Periodik gelöst, jede „kommode“ Singbarkeit preisgeben müssen und so auch ihrerseits das Ende der alten Gemeinsamkeiten besiegelt – eine zwar parallele Entwicklung in beiden Künsten, aber doch eine, die neue Gemeinsamkeit nicht zu begründen vermochte. Zwar gibt es noch immer (und immer wieder) Vertonungen von Gedichten, darunter bedeutende Werke der Neuen Musik, doch solche Text-Aneignungen widerlegen nicht den generellen Befund. Er mag von der Seite der Lyrik her deutlicher erscheinen als in der Perspektive der Neuen Musik. Dieser ist längst schon jede Art von Nicht-Poesie, vom Katalogtext bis zur Zeitungsannonce, gleich vertonungswürdig geworden. Wo heute Dichtung und Musik zusammenfinden, verdanken sie es allein dem Willen des Komponisten, nicht aber jener in sympathetischen Analogien vorgegebenen Vereinigungsbereitschaft, die vormals zu ihrem Wesen gehörte. Im Bedeutungsverlust des Gesang-Motivs spiegelt sich ihre Entfremdung, und das Verschwinden der traditionellen Gleichsetzung von Gedicht und Lied bezeugt, daß diese Entfremdung auch ein Sich-selbst-Fremdgewordensein der Dichtung als „Lyrik“ bedeutet… Vor diesem Hintergrund erweist sich Paul Celans Gebrauch gerade dieses Motivs als Bestätigung und Ausnahme einer epochalen Regel. Er hypertrophiert das Gesang-Motiv, treibt es weit über sich hinaus, entfremdet es seiner Tradition, hält aber doch an ihm fest – ein Festhalten, das nur eine andere Form der Verabschiedung ist.

Der statistische Befund beweist die Anwesenheit des Gesang-Motivs auf allen Stufen des Celanschen Schaffens. Bei einem insgesamt hohen Häufigkeitsdurchschnitt von 8:1 zeigen sich zwischen den einzelnen Sammlungen erhebliche Schwankungen, die auffälligste zwischen den für Ruth Kraft zusammengestellten und durch sie überlieferten Gedichten 1938-1944 (Frankfurt/M. 1985), mit Belegen in jedem fünften Gedicht, und dem Band Mohn und Gedächtnis (1952), wo das Motiv in jedem zehnten vorkommt. Nur in Atemwende (1967) wird die Belegzahl des Frühwerks noch einmal annähernd erreicht (jedes sechste Gedicht). Die wenigsten Beispiele – 35:1 – finden sich in Schneepart (1971), der letzten von Celan autorisierten Sammlung. Für die druckbereit hinterlassenen fünfzig Zeitgehöft-Gedichte gilt aber wieder eine Häufigkeit von 10:1. Im Frühwerk und in Atemwende kommt das Gesang-Motiv am meisten vor. In den Gedichten 1938-1944 erkennt man, aus welch traditionellen Anfängen es sich entwickelte: in 12 von 97 Texten erscheint es bereits im Titel. Celan hat diese Gedichte als Lied oder Gesang bezeichnet, als „Gesang der fremden Brüder“, als „Mystisches Lied“, „Tag-, Abend-, Schlaf-, Lebens-, Sternen-, Steppenlied“ oder als ein „Zur Laute“ zu singendes. Dieser Titeltyp kehrt noch zweimal in Mohn und Gedächtnis wieder, fehlt in den beiden nachfolgenden Gedichtbänden ganz und wird in Die Niemandsrose verabschiedet mit „Psalm“ und „Eine Gauner- und Ganovenweise“ gesungen zu „Paris emprés pontoise von Paul Celan“ aus Czernowitz bei Sadagora. Damit verschwindet auch jede explizite Gleichsetzung von Gedicht und Lied. Von jener Wende, die der Titel des nächsten Bandes als Atemwende bezeichnet, scheint auch das Motiv des Singens betroffen.
Aus den bis Atemwende vorkommenden traditionellen Motiv-Verwendungen sind hier einige wenigstens zu zitieren: „wenn Katjuscha anfängt zu singen“  – „Nicht sei gewiegt, dem sie kein Schlaflied sangen“ – „ich singe: / Wie lebten wir hier?“  – „sangen: / ,O komm übers Meer‘“ – „ein französisches Lied von der Liebe, das sang ich im Herbst“ – „Und wir sangen die Warschowjanka“ – „Du, die du’s hörtest, da ich die Augen schloß, wie / die Stimme nicht weitersang nach: / ’s muß asoj sajn.“ Hier wird das Singen als humane Lebensäußerung in Erinnerung gerufen. Das Gesungene kann ein vorgegebenes Lied sein, gelegentlich ist es eine Frage oder eine Botschaft. Die Grenze dieses traditionellen Motiv-Gebrauchs ist aber überschritten, wenn das Gesungene nur aus einem einzigen Wort besteht, wie in Argumentum e silentio:

Jedem das Wort.
Jedem das Wort, das ihm sang:
als die Meute ihn hinterrücks anfiel −
Jedem das Wort, das ihm sang und erstarrte.

Lied und Wort sind identisch – Gesang ist die Erscheinungsweise eines Wortes, das sich selbst singt. Unklar bleibt, ob es jedem Menschen dasselbe oder jedem ein anderes ist, jedenfalls scheint in ihm eine jeweils persönliche Botschaft enthalten, die in einer extremen Situation „als die Meute ihn hinterrücks anfiel“ als Gesang gehört wird, wonach dann das Wort erstarrt. In ähnlicher Weise spricht das Gedicht „Psalm“ von dem einen „Purpurwort, das wir sangen“. Bemerkenswert an diesen Textstellen ist die Verbindung von Wort- und Gesang-Motiv. Bemerkenswert vor allem deshalb, weil das Wort-Motiv fortan in Celans Dichtung einen ähnlich herausgehobenen poetologischen Status besitzt wie vormals das Motiv des Singens. Im Frühwerk stehen beide nebeneinander und reflektieren gemeinsam ein teils übernommenes, teils schon eigentümliches, insgesamt aber noch schwankendes Selbstverständnis der Celanschen Poesie. Bedenkt man, daß „Lied“ eine Pluralität von Worten bezeichnet, die im Gesang ihre Einheit finden, „Wort“ aber ein solitäres Sprachwesen meint, so ahnt man die Gespanntheit und Unentschiedenheit des Frühwerks. Spätestens in Von Schwelle zu Schwelle ist diese poetologische Konkurrenz zugunsten des Wort-Motivs entschieden – es ist die Entscheidung für den solitären Weg der Celanschen Dichtung. Von nun an steht das Motiv des Singens frei für immer kühnere Variationen, die es schließlich seiner eigenen Tradition entfremden werden.
Seit dem Band Atemwende gibt es für Celans Gebrauch dieses Motivs Tradition von Singen, Lied und Gesang keine Rückversicherungen mehr.

*

Dazu vier Beispiele aus dem Zyklus „Atemkristall“, der ersten Abteilung des Bandes Atemwende. Das siebte Gedicht spricht von einem singenden Hammer:

DIE ZAHLEN, im Bund
mit der Bilder Verhängnis und Gegen-
verhängnis.

Der drübergestülpte
Schädel, an dessen schlafloser Schläfe ein irr-
lichternder Hammer
all das im Welttakt
besingt.

Offenbar ein Bild für das unwillkürliche Eingeschlossensein von Welt im Bewußtsein. Der Schädel ist „drübergestülpt“ wie eine Glocke – und zu einer Glocke wird er tatsächlich durch den Hammer. Der schlägt gegen die (eben deshalb) „schlaflose Schläfe“. Daß er „irr-lichternd“ heißt (mit einem Zeilenbruch mitten im Wort), unterstreicht das Irr- und Wahnsinnige dieses Vorgangs. Ein menschliches Subjekt wird nicht genannt, nur als Objekt ist es präsent durch seinen Schädel und kenntlich durch das Leiden der Schlaflosigkeit. Das Schlagen des Hammers gegen die Schläfe – „im Welttakt“ – bringt den welthaltigen Menschenschädel zum Dröhnen. Dies ist das vom Hammer gesungene Lied, dies heißt hier „Singen“. Das Gedicht scheint relativ leicht paraphrasierbar; seine privateste Dringlichkeit – pathogrammatische Verse! – teilt sich in Bildern mit, die als Metaphern gelesen werden können. Nicht mehr paraphrasierbar dürfte dagegen das neunte Gedicht des Zyklus sein:

WEISSGRAU aus-
geschachteten steilen
Gefühls.

Landeinwärts, hierher-
verwehter Strandhafer bläst
Sandmuster über
den Rauch von Brunnengesängen.

Ein Ohr, abgetrennt, lauscht.

Ein Aug, in Streifen geschnitten,
wird all dem gerecht.

Ich hebe nur den mittleren Textteil hervor „Landeinwärts…“. Diese Passage bleibt in ihrem Gesamtentwurf wie in jedem ihrer Bild-Details einem sinnlichen Nachvollzug, vermutlich sogar einer metaphorischen Auslegung entzogen. Weder vermag Strandhafer Sandmuster zu blasen, noch bläst er überhaupt; ein blasender Strandhafer wäre keiner. Aber was ist er dann? Bei dem Kompositum „Brunnengesänge“, das an ein „Brunnenland“ erinnern mag, bleibt ungewiß, wer da singt: die Brunnen selbst, oder wird bei den Brunnen gesungen? „Rauch von Brunnengesängen“ ist eine starke poetische Setzung, doch mit unklarem Wirklichkeitsbezug und als Metapher kaum aufzuschließen. Ebensowenig ist (z.B. wettertechnisch) nachzuvollziehen, wie über diesen Rauch hinweg Sandmuster zu blasen wären, schon gar durch Strandhafer. Solch ein Nicht-Verstehen könnte freilich gar die Pointe des Gedichtes sein! Mit seinen Schlußversen sagt es, daß derartiges mit heilen Sinnen nicht nachvollzogen werden könne. Nur „ein Ohr, abgetrennt“, sei fähig, die als Rauch aufsteigenden Brunnengesänge zu hören; nur ein in Streifen geschnittenes Auge werde „all dem gerecht“. Hier ist die chirurgische Absonderung der wahrnehmenden Organe die Bedingung des Verstehens, wenn nicht des Gedichtes selbst, so doch dessen, wovon es spricht: Amputation und Verstümmelung. Was einzig unter dieser Bedingung wahrzunehmen und zu verstehen wäre, müßte jenseits der Grenzen des Menschlichen liegen. Von Liedern „jenseits der Menschen“ spricht das sechzehnte Gedicht:

FADENSONNEN
über der grauschwarzen Ödnis.
Ein baum-
hoher Gedanke
greift sich den Lichtton: es sind
noch Lieder zu singen jenseits
der Menschen.

Hier ist eine Licht-Erscheinung („Fadensonnen“) zugleich ein Klang-Ereignis. Sie geschieht über einer Ödnis, in der sich ein Baum zeigt. Die Gestalt dieses Baumes wird dabei nicht des Baumes wegen hergerufen, sondern als die Erscheinungsform eines „Gedankens“. Dieser greift nach dem „Lichtton“ – ein Greifen und Begreifen zugleich, nämlich daß es Lieder aus Lichttönen gibt, „jenseits der Menschen“. Es sind keine Menschenlieder, doch stellt die Wendung „sind noch (…) zu singen“ eine Beziehung zu menschlichem Gesange her, derart, daß es auch dann noch Lieder geben werde, wenn es keine Menschen mehr gibt. Subjekt solchen mystischen Singens wäre das tönende Licht.
Zu einer überaus kühnen Engführung des Gesang-Motivs mit dem Motiv des Schiffbruchs kommt es im zehnten Gedicht des Zyklus:

MIT ERDWÄRTS GESUNGENEN MASTEN
fahren die Himmelwracks.

In dieses Holzlied
beißt du dich fest mit den Zähnen.

Du bist der liedfeste
Wimpel.

Das erste Zeilenpaar gibt das Bild eines kollektiven Schiffbruchs. Man darf ihn allumfassend, ja kosmisch nennen, denn er hat am Himmel stattgefunden. Kieloben treibende Schiffe zeigen mit ihren Masten nun erdwärts. Hans-Georg Gadamer hat in seinem Kommentar zu diesem Gedicht auf Celans Satz aus der Büchner-Rede hingewiesen: „− wer auf dem Kopf geht, der hat den Himmel als Abgrund unter sich“. Das Zitat hat bei Celan einen Bezug auf Büchners Lenz, läßt sich mit diesem Gedicht aber nur ungefähr assoziieren. (Wenn die Masten der im Himmel gekenterten Schiffe erdwärts zeigen, ist die Erde ihr Abgrund.) Deutlicher scheint mir dagegen die Nähe zu einer Wendung aus dem Woyzeck-Märchen: „die Erd ein umgestürzter Hafen“. Gegen diese Reminiszenz, die vielleicht nur eine des Interpreten ist, ließe sich einwenden, daß in Büchners Sprachgebrauch „Hafen“ nicht „Port“, sondern „Topf“ meint. Gewiß. Da Celans Dichtung für ihre Leser aber ein strenges Exerzitium auf den mehrfachen Sinn der Wörter ist, wird man dasselbe Wortsinngespür, dem diese Dichtung ihre Eigenart dankt, auch bei Paul Celan als Büchner-Leser voraussetzen dürfen. Im Woyzeck-Märchen sucht ein verlassenes Kind, „weil auf der Erde niemand mehr war“, sein Heil im Himmel, der Himmel aber ist verwüstet, und „wie’s wieder auf die Erde wollte, war die Erd ein umgestürzter Hafen“. Läßt man Büchners „Hafen“ als Hafen gelten, ergibt sich ein dem Celanschen Gedicht analoges Bild für die Vernichtung der ganzen Schöpfung, und man wird nicht ausschließen wollen, daß der zentrale Bild-Gedanke dieser Verse von Büchners Satz aus dem Woyzeck inspiriert sein kann.
Zeigen die Masten des Wracks nun erdwärts, so waren sie vor dem Schiffbruch himmelwärts gerichtet. Da es gesungene Masten sind – Mast: Lied: Holzlied −, hat sich im Schiffbruch auch die Richtung des Singens verkehrt. Vielmehr: die Richtung des Gesungenen. Das Gedicht spricht nur von dem, was gesungen wurde, von der Möglichkeit gegenwärtigen Singens ist nicht die Rede, es scheint sie nicht mehr zu geben. Wenn sich der Schiffbrüchige am gesungenen Masten festbeißt – was nicht nur ein letzter Rettungsversuch ist, sondern auch der Versuch einer Einverleibung sein könnte −, läuft das „Holzlied“, das vorgesungene fremde, zwischen seinen Zähnen hindurch und wird einen Mundbreit gleichsam sein eigenes. Als ein Singen oder Mit-Singen läßt sich diese Art von Teilhabe aber kaum noch bezeichnen, nicht nur weil es sich wortwörtlich um eine Verbissenheit handelt, sondern vor allem deshalb, weil das hier angesprochene Du just im Augenblick des Zubeißens seine Subjekt-Eigenschaften verliert. Es gerät in einen Zustand der Verdinglichung, es wird zum „Wimpel“. Von diesem heißt es, daß er „liedfest“ sei – ein Wort, an dem sich das Verstehen des Gedichtes entscheidet. Wäre der Wimpel nämlich „liedfest“ im Sinne von bibel-, trink- oder sattelfest, so müßte er des Singens mächtig, ein singender Wimpel sein; „liedfest“ bezeichnete dann eine Subjekt-Qualität. Gerade diese Wortbedeutung realisiert das Gedicht aber nicht, es meint eine Objekt-Eigenschaft: fest am Mast, holzliedfest und zugleich auch preisgegeben, als Wimpel, an jener exponierten Stelle, die einmal, als der Mast noch himmelwärts stand, die oberste war und jetzt die unterste ist.
Natürlich ist dies ein Gedicht über Dichtung, vor allem über Paul Celans eigenes Dichten. In der Verfremdung einer Du-Anrede spricht der Dichter zu sich und von sich selbst. Nennt er nun jenes Du – also sich selbst oder einen, der ganz seinesgleichen wäre – „liedfest“, so ist die Voraussetzung dafür nicht etwa der alte Topos Poet gleich Sänger, sondern die in diesem Augenblick gefundene, aus der Logik des enggeführten Motiv-Materials sich überraschend und zwingend ergebende Gleichung Dichter gleich Wimpel. Ein Wimpel aber kann nicht das Subjekt einer Botschaft sein, er ist die Botschaft selbst, nämlich: eines Schiffes, hier eines „Himmelwracks“, dessen Mast ein „Holzlied“ ist.
Hans-Georg Gadamer hat diese Pointe in seiner Interpretation des Gedichtes wohl verkannt, wenn er gerade hier noch ein „letztes Hochhalten des Hoffens“ zu erkennen meint: „So ist der Dichter mit seinem Lied als letzter eine Verheißung von Leben (…). Er heißt mit Pointierung ,liedfest‘. Denn nichts als das Lied ist es, das dauern wird…“ Hier zeigt sich, wie schwer es fällt, der Trostlosigkeit dieses Celanschen Bild-Gedankens standzuhalten und ihn nicht ins Licht einer Hoffnung zu ziehen, die aus dem anderen Lebensgefühl seines Lesers stammt. Gadamers Auslegung setzt Hölderlins „Was bleibet aber, stiften die Dichter“ ebenso voraus wie ein Weitergelten der Gleichung von Dichter und Sänger. Doch was im Gedicht „Holzlied“ heißt, ist nicht das Celansche Gedicht, sondern ein vor dem Schiffbruch Gesungenes – vielleicht ist es die Dichtung, die fremde frühere, einst himmelwärts gesungene. Noch ist sie da, aber nur noch als Mast eines „Himmelwracks“: ein Lied, endend als Holz, wie es Holzwege gibt, die im Holze enden. (Nicht nur bei Martin Heidegger.) Der sich in dieses „Holzlied“ verbissen hat, ist als Wimpel zur Botschaft eines universalen Gescheitertseins geworden. Mit dieser Selbst-Behauptung wird das Pathos aller Metaphern früherer Dichter-Selbstverständnisse weit übertroffen – Eichendorffs „Der Dichter ist das Herz der Welt“, Heines „Durch das meinige ging aber der große Weltriß“ oder Goethes Tasso „So klammert sich der Schiffer endlich noch / Am Felsen fest, an dem er scheitern sollte“. Selbstbehauptung im universalen Untergang – der Dichter als Wimpel eines gesungenen Masten am Himmelwrack. Sprachlich war dieser Bild-Gedanke nur durch die kühne Engführung zweier Motive, Singen und Schiffbruch, zu vermitteln. Und nur so ließ sich die alte poetologische Bedeutung des Gesang-Motivs noch einmal reaktivieren, doch in welcher Verfremdung. Die Pointe dieser Motiv-Verschränkung hat Celan bereits in der Eingangszeile des Gedichtes, in einem nur leicht verdeckten Wortspiel, angetönt: „gesungen“ / gesunken. Bedenkt man den Bedeutungsverlust des Gesang-Motivs in neuerer Lyrik, so möchte man meinen, dies sei die Pointe einer langen poesiegeschichtlichen Tradition, deren Ende.

Peter Horst Neumann, aus: H. Danuser u.a. (Hrsg.): Das musikalische Kunstwerk. Geschichte. Ästhetik. Theorie. Festschrift für Carl Dahlhaus, Laaber Verlag, 1988

Gedenken an Paul Celan

Die Erinnerung geht zurück zu einem im Sprechen wie im Schweigen beredten Juninachmittag vor Jahren in Paris, als Celan während des Gesprächs nach seinem Band Sprachgitter griff und mir aus dem einleitenden Zyklus die beiden letzten Abschnitte mit fast beschwörender Genauigkeit vorlas. Wir waren von der „Engführung“, dem Schlußzyklus des Buches, ausgegangen, er aber ging dann an den Anfang zurück und endete mit „den Stimmen im Innern der Arche“:

Es sind
nur die Münder
geborgen. Ihr
Sinkenden, hört
auch uns.

Jenen „Stimmen im Innern der Arche“ reihte sich die präzise Stimme Celans ein, so leise wie eindringlich, so traurig wie gegenwärtig. Denn seine Gegenwart war das nicht vergängliche Leid des jüdischen Volkes und der nicht vergängliche Mord an ihm, identisch mit dem Menschenleid und Menschenmord überhaupt. Es war in der Wohnung Celans oben im Haus Nr. 78 der rue de Longchamp, das er in seiner Atemwende, anspricht, jene Treppen hinauf: „Die Sprossen der Leiter, über / die Odysseus, mein Affe, nach Ithaka klettert, / rue de Longdiamp.“ Aber wohnen im wesentlichen Sinn tat er nicht in diesem Haus, in diesem Zimmer seiner Arbeit und unseres Gesprächs; das tat er, auch während seine Stimme zu mir sprach, in einer jener „Tränen im Bruderaug“ (,der Jakobsstimme‘): „eine blieb hängen, wuchs. / Wir wohnen darin.“ Die Wirklichkeit war der Kern seines Gedichts. Aufmerksam gemacht auf die Bedeutung der hölderlinschen Zeilen (aus dem hymnischen Entwurf ,Vom Abgrund nemlich‘): „Mein Herz wird / Untrügbarer Krystall an dem / Das Licht sich prüfet“, grenzte er mit großer Entschiedenheit ein: „Wenn nicht das einengende Wort ,Deutschland‘ noch als Bruchstück diesen Zeilen folgte.“ Für immer prägte sich mir der ingrimmige Griff Celans nach dem zweiten Band von Beißners großer Hölderlin-Ausgabe auf dem Bücherschaft hinter ihm ein und der Finger, der auf das Wort ,Deutschland‘ deutet: er nahm Hölderlin mit der gleichen Rücksichtslosigkeit ernst wie sich selbst. Das Wort nahm ihm in diesem Zusammenhang den selbständigen Richtungswert von Hölderlins Vers. Seine Sensibilität konnte nicht anders. Seine Trauer mußte auf etwas anderes lenken:

KEINE
STIMME — ein

Spätgeräusch, stundenfremd, deinen
Gedanken geschenkt, hier, endlich
herbeigewacht: ein
Fruchtblatt, augengroß, tief
geritzt; es
harzt, will nicht
vernarben.

Die verstummende Stimme ließ die Worte weiter wie Steine im Raum stehen: „will nicht / vernarben“. Mit gleicher Stimme ging er nach dem Schweigen von dem Vorlesen zum Gespräch über, auf den ihm wichtigen Zentralgedanken: „Spätgeräusch“; wobei die Silbe ,Spät‘ weder einen historischen noch biologischen Charakter annahm: es ist eine nackt datierende Information und hat weder mit Reifen noch Vergehen zu tun. Mit ungeheurer Härte versuchte Celan, sein Leben und sein Werk auseinanderzuhalten, obwohl und weil sie bei ihm eins waren.
In dieser Gesprächsstunde waren sich Hölderlin und Celan auf eine fast unbegreifliche Weise nahe. Unbegreiflich. Denn mit Recht weist in seiner Interpretation des Gedichts „Tübingen, Jänner“ Bernhard Böschenstein auf den unermeßlichen zeitlichen Abstand zwischen Hölderlin und Celan hin. Es ist so: „Wenn Hölderlin wiederkehrte, er müßte noch viel verhüllter, noch viel blinder sprechen.“ Die Befreiung aus der Sprachlosigkeit macht zwar das Wortgestein Celans unauflöslich. Aber die Fremdheit der Wortformen und der Syntax in Celans Sprache entspricht der Welt eines Wahn-gängers, die unserm Schicksal heute näher liegt als die hölderlinsche Abwesenheit.
Das Hier und Heute Celans ist einem ausgehaltenen ständigen Wechsel von Bewußtsein und Wahn zu verdanken. Dieses Aushalten hat keine heroischen oder mythischen Züge. Es wäre gut, wenn Celans Freitod dieses Frühjahr in der Seine nicht zur Legende würde. Lob wie Tadel, Hymne wie Pamphlet sind gleich unzulässig und undurchlässig für konkrete Sprachschicksale wie die Hölderlins und Celans. „Niemand / zeugt für den / Zeugen“, weiß Celan und nimmt es auf sich. Und trotzdem: jeder, der zu einer Kommunikation mit dem Celanschen Wort kommt, muß auch seinerseits das Wagnis des Dichters als Zeugen auf sich nehmen und für den Zeugen zeugen. Auch wenn er daran scheitert oder wegen Meineids verdächtigt wird.
Das Wagnis Celans war es, aus abgründigem Leid heraus durch Formung der einzig ihm gebliebenen Realität, der Sprache, die als unsinnig verfemte Welt des Wahns aufzuschließen und ihre einfachsten, die nur aus einem Subjekt, Wahrheit zu begründen — in dem Richtungssinn, wie es Simone Weil nach einer Aufführung des Lear erkannte, daß Narren, „Wesen auf der niedersten Stufe der Demütigung wirklich imstande sind, die Wahrheit zu sagen“. Mit diesem Wissen der Simone Weil steht doch wohl auch der Satz Celans im Gespräch mit mir: „Lyrik ist Mystik“ im Zusammenhang.
Celan als Glied des gedemütigten jüdischen Volkes hat die ,Wahrheit‘ in seinem Werk, das in seinem Kern ein Dialog mit seiner gemordeten Mutter ist. Er konnte kraft des einmaligen Formgeistes in ihm, durch sprachliche Verrückung der Maßstäbe und Perspektiven und Proportionen in Wortwahl, Syntax, Zeilenfügung, eine neue Realität durchsetzen gegen die Irrealität der konventionellen, scheinnormalen Welt, die millionenfachen Mord beging und begeht, nicht nur im öffentlichen Schicksal der Völker, sondern im intimen Alltag der einzelnen, in frühester Kindheit. Gegen die Verformung durch die Heuchelei des Normalen ist eine Verrückung und Verrücktheit nötig, die nicht nur durch den Gegendruck der etablierten Außenmacht, sondern auch durch den im eigenen Innern gefährdet ist. Celan setzte sich buchstäblich dafür mit seinem Leben ein, bereit, wie Erhart Kästner schon in seiner Bremer Rede auf Celan vorahnend wußte, das Gelingen seiner Gedichte mit dem „Lebenspreis“ zu bezahlen. Celan wagte syntaktisch die schwierigsten Sätze. Aber er konnte selbst die einfachsten, die nur aus einem Subjekt, Prädikat und Objekt bestehe, durch Wortwahl so verrücken, daß sie den sogenannten normalen Sprachverstand außer Gefecht setzen: „Bluthufe scharren die Denksträuße zusammen“, heißt es da. Oder: „Die vertanen / Brückenzölle, geharft, / durchmeißeln die Kalkschlucht.“ Oder: „Die Panzerlurche / nehmen die blauen Gebetsmäntel um.“ Solche Sätze als Surrealismus und Absurdität zu klassifizieren, wäre falsch. Sie wollen nicht provozieren und kommen nicht aus dem Unbewußten. Sie kommen aus einem sehr präzisen Vorstellungsbereich und brechen die Schale der durch Konvention unpräzis und bequem gewordenen Bildwelt auf für eine neue Realität.
Es wird die Aufgabe kommender Interpreten sein (so manches Klärende etwa Beda Allemann, Peter Paul Schwarz, Alfred Kelletat u.a. schon geleistet haben), über das Thematische hinaus die Verrückung der Perspektiven durch Einblick in die sprachlichen Neufügungen aufzudecken (wie das etwa kürzlich für Hölderlin Winfried Kudszus begonnen hat) und darüber hinaus die Begründung einer Sprache durch Aufbrechen der Syntax und des Verses durch eine ebenso differenzierte wie subtile Rhythmisierung der Sätze und Zeilen. Viel näher als dem Surrealismus steht Celan der abstrakten Malerei, etwa eines Nicolas de Stael, der dasselbe Ende nahm wie Celan und vielleicht aus denselben menschlichen wie künstlerischen Gründen. Der sich aufzwingende Rhythmus eines beliebigen Gedichts, etwa des „Flimmerbaum“ aus der Niemandsrose, die syntaktischen Wort- oder Teilsatzwiederholungen, die am Zeilenende verzögerten oder in die neue Zeile hinübergezogenen Präpositionen oder Artikel, die Schrecken zu bewahren: verteilten Farbflecken der Grundwörter, die Verwandlungen der Aussagen in Fragen in Antworten — alles erzeugt eine abstrakte Grundmelodie, die deutlicher spricht als eine vordergründige Realbedeutung. Durch die zunehmende Engführung im Werk Celans wird angesichts der Verschlüsselung ohne Klartext die Information durch die Form immer entscheidender, die syntaktischen Bezüge sprechen mehr zu uns als die Sinnbezüge. Was zuletzt unverständlich bleibt, ist nicht subjektiv, paradox, willkürlich. Die Sprache dieser präzisen Dunkellyrik ist das genaue Äquivalent zu unserer undurchschaubaren Weltexistenz.
Beim späten Hölderlin heißt es: „Augen hat des Menschen Bild… Der König Ödipus hat ein Auge zuviel vielleicht.“ In einer Dissertation über Celan wurde statistisch nachgewiesen, daß im Frühwerk das Wort ,Auge‘ am häufigsten vorkommt. Nun kann man für eine Suppe die Linsen einzeln zählen, anstatt sie in einem Schub in den Topf zu schütten. Es geht aber darum, daß zu jenem Hölderlinvers eine genaue Beziehung besteht und im gesamten Werk Celans das Auge nur genannt wird, um es angesichts des Schicksalsablaufs blind werden zu lassen, dunkel zu lassen vor dem „Lichtzwang“. Das Auge Celans „dunkel: als Hüttenfenster“ hat das Entsetzliche des jüdischen Massenmords eingesammelt; Celan hat das Auge der ermordeten Mutter vor sich, das er wie ein Kind im Arm wiegt, um es vor dem Schrecken zu bewahren:

DEIN AUGE IM ARM,
die
auseinandergebrannten,
dich weiterwiegen, im fliegen-
den Herzschatten, dich
Wo?

Mach den Ort aus, machs Wort aus.

Der Sprachlosigkeit vor dem Unbegreiflichen, der das Celansche Gedicht in ständiger Gegenbewegung abgemüht wird, entspricht die Augenlosigkeit, die zu einem Schlüsselwort wird: „Du, die du’s sprachst in den augen- / losen, den Auen“, heißt es in der Niemandsrose, und in der Atemwende: „Vom großen / Augen- / losen / aus deinen Augen geschöpft.“ In Fadensonnen aber ist die Befreiung da: „die Augenlosen ohne Gestalt / führen dich frei durchs Gewühl.“ Das Auge schmerzt nicht mehr, es ist zu einem Ding geworden, es erfährt nicht mehr, man kann es beliebig behandeln: „ein Aug, in Streifen geschnitten“ (Atemwende) und „Ein Auge, dem Arzt / aus der Niere geschnitten“ (Fadensonnen). Die Hilfe war von einem andern Schlüsselwort gekommen. In der ,Engführung‘ am Schluß von Sprachgitter hieß es schon: „es blieb / Zeit, blieb, / es beim Stein zu versuchen — er / war gastlich, er / fiel nicht ins Wort.“ Gleichgültig, ob es statistisch stimmt: das Wort Stein verdrängt das Wort Auge im Prozeß des Werks. Beim Stein kann man vertrauend verweilen, er war schon sprachlos, empfindungslos, todlos, augenlos. Von ihm aus konnte man wieder anfangen, wieder in die Welt hinausgehen, das Böse vermeiden: „Ein Stein, / der die Teufelssteige umgeht“, „Der Stein, / schläfennah einst, tut sich hier auf“ und „Der Stein trat aus dem Berge“, heißt es in der Niemandsrose.
Die Paradoxie der Welt wird einfaches Ereignis: nachdem das geliebte Lebendige leblos gemacht worden war, wird das Leblose, der Stein, lebendig: „mit der Flugwurzel, der / Steinatem zuwächst“. Der Stein kann in Wahrheit fliegen oder schreiben: „wo die Steinboote fliegen“ und „mit von Steinen geschriebenen Schatten“, steht es nun in der Atemwende. Trotz des Grauenvollen war es im Dialog mit der Mutter zu einem der glücklichsten, leichtgewichtigsten Gedichte gekommen, die Celan geschrieben hat:

DIE HELLEN
STEINE gehn durch die Luft, die hell-
weißen, die Licht-
bringer.

Sie wollen
nicht niedergehen, nicht stürzen,
nicht treffen. Sie gehen
auf,
wie die geringen
Heckenrosen, so tun sie sich auf,
sie schweben
dir zu, du meine Leise,
du meine Wahre —:
ich seh dich, du pflückst sie mit meinen
neuen, meinen
Jedermannshänden, du tust sie
ins Abermals-Helle, das niemand
zu weinen braucht noch zu nennen.

Und kurz darauf begrüßt er die Augenlosigkeit des Steins, dem er die bleibende „Graugestalt“ seiner Mutter verdankt, die er nun als Augenloser in tausend Verwandlungen sehen kann, hier als „hellflügelige“ kleine Phaläne:

aaaaaaugen-
loser du, Steinblick, mit dem uns
die Erde hervortrat, menschlich…

Das Du der Mutter, das sich zuzeiten in das Du der Schwester oder der geliebten Frau verwandelt, muß bei Celan mit der gleichen Scheu als geheimnisvolle Realität geachtet werden wie bei Trakl dessen Schwester. Damit ist der Inzest-Gedanke angesprochen, der, ins Zeitlose gerückt, eine andere Perspektive bekommt. Celan hat die Wahrheit nicht verschleiert. In dem Gedicht „Am weißen Gebetriemen“ aus der Atemwende schreibt er in Erinnerung an die Öfen der KZ: „biß sich mein kletternder Mund fest, noch einmal, / als er dich suchte, Rauchspur / du, droben, / in Frauengestalt“ — und am Schluß: „wie weit / ich dich ins Tiefe stieß, wo / dich mein bitterster Traum / herzher beschlief, im Bett / meines unablösbaren Namens“. Der Name ist unablösbar, aber auch hier wieder ist der Stein hilfreich. Man kann ihn fortwälzen: „Fortgewälzter Inzest-Stein“ heißt die Überschrift eines Gedichts gegen Ende des letzten von ihm veröffentlichten Gedichtbands. Um so ergreifender ist die Losgelöstheit, mit der er in der postumen Lyrik noch oder wieder sehen kann. Zwar steht da in Zeilen, die dem Band den Titel — Lichtzwang — gaben: „Doch konnten wir nicht / hinüberdunkeln zu dir: / es herrschte / Lichtzwang“. Und es sind „Wahngänger-Augen“, in die die übrigen Blicke münden. Aber dann steht im Kontrast zu dem Lichtzwang ein ganz erhelltes Gedicht da, in dem erneut die Augen aufgehn und das Gesicht der Mutter:

ICH KANN DICH NOCH SEHN:
ein Echo,
ertastbar mit Fühl-
wörtern, am Abschieds-
grat.
Dein Gesicht scheut leise,
wenn es auf einmal
lampenhaft hell wird
in mir, an der Stelle,
wo man am schmerzlichsten Nie sagt.

Ohne Zweifel ist Celans Wort zunächst ein Dunkelwort, seine Sprache verschlüsselt, ohne Klartext. Und ohne Zweifel kann man ihm nur nahekommen über die abstrakt erfaßte Form seines rhythmisierten Zeilengefüges. Dann aber kommt ein Heimischwerden in seiner Sprache und, nach unermüdlich wiederholtem Lesen der einzelnen Gedichte und dann der einzelnen Bände als Ganzes, der beglückende Augenblick, in dem der Text in einem sehr subtilen Sinn ,klar‘ wird, in dem das Schwere leicht wird: die Steine „schweben“, und wir finden die Tür zu einer neuen Wirklichkeit. Wenn wir dem dahingegangenen Begründer dieser Wirklichkeit einen Nachruf nachschicken, ist es kein ,Nach-Rufen‘ nach dem Vergangenen, in der Trauer über seinen Freitod nach dem Entsetzen über den Massenmord, sondern, wenn es heute schon möglich ist, ein Vor-Schweigen vor dem Zukünftigen, eine — schwermütige — Hoffnung auf das Freiwerden seiner Gestalt.

Franz Büchler, Neue Rundschau, Heft 3, 1970

Besuch in Thiais

– Am Grabe Paul Celans. –

Nach einigen Tagen Aufenthalt in einem Vorort im Süden von Paris bat ich Carole, meine Gastgeberin, mich nach Thiais zu fahren.
„Thiais? In der Nähe von Orly? Was willst du denn dort?“ – Ich sagte es ihr: Paul Antschel. Oder Celan. Er hat sich in der Seine… – „Ach ja, den Lyriker meinst du? Tut mir so leid, aber ich bin noch immer nicht dazu gekommen, seine Gedichte zu lesen.“
Ich verstehe Carole. Wer kannte ihn schon in Paris? Hatte ich mich doch damals, wenige Tage, nachdem man Celan seineabwärts gefunden hatte, an seinem Arbeitsort in der Ecole normale supérieure, nach ihm erkundigt. Für die Sekretärin war er „ein Professor weniger, es sind so viele, wie soll ich sie alle kennen, manchmal, ja, da stirbt einer, das kommt öfter mal vor“. Im Grunde war man erstaunt. Eine Schweizerin, die fragt, wo man Celan begraben habe. Man musterte mich mit irritierten Blicken. Studenten und Lehrer kamen herein, gingen hinaus. Flüstern. Was sucht sie? Das Grab dieses Celan? Achselzucken. Niemand schien sich für ihn, seinen Tod zu interessieren.
Draußen, im düsteren Häuschen innerhalb des Portals, saß die Pförtnerin und las in einer Illustrierten. Mein Eindringen in den Hof war ihr entgangen. Jetzt schaute sie auf und blickte mich fragend an.

Celan, Antschel? Ja, so hieß er, schrieb Gedichte, deutsch, ich verstehe diese Sprache nicht, schade, hätte gern was von ihm gelesen, krank war er (sie greift sich an den Kopf), schon lange, armer Mensch, hat mich immer so freundlich gegrüßt, wenn er eintrat, durch das Tor, die andern, wissen Sie, die gehen da einfach vorüber. Ja. Man hat ihn gefunden. Wo? Ach, weit außerhalb der Cité. Irgendwo. Begraben? Weiß ich nicht. Unsere Schule ist groß, da stirbt immer wieder einer, Lehrer, ältere natürlich, oder ein Schüler, aus Liebeskummer und so. Schade um den Professor.

Einen Augenblick lang schien sie wirklich betrübt. Ich hatte ihre Zeit überschritten, sie wandte sich wieder ihrer Illustrierten zu.
Irgendwo hatte ich gelesen, Celan sei in Thiais, südlich von Cachan, bestattet worden, und Cachan, meine Pariser Wohnstadt, liegt südlich der Porte d’Orleans, in deren Nähe Celan gelebt hatte und wo ich ihn 1970, einige Tage zu spät, hatte aufsuchen wollen.
In Thiais ist ein Teil des weit angelegten Friedhofes, 123 Parzellen sollen es sein, für die Pariser Region reserviert. „Feld 31“ steht auf meinem Zettel. Auf unseren suchenden Blick kamen einige Friedhofsdiener vom Haupteingang herüber, freundliche Leute, bereitwillig wiesen sie uns den Weg: immer der breiten Allee entlang, dann, nach dem Denkmal dort vorn, nach rechts.
In den Bäumen rauschte der Wind, die Sonne stach, umgarnt von drohenden Wolken. „Nicht einmal Blumen bringen wir mit“, sagte ich. Aber sicher wäre Celan ein Strauß Rosen jetzt nicht so wichtig. Wir suchen nach der „Straße“, die zum Feld 31 führt. „Bevor der Regen kommt“, so Carole, „möchte ich das Grab gefunden haben.“
Thiais ist kein Friedhof wie der Père Lachaise“ oder der „Montmartre“ mit seinen steinübersäten Monumenten und den Grabmälern berühmter Namen. Thiais gleicht eher unseren Kirchhöfen: Gräberreihe an Gräberreihe, jeder nah an den anderen gebettet, ob Straßenfeger oder Dichter, Concierge oder Direktor. Selbst einem Waldfriedhof ist er ähnlich, etwa dem in Winterthur.
Zwei Arbeiter, mit dem Ausheben neuer Gruben beschäftigt, sind uns behilflich, „Jahr?“ 1970. „Hier, in diesem Viertel.“ – Einer möchte Auskunft haben, was für ein Grab wir suchen. Nicht aus Neugier fragt er, wir spüren es. „Celan“, sage ich, „Paul Celan, es könnte auch Antschel stehen auf dem Stein.“ Der junge Mann weiß es nicht, auch scheint er irritiert. Vor einem Jahr war sein Arbeitsplatz anderswo. „Wenn er hier liegt, werden wir ihn bestimmt finden. Nur Geduld.“ Hinter seiner Stirn arbeitet es, aber wagt nicht, die Frage zu stellen: warum wir hergekommen sind, wenn wir nicht einmal wüßten, wo der Tote liegt. Fremde, wird er denken, Fremde.
An frisch ausgehobenen, mit Brettern verschalten Gruben vorbei stoßen wir fast gleichzeitig auf den flachen Marmorstein, der die Grabstätte in ihrer ganzen Länge, bis auf einen etwa 30 Zentimeter breiten, zum Anpflanzen ausgesparten Streifen, waagerecht deckt. Wir beugen uns über den Namen. Die Buchstaben sind eingemeißelt und mit Gold grundiert: Paul Celan, 1920-1970. Und  darüber: François Antschel-Celan, 1953 (Sein Bruder? Oder – sein Kind?). Nichts sonst. Kein Blumenschmuck. Weder Türkenbund noch Rapunzel. Nichts. Nicht einmal eine „Niemandsrose“.
Die Sonne spiegelt sich im schwarzen Stein. Vielleicht hätten wir doch Blumen mitbringen sollen. Seltsam. Ich habe an Celan gedacht, den Menschen, der litt. Und nicht an Blumen, an „Geborgtes“ kurze Zeit. Ich könnte mir vorstellen, er mag das lieber, was hier wild wächst: Mohn, den er geliebt hat, den „Mohn des Vergessens“, leise wiegend in Feuerzungen, glutend auf dem nachtdunklen Marmor, und auf der anderen Seite wilder Senf, strahlendes Gelb, „wie Sternfüße“, oder könnte es auch Raps sein? Ich kenne mich zu wenig aus, aber Kreuzblütler sind es sicher. Nur wo der Platz für Blumen einbezogen ist, wuchert Unkraut, blütenlos, ein paar Büschel Gras, „Nachthalme“, vergilbt. Paul Celans Grab blüht.
Die Sonne zieht ihr Licht vom Stein. Wir stehen noch einige Minuten in der Stille. In mir wachsen tonlos Worte, „zwei Mundvoll Schweigen“. Wieder wirbelt der Wind von Baum zu Baum. Draußen vor dem Tor, fallen die ersten Tropfen.

Lilly Ronchetti, die horen, Heft 104, 4. Quartal 1976

 

THIAIS / PARIS
Für Paul Celan

Zwischen dir und ihnen
die das Wolkenbett
endlich ertragen
die Finsternis
aus dem Auge geweint
nur auf den Lidern noch
verschwommen
das letzte, das
vergessene Wort.

Zwischen ihnen
die dich
ausgesetzt jetzt
als ihresgleichen
verstehn
aber deinen Namen
nicht kennen
nicht deine Lieder
deine Fesseln nicht
noch deine Freiheit
die ihren eigenen Schmerz
hinausschrien
in ein taubes Gehör
in die blinde Bläue
aussäten
ihre eigene Lust.

Zwischen ihnen und dir
sind die Wunden versteinert
und die Lichter der Seele
in schrumpfenden Meilen
verwandt.

Auf dem schwarzen Marmor
gehäus zwischen Feuermohn
und wild wachsendem Senf
nur ein Buchstabenkranz
aus schwindendem Gold
über dem letzten, dem
weitergegangenen
Wort.

Lilly Ronchetti

L’INCONNU DE LA SEINE
Paul Celan zum Gedenken

Vom Grund auf
vom Urgrund her
vom Ungrund mit-
aaaaaaaaaaaaaaaalaufend

Die Bukowina: Strünke mit Blicken
aaaaaaaaaaaaaaStrünke mit Brüsten
aaaaaaaaaaaaaaMetall
aaaaaaaaaaaaaaim Aug der Tage
aaaaaaaaaaaaaaim Blick der Welt
aaaaaaaaaaaaaaSchuld ja Mit-
Schuld

Aufgespalten in der Wasserscheide
aaaaaaaaaaaaaaam Grenzstrich
aaaaaaaaaaaaaazum Verriß
Der Silben Federn schleißen
Bis auf den Knochen schinden die Haut

Stacheldrähte: die Drähte von Auschwitz
aaaaaaaaaaaaadie Drähte der Gulags
aaaaaaaaaaaaadie Drähte von Theresienstadt
aaaaaaaaaaaaaStacheldrähte…

Chor: wer wohl darin dahinsiecht?
Der Kiesel Siebenstimme ein-
sam
aaaauf Grund allein
Trotz dem der Fall
– von Grund auf

Ludvík Kundera
Aus dem Tschechischen von Felix Philipp Ingold

 

Fakten und Vermutungen zum Poesiealbum + wiederentdeckt +
50 Jahre 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6

 

 

 

Gerhart Baumann hielt seinen Vortrag Paul Celan: Um-Wege zu sich und die offene Frage des Gedichts auf der Tagung Vom Sinn moderner Lyrik am 23. Januar 1971 im Haus der Katholischen Akademie in Freiburg.

 

Niemand zeugt für den Zeugen. 100 Jahre Paul Celan. Literarische Soirée am 30.9.2020 im Haus am Dom Limburg.

 

Paul Celan, Czernowitz & die „Todesfuge“. Helmut Böttiger berichtet.

 

„Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans“. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz am 23.11.2020 im Literaturforum im Brecht Haus.

Clément Fradin, Julia Maas und Michael Woll stellen Paul Celans Bibliothek im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor.

„Die Todesfuge. Zur Biographie eines Gedichts im Archiv“ – Thomas Sparr im Gespräch mit Jan Bürger, Kai Uwe Peter und Michael Woll

Michael Woll stellt Paul Celans Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach vor. Im Mittelpunkt stehen dabei die Hölderlin-Bezüge in Celans Texten.

Carolin Callies, Ann Cotten, Daniela Danz, Aris Fioretos, Norbert Hummelt und Rainer René Mueller kommentieren Paul Celans Gedicht „Was es an Sternen bedarf“.

 

Paul Celan liest Gedichte in Jerusalem am 9.10.1969

 

 

Zum 50. Todestag des Autors:

Daniel Jurjew / Klaus Reichert: Paul Celan: Ich sehe seine Hellsichtigkeit, bei anderem denke ich einfach: er übertreibt
Frankfurter Rundschau, 19.4.2020

Gregor Dotzauer: Das Eigene und das Andere
Der Tagesspiegel, 19.4.2020

Susanne Ayoub: Es ist Zeit, dass es Zeit ist
Der Standart, 19.4.2020

Sandro Zanetti: Akute Dichtung: Celans Zumutungen
Geschichte der Gegenwart, 19.4.2020

Friederike Invernizzi: Sprechen zwischen Wunde und Narbe
Forschung & Lehre, 19.4.2020

Frank Trende: Die bewegende Geschichte der Todesfuge
shz.de, 19.4.2020

Dunja Welke: Paul Celan – Ein zerrissener Dichter
RBB, 18.4.2020

Stefan Lüddemann: Paul Celan, Dichter des Holocaust, starb vor 50 Jahren
Neue Osnabrücker Zeitung, 19.4.2020

Shmuel Thomas Huppert: Erinnerungen an Paul Celan
SR 2, 26.2.2020

Christoph Bartmann: Ein Riss, der nicht zu heilen war
Süddeutsche Zeitung, 20.4.2020

Christine Richard: Ein Leben, immer nahe am Untergang
Tages-Anzeiger, 20.4.2020

Anton Thuswaldner: „Die Welt ist gegen mich losgezogen“
Salzburger Nachrichten, 19.4.2020

Klaus Reichert im Gespräch mit Niels Beintker: Erinnerungen an Begegnungen und Gespräche mit Paul Celan
BR24, 20.4.2020

Rüdiger Görner: Asche atmen: Zu Paul Celan
Die Presse, 23.4.2020

Marko Martin: Paul Celan und die „Linksnibelungen“
Welt, 27.4.2020

 

 

Zum 100. Geburtstag des Autors:

Andreas Wirthensohn: Todesklage für die Überlebenden
Wiener Zeitung, 21.11.2020

Claus Löser: Fünf Filme für Paul Celan
Berliner Zeitung, 21.11.2020

Krisha Kops: Paul Celan: Dichter, Überlebender, Heimatloser
Deutsche Welle, 22.11.2020

Ulf Heise: Lyrik als Flaschenpost
Freie Presse, 22.11.2020

Susanne Ayoub: Paul Celan: Verlust der Heimat, Trauer um die Eltern
Der Standart, 22.11.2020

Wolf Scheller: Was nicht gesagt, nur angedeutet werden kann
Der Standart, 23.11.2020

Andreas Montag: Dichter Paul Celan – Der Schleier des Herbstes
Mitteldeutsche Zeitung, 23.11.2020

Andreas Müller: Paul Celan – zum 100. Geburtstag
Wiesbadener Kurier, 23.11.2020

Stefan Kister: Unter die Deutschen gefallen
Stuttgarter Zeitung, 22.11.2020

Paul Jandl: Vielleicht war Paul Celan einmal ganz er selbst. Da spielte er die Dürrenmatts beim Tischtennis in Grund und Boden
Neue Zürcher Zeitung, 23.11.2020

Sabine Glaubitz: Er schrieb das Unsagbare auf: Nachkriegsdichter Paul Celan wäre heute 100 Jahre alt geworden
stern, 23.11.2020

Volker Weidermann: Ein Grab in den Lüften
Der Spiegel, 20.11.2020

Jochen Hieber: Im Höhenrausch mit Ingeborg Bachmann
Der Spiegel, 23.11.2020

Stefan Brams: Interview mit Thomas Sparr – Paul Celan stiftet zur Erinnerung an
Neue Westfälische, 23.11.2020

Helmut Böttiger: Die graue Sprache
Süddeutsche Zeitung, 22.11.2020

Helmut Böttiger: Auf der Suche nach einer graueren Sprache
Jüdische Allgemeine, 21.11.2020

Albrecht Dümling: Die Todesfuge in Tönen
Deutschlandfunk Kultur, 20.11.2020

 

Ästhetik und politische Dimension der Dichtung Paul Celans. Mit Helmut Böttiger, Thomas Sparr und Monika Rinck; Moderation: Dieter Stolz im Literaturforum im Brecht-Haus am 23.11.2020

Ausstellung Paul Celan 100 – Unter den Wörtern

Paul-Celan-Literaturtage 2020

 

 

West-östliche Konstellationen. Internationale Tagung als hybride Veranstaltung im Lyrik Kabinett, München, sowie online.
Tagungskonzeption und -organisation: Prof. Markus May und PD Dr. Erik Schilling (Institut für deutsche Philologie der LMU München)
8.–9.10.2020

Eröffnung

 

Ambivalente Topographien. Rilkes Dritte Duineser Elegie und Celans „Walliser Elegie“

 

„West-östliche“ Lesarten im Jahrhundert nach Celan

 

Das Schweigen über Brücken. Orte Celans bei Robert Schindel

 

Abendvortrag: Todesfuge. Biographie eines Gedichts

 

„Wortaufschüttung“. Materialität als Indexikalität bei Paul Celan

 

Betreten. Zum Anfang von Engführung

 

Celans Draußen. Über reale und sprachliche Räume in seiner Dichtung

 

„Stimmen vom Galgenbaum“. Celans west-östliches Rotwelsch

 

Fakten und Vermutungen zum Autor + ÖM + ArchivIMDb + PCLZ +
KLG
Georg-Büchner-Preis
shi 詩 yan 言 kou 口
Nachrufe auf Paul Celan: Neue Literatur ✝︎ NZN



Paul Celans Todesfuge interpretiert von Diamanda Galas im Teatro Albeniz, Madrid, 15.10.2008.

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