schlummer-filet_14

so schrieb er, sagte aber und sang den vers: „die trauer der arbeit, noch zu verrichten“. und meinte damit den kleinen kontakt, der arbeiter der stirn und der faust, hammer und zirkel im ährenkranz verbinden möge, ebenso die armen und also anmutigen zur gemeinsamen action directe. jene gewisse romantik von wohnzimmerindustrielandschaften, von ungemäht ungekämmtem gras in hinterhöfen zwischen hohen, gekalkten mauern, putz abbröckelnden, nebenan rostigen und nachts wie tags kreischenden schienen im fahrplantakt am gleisdreieck, jener brache. jene romantik von „die gitarre und das meer“ da, wo das meer, also die weite und fernweh umso weiter geeintfernt waren, in torkelnden trockenlanden also, wo man verschossene jacketts trug, die nicht putzten, wo der kragen auch am sonntag nicht rein war, sondern seekrank bekotzt darunter die t-shirts über dem ballonbierbauchgewölbe. jene romantik, die arbeiterdichter, zu solchen selbsternannt und -entadelt, spüren, wenn sie wie er durch die siedlung streifen, das wenn auch dürre, so doch zeilengeld solcher recherche schon ziemlich sicher in der tasche. wenn arbeiter der stirn wie er einen o-ton-termin mit dem sozialarbeiter haben, der jeans mit schlag trägt, aus nostalgischen gründen der arbeiterbewegung, und einen sehr alten, röchelnden volkswagen fährt, mehrcedes wäre verrat, obwohl er ihn sich, zumindest einen flinken smart, leisten könnte, weil der abraum, die zurück gebliebenen und flüchtlinge konjunktur haben, denen er dennoch wie er, der dichter, hier, in dieser reportage sich solidarisch erklärt, wenn denn parteiisch sein der poesie erlaubt sei. so trauern sie beide, traut der arbeit, noch zu verrichten, wie ihrer verrichtung, treulich noch zu bearbeittrauern, ebenso nach wie vor, halten dunlop-reifenwerbung an der brücke vom bahnhof zoo in historischen aufnahmen der proletfilmkunst, die erst sie nachträglich zu solcher ausriefen, für eine chiffre des kapitals, das damals noch nicht wild geworden und daher als gegner fassbar war. sie sind die matrosen hinter den fassaden, nicht vor den deichen, die landratten leider nie stürmisch gewordener see, die verlierer ihrer verlorenen, die blutwurststulle, deftig, die sie verzehren in der pause, hockend auf der soeben plattenneubaubetonierten treppe, die tief genug ist für todesstürze, die sie larmoyant bis anklagend berichten, jedoch noch längst nicht für sich erwägen. oder doch schon angesichts der jenseitigen ferne der revolution. lagernde im niemandsland sind sie weniger, als dass sie sich als solche bekennen, nur dort keine arbeiter und arbeitslosen mehr vorfinden, denn die sind täglich und nachtschichtig an der front. zwischen wänden, nein, wolken nur sie, die retter, die anwälte der arbeiter und bauern, die nicht nur ihren ersten staat auf deutschem boden verloren, sondern gar ihre existenzberichtigung. so bleiben ihm, dem arbeiterdichter, nur die erinnerungen daran, wie er als kind noch mit nackten füßen über den hochsommerlich glühend heißen plattenweg in dessau-haideburg rannte, der von pfirsichbäumen gesäumt war. wie er in der kaufhalle die früchte erfüllten plansolls kaufte und genoss, wie man saß auf unmodischen sofas vor modischen tapeten in partykellerbunkern, wie die gartenbuden aus leistenwerk und dachpappe geschustert waren und es dabei blieb, wie die heimschneiderin das maßband wie schmuck um ihren hals legte und wie all dieses und diese vertriebenen noch im paradies waren, das nun höllte. er träumte davon, mehr noch aber von dessen verheerung, vom auszug, von verarmung und wie der erneut versklavte arbeiter immer noch wie er davon träumte, was ihm als kleinbürger verbürgt war. nicht aber, dass es ihm drohte und er erst an dessen traumerfüllung wild genug geworden wäre zur revolte.

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