Erst BB King, nun auch BCC (und gestern ja zudem noch James „Hansi“ Last) … im Himmel wird’s ein großes Konzert geben. BCC nannte sich nicht nur selbstironisch „Ich war der Rock’n’Roll-Gott“, er war es in den 90ern (und in der Erinnerung und Nachwirkung darüber hinaus) im Kieler Underground. Statt eines Denkmals (oder auch gerade als das) hier Vorbericht und Konzertbericht (samt Fotos von mir), die ich für die „Kieler Nachrichten“ Anfang Dezember 2000 schrieb. R.I.Punk, BCC!
„Klopfe Nicht An Meinem Grab (Version 2)“ (vom Album „Ich war der Rock’n’Roll-Gott“, 1996)
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„Gesucht in Kiel“: BCC und die Brennenden Hunde
Ästhetik des widerständigen Gefühls
BCC hat eine neue Schallplatte. Die heißt „Gesucht in Kiel“. Auf dem Cover, im Stil der Terroristen-Fahndungsplakate, „Ich war der Rock’n’Roll Gott“ Barnim Christian Cnotka und seine „Brennenden Hunde“, die ihn in wechselnden Besetzungen „projektbezogen“ begleiten.
„Ich war der Rock’n’Roll-Gott“ (vom gleichnamigen Album, 1996)
Wer sucht hier wen oder was? „Der real existierende Rechtsstaat hört mein Telefon ab“ heißt ein Stück, ein anderes „Christian Klar“ oder „Brennt das Gesetz nieder“.
„Christian Klar“ (vom Album „Gesucht in Kiel“)
„Brennt das Gesetz nieder“ (vom Album „Gesucht in Kiel“)
Agitpop aus alten „Ton Steine Scherben“-Zeiten? „Eindeutige politische Aussagen kann man nicht mehr machen, es geht um Gefühl“, sagt der studierte Jurist BCC, „um die Mehrdeutigkeit, um die Gesetze, die der Staat macht, aber besonders die, die man sich selber setzt.“ „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, BCC spiegelt diesen alten Sponti-Spruch zurück auf die individuelle Ebene. Mach’ kaputt, was du in dir selbst kaputt machst. Das geht über die Ästhetik des widerständigen Gefühls, unpolitisch und daher sehr politisch.
Und das Gefühl ist immer unperfekt. Die Punk-Attitüde im schönsten Country-Geschrammel. „Ich lege keinen Wert auf technische Brillanz“, bekennt BCC. „Mir ist das egal, wenn da ein Verspieler drin ist. Es muss vom Gefühl her stimmen. Das ist die Herangehensweise des Punk. Man beherrscht die Instrumente nicht, aber man macht es trotzdem. Für mich ist das eine Gefühlssache. Was mich ankotzt sind diese sterilen, hochpolierten Produktionen.“
Deshalb vertraut BCC auf den Augenblick. Die Band, die Anfang 1999 die neue Platte einspielte, ist längst in alle Himmelsrichtungen zerstreut. Deshalb geht man vor dem Konzert mit neuen und alten Mannen eine Woche in Klausur, um das mal eben „zusammen zu basteln“. Parallel wird die nächste Scheibe aufgenommen. Denn BCC hat schon wieder neue Songs „im Karton“. Die Sache im Fluss halten, so wie auch das Gefühl immer im Schwange ist.
Das widerständige Gefühl ist die Hoffnung. „Ich liebte alle Menschen“, legt BCC Christian Klar in den Mund. Eine Frage der Liebe also, in der nichts mehr Kitsch ist, sondern einfach nur ehrlich und aus dem weisen Bauch: „Denn mein Herz, es schlägt für euch.“
Jörg Meyer
Sonnabend, 20.30 Uhr, Hansastraße 48, mit dabei: „Das schwimmende Blei“.
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BCC & Die brennenden Hunde in der Hansastraße
Schmerzensmann und Kobold
Als Bettler schickt der Herr seinen Sohn auf die Erde, nicht als strahlenden König. Er kann nicht Gitarre spielen, sagt er. „Ich bin schlecht“, bekennt er. Linkisch und stotternd kurvt sich BCC durch seine Zwischenmoderationen, vergisst im brandneuen Song glatt den ganzen Text. Egal. Abbruch. Weiter. Das Gesamtkunstwerk BCC ist die Inkarnation des Schmerzensmanns. Attitüdenlos und authentisch. Auch in seinen Texten ist das Ich stets der Verlierer und am Ende eigentlich eher tot. „Ich war der Rock’n’Roll-Gott, ihr wolltet mich nicht hör’n.“ Seine Kreuzigung denkt der Gott sozusagen immer gleich mit. Um den Schnitter, Einsamkeit und Obsession, um die wichtigen Dinge des Lebens also, kreist daher alles.
Das irdische Gewand des Genius, der hier Mensch wird, ist jedoch nicht der weihevolle Klagelaut, sondern krachlederner Countrypunk. Johnny Cashs „Wanted Man“ in BCCs Selbstkarikatur, planvoll immer einen Viertelton daneben, wird so zur Tanznummer im Publikum. „Zug des Todes, Zug der Schmerzen?“ Nein – ja, ein „Zug der Liebe“. Überhaupt geht es dauernd um Liebe. Obsessiv ist die, devot, „Ich warte auf dich“ und „Ich bin dein Stein“. BCCs Bewegungen dazu: Konvulsion, Kauern auf dem Bühnengrund und dann wieder der exaltierte Sprung und Schrei. Leidenschaft pur, die nichts mit Geschwindigkeit zu tun hat, sondern mit Gefühl. Genau deswegen ist der „Kiel-Blues“ so schwerblütig schleppend.
BCCs doppelbödige Wandlung vom Liederleider zum Kobold und zurück ist nicht für jeden im Publikum nachvollziehbar. „Mehr Rock“ wird gewünscht. Doch seine Strategie konsequenter Konterkarierung dessen, was man eindimensional erwarten würde, siegt. Das schwimmende Blei, das mit lakonischem Art-Rock seinem „Geburtshelfer BCC“ den Boden bereitet hatte, steht zum Schluss mit dem Meister auf der Bühne, um spontan „Lui Lui auf G“ dermaßen hinzufetzen, dass eine „Luinaise“ Saal und Bühne im Schulterkurzschluss vereint – im jubelnden Totentanz des Lebens.
Jörg Meyer
„Es ist vorbei“ (vom Album „Gesucht in Kiel“)