Mo, 13.12.10 (Di, 14.12.10, 4:37): koch.red

Ein kapitaler Lachs (9-Pfünder, schätzungsweise) wird geköpft. Wie man das macht: Mit dem Filetiermesser (unbedingt „rattenscharfes“ Profi-Messer verwenden, sagt der Koch) an der Wurzel der Seitenflosse ansetzen, dann schräg einschneiden bis zum Kiemenlappen, selbiges am gewendeten Fisch von der anderen Seite – bis der Kopf fällt.

(Die – Frische anzeigend – ungetrübten Augen der toten Augen von Felde.)

KN-Kultur kocht, Weihnachtsfeier der Redaktion im Kochportal. Event-Cooking, „soundso an soundso“, unter Anleitung des ehemaligen Kochs auf dem „Event Gorch Fock“ („… eine starke Truppe“ – wir nicht minder). Kapitales 4-Gänge-Menü. Die Zutaten, exquisit, in der Kühl-Show-Box am Kochtresen mit einiger, freilich sichtbar gewollter Eleganz drapiert. Erfolgsgarantie: „Jeder kann kochen – und es wird schmecken!“

Ich.red denke an die nachmittäglichen TV-Koch-Shows, die, inzwischen recht regelmäßig und tageszeitlich bedingt, also zur seltsamen Gewohnheit werdend, auf dem rechten Mac laufen, während ich.red auf dem linken Mac die Dateien von heute zusammenrühre, souffliere, in den Ofen schiebe, die Plätzchen des Textes abbacke, den kapitalen Kulturlachs filettiere. Dann aber plötzlich, den Teig für die Ingwer-an-Zimt-und-Orangenschale-Plätzchen knetend, solange die von mir.red selbst gerührte Butter noch schaumig ist (Wer ist der Hammer, wer der Amboss, wer die Schale, wer der Rührstab?), die Erkenntnis, dass Kochen eine unbedingt körperliche Kulturtechnik ist, der sich ein Kulturinteressierter nicht verweigern sollte. Kochen als Zugang des Geistes zu seinem materiellen Grund … oder so.

Einverständnis.

Zusammen mit ost.red bin ich.red fürs Dessert zuständig. Ich.red knete und backe an meinem.red Plätzchen in diesem Rund der Kollegen.red. Irgendwie vergnügt, den Teig in meiner.red Hand, die wegen des feingehackten (Messer – wiegend!) und darin eingearbeiteten Ingwers immer noch, selbst nach lavierender Waschung, intensiv nach Ingwer riecht. ost.red filettiert die Orangen, viertelt die Feigen und schlägt die Mascarpone aus zart-würzigem Ziegen- und gewöhnlichem Frischkäse.

Schneebesen.

Orangenlikör. Liquor. Lebensart.

(Anrichtend von rechts, wie es sich gehört, wo cst.red vermerkt: „ögyr von rechts, das haben wir selten gesehen – und gelesen.“ Hihi, schöner, vertrauter auch Witz.)

Während die Schnitter (mwe.red und tas.red) den Lachs auf sein Wesen reduzieren: das orangene, grätenlose FLEISCH.

Und hinten, zwei Meter weiter, die Volontärin, die Gambas an … genau: ihr (Selbstverliebtheit, die auch Selbstbewusstsein genannt werden könnte) … filettiert und AUFSPIESST. ((Ophelia, Heiner Müller, das ganze HAM(gebraten, bestreut mit gebackenen HaselNÜSSEN)LET-Programm …))

Während wiederum hik.red und ben.red stampfkartoffeln, jede Menge Butter bei die Cocks au Vintage. Und getrocknete Tomaten, schrumpelseelwürzig.

Zum Hauptgericht, klassisch, Coq au vin, das Soufflé: Aus Zucchini, feinstgewürfelfällt, UBW-untergehobener EI-Wei[s/ß]heit und FRÜHLINGSERWACHENzwiebeln: bun.red, der mir.red immer wieder seltsame, gleichwohl ebenso seltsam vertraute, wissende Kollege. Ein verhuschter Augenblick:

Einverständnis (auch auf den Heimwegen später in der Nacht über die „unerforschlichen Wege“ dieser zwei (gefühlt) alten Herren).

Die Coqs au vin richten an: mu.red (links) und hik.red (rechts), Szenerie einer Entfernung.

Schlagobers.

Überhaupt der Coq au vin im Korb, der „elder statesman“ der KN-Kultur-Redaktion, mu.red. Von mir.red eigentlich immer bewundert für seine Texte, zuletzt über „Zauberflöte“. Abschmecken der Sauce:

Zu Tisch: Ich.red komme neben mu.red zu sitzen. Frage ihn, weil es mich wirklich interessiert, ob er, der demnächst in den Ruhestand wechselt, noch weiter schreiben wird. „Weil doch ein Schreiber damit, mit dem Schreiben, wohl kaum aufhören kann.“ Er bleibt einsilbig, er sei immer nur „instrumenteller Schreiber“ gewesen. Aber das Herzblut? Das er verweigert. Dabei lese ich.red es doch aus jeder seiner Zeilen. „Nein – oder vielleicht.“ Plötzlich Nähe als Vorschau auf das eigene.red Alter als Schreiber, als Beschauer, Spreu vom Weizen traurig Trenner. Sein Weißhaar – aber eben auch sein verschmitztes Lächeln. Ein väterliches Gefühl für meine.seine.red Zukunft …

Ich.red, Ingwer, an den Fingern, die weiter Texte tippen … bis zum Kiemenlappen, Schnitter meiner.red.selbst, Zwiebelfisch.

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Ein Kommentar zu Mo, 13.12.10 (Di, 14.12.10, 4:37): koch.red

  1. mu.red sagt:

    Danke, lieber ögyr.red für die gewitzen, herzblutigen Bemerkungen – en gros den ganzen Abend betreffend, en detail die beiden Sitznachbarn. Wusste gar nicht, dass ein paar unsichere Worte, die vage Zukunft betreffend, solche Überlegungen blühen lassen. Und die Komplimente weise/gebe ich dankend zurück – insbesondere als Anerkennung für die tief mitgedachten, nachgefühlten Kritiken zu „Ganze Tage, ganze Nächte“ und „My Name is Peggy“. Weil ichs gestern Abend sträflich versäumte. Zu wenig Bier im Glas.

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