Viele Firmen werben inzwischen mit flexiblen Arbeitszeitmodellen. Sie wissen: Beschäftigte werden nicht träge, wenn sie selbst entscheiden dürfen, wo und wie lange sie arbeiten - im Gegenteil.
Bevor Severin Löffler zu Microsoft kam, arbeitete er in einer Anwaltskanzlei. "Da war es wichtig, dass nach 21 Uhr das Licht noch brennt", sagt der Jurist. Inzwischen ist er Mitglied der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland. Hier interessiert es niemanden, ob er bis Mitternacht im Büro sitzt.
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In dem Software-Unternehmen in Unterschleißheim bei München ist es auch nicht nötig, mit dem Jackett überm Stuhl Anwesenheit vorzutäuschen. Denn es gilt das Prinzip der Vertrauensarbeitszeit. "Wir verlangen von jedem, dass er seine Arbeit macht. Wann und wo das geschieht, ist egal", sagt Löffler. "Die Mitarbeiter schätzen es, dass sie keinen Urlaub nehmen müssen, wenn das Kind zum Arzt muss oder ein Handwerker kommt."
Löffler arbeitet im Großraumbüro - wie alle Chefs bei Microsoft. Die gesamte Geschäftsführung sitzt zusammen in einem Raum, für vertrauliche Gespräche ziehen sie sich in Kabinen zurück. 13 Personen gehören zum Führungsgremium, sechs von ihnen Frauen, alle sind um die 44 Jahre alt. Die Chefetage verströmt den Charme einer Garage im Silicon Valley.
Die Chefs im Großraum
Unter dem Tisch von Deutschland-Chef Ralph Haupter liegt ein Basketball, es stehen Kartons herum, Bongo-Trommeln, Kabel, ein blauer Gymnastikball. Arbeitsplätze, an denen man sich wohnlich einrichtet, gibt es hier nicht. Das liegt zum einen daran, dass Microsoft-Mitarbeiter viel unterwegs sind. Zum anderen aber auch daran, dass es keine Präsenzpflicht gibt. Ob zu Hause, am Flughafen, im Café - die meisten Arbeiten können sie überall erledigen.
Carolin Diana Müller betreut Großkunden aus den Bereichen Chemie, Pharma, Energie und Kommunikation. Die Betriebswirtin hat an diesem Morgen schon einige Telefonkonferenzen abgehalten - von zu Hause aus. Anschließend hat sie ihre Mutter am Bahnhof abgeholt. Dass sie erst am Nachmittag im Büro erscheint, fällt nicht negativ auf. "Wenn ich meinen Rechner dabei habe, bin ich überall arbeitsfähig", sagt Müller. "Nur wenige Situationen brauchen tatsächlich die Face-to-Face-Situation." Sie hat Zugriff auf Kundendaten und kann alle Kollegen direkt ansprechen.
Dabei hilft ihr eine Software namens Lync, die alle Microsoft-Mitarbeiter miteinander verbindet. Im Adressbuch signalisiert ein farbiger Balken neben dem Namen seinen Status. Rot bedeutet: Der Kollege möchte nicht gestört werden. Gelb: Komme gleich wieder. Ein weißer Balken heißt "offline", der Kollege ist im Urlaub oder in einer anderen Zeitzone, wo gerade Schlafenszeit ist. Sogar den Status von Bill Gates oder Steve Ballmer kann Müller aufrufen. Doch jetzt muss sie ihren Kollegen Sven-Erik Krüger sprechen. "Ich habe keine Ahnung, wo der im Moment ist", sagt sie. Krügers Status ist grün, er ist also ansprechbar.
Müller klickt auf "Video" - und schon erscheint Krüger auf dem Bildschirm. Er ist gerade in Hamburg und sitzt in Freizeitkluft im Wohnzimmer. Im Kontakt mit Kunden sind Microsoft-Mitarbeiter genauso formell wie andere Manager, doch hausintern gilt ein lockerer Dresscode. Müller und Krüger können weitere Kollegen in ihr Gespräch einbeziehen. Sitzen mehrere Personen um einen Tisch herum, bedienen sie sich einer Konferenzeinstellung mit Kamera, die automatisch auf den Sprechenden schwenkt. Per Tablet-Computer können sie auch gemeinsam an einem Dokument arbeiten.
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James Hackett, Chef des Büromöbel-Marktführers Steelcase, über die neue Welt der Arbeit. Jetzt lesen ...
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