veröffentlicht am 24.03.2010 09:48 Uhr in
Blog
Von: Thomas Nötting
Eine Frage des Niveaus
Nirgendwo sonst zeigen sich die Auswirkungen der Print-Krise so drastisch wie beim Jahreszeiten-Verlag. Im August schickte das Zeitschriftenhaus sämtliche 420 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Nie zuvor hatte ein Verlag die Mittel der Arbeitsagentur in diesem Umfang in Anspruch genommen. Jetzt folgt eine Radikalkur, wie sie die deutsche Verlagswelt ebenfalls noch nicht gesehen hat: Der Hamburger Hochglanz-Verlag schafft de facto den Job des Redakteurs ab.
In den Redaktionen von Titeln wie „Petra“, „Für Sie“, „Merian“ und „Der Feinschmecker“ arbeiten künftig nur noch Häuptlinge. Die einfachen Indianer müssen gehen. Ihre Arbeit übernehmen weitgehend freie Autoren. Insgesamt 70 Stellen will der Verlag abbauen – betroffen sind fast ausschließlich die Jobs von schreibenden und redigierenden Redakteuren sowie von Grafikern ohne Leitungstitel.
Kann man Zeitschriften ohne fest angestellte Redakteure machen? Natürlich geht das. Der Kiosk ist voll von entsprechenden Blättern, die möglichst viele Seiten möglichst billig füllen. Was den Fall Jalag allerdings so brisant macht: Hier setzt erstmals ein größerer Verlag radikal auf dieses Konzept, der sich selbst Qualität auf die Fahnen geschrieben hat. Verlagschef Jan Pierre Klage meint sogar, mit der neuen Organisation „das hohe Niveau unserer Zeitschriften perspektivisch und langfristig garantieren“ zu können. Journalistisches Niveau ist also weiterhin erwünscht – das Kostenniveau soll aber bitte deutlich sinken. Eine Rechnung, die nicht aufgehen kann.
Nun produziert ein Journalist zwar nicht automatisch mehr Qualität, nur weil ihn ein Verlag fest anstellt und für ihn Sozialleistungen bezahlt. Die Leser von „Merian“, „Petra“ und Co. werden den Heften den redaktionellen Sparkurs wahrscheinlich auf den ersten Blick kaum ansehen. Und ob die Jalag-Magazine ihren eigenen Qualitätsanspruch bislang stets eingelöst haben, steht ebenfalls auf einem anderen Blatt.
Doch bei Klages Kurs wird letztlich dennoch die Qualität auf der Strecke bleiben. Denn das Jalag-Modell stellt die Organisationsform Redaktion ganz prinzipiell in Frage. Und gerade diese ist überhaupt erst eine der Voraussetzungen für Qualitätsjournalismus. Freie Autoren können sich wochenlange und aufwändige Recherchen im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten. Sollte das Beispiel Schule machen, ist weitaus mehr in Gefahr, als 70 Arbeitsplätze.
Schlagworte: Jahreszeiten-Verlag Jan Pierre Klage
Kommentieren

Über den Blog
Meinungsfreudig, analytisch, kritisch, polarisierend - hier bloggt die Fachredaktion des Kontakters zu tagesaktuellen Themen aus der Kommunikations- und Werbebranche. Wer eine Meinung zu unserer Meinung hat, betätige bitte die Kommentarfunktion - wir freuen uns auf Sie!
Schlagworte
Blogarchiv
- Juni 2012
- Mai 2012
- April 2012
- März 2012
- Februar 2012
- Dezember 2011
- November 2011
- Oktober 2011
- September 2011
- August 2011
- Juli 2011
- Juni 2011
- Mai 2011
- April 2011
- März 2011
- Februar 2011
- Dezember 2010
- November 2010
- Oktober 2010
- September 2010
- August 2010
- Juli 2010
- Juni 2010
- Mai 2010
- April 2010
- März 2010
- Februar 2010
International
- Google rückt Apple auf die Pelle von Zimmer veröffentlicht am 29.06.2012 14:00 Uhr
- Interpublic Group gründet neue Agentur für Sportmarketing von Zimmer veröffentlicht am 29.06.2012 12:12 Uhr
- Gepostet, um zu sterben von Zimmer veröffentlicht am 29.06.2012 10:53 Uhr
- YouTube will YouTube-Stars und Werbungtreibende vernetzen von Zimmer veröffentlicht am 29.06.2012 09:26 Uhr
- Twitter hebt bei mobiler Werbung ab von Zimmer veröffentlicht am 29.06.2012 08:00 Uhr