veröffentlicht am 16.03.2010 16:23 Uhr in
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Von: Rolf Schröter
Helmut Sendlmeiers Altersweisheiten
Moment, Herr Sendlmeier! Die Alten sind doch gar nicht weg vom Reklame-Fenster! Wer sich allein das abendliche ZDF-Werbefernsehen anschaut, weiß, dass die Kategorie 50-Plus von der Werbung schaffenden Industrie nicht vergessen wird. Menschen mit nächtlichem Harndrang, Apothekenzeitschriftenleser, Grenz-Demente und ähnliche Zielgruppen, die sich weit in ihrer zweiten Lebenshälfte tummeln, werden hier massiv mit Produktinformationen versorgt.
Vermutlich hat Helmut Sendlmeier das in seinem Kommentar im Manager Magazin nicht gemeint – nicht die Alters-Ghettoisierung von Menschen in relevanten Werbeumfeldern. Er hat vielleicht eher gemeint, dass viele ältere Menschen heute durchaus einen Lebensstil pflegen, den man gemeinhin vor allem mit jüngeren Menschen in Verbindung bringt: Porsche fahren, Haare stylen, sich mit In-Sportarten zum Affen machen und Ähnliches.
Das stimmt. Das wird wenig thematisiert in der Werbung. Und das liegt wiederum zu einem guten Teil an der 50-Plus-Gang selbst. Die fühlt sich nämlich jünger als sie ist und will nicht altersrelevant angesprochen werden. Aber das Alles ist ja auch schon viele Male diskutiert worden. Wenn wir schon beim Thema Alterszielgruppen und Werbung sind, erscheint ein anderer Aspekt viel alarmierender: 50-Plus und Social Media. Hier muss gehandelt werden.
Ein Freund von mir wird demnächst erst 47 Jahre alt. Er hat eine Tochter, die schon 18 ist. Diese Tochter hat sich über ihn lustig gemacht, weil er einen Facebook-Account hat. Das hat ihn getroffen. Ihm wurde plötzlich die unüberbrückbare Kluft gegenwärtig, die die Jugend vom Alter trennt. Stellen Sie sich vor, Sie sind 15 Jahre alt und erhalten von Ihrer 55-jährigen Tante eine Freundschaftsanfrage. Ignorieren? Geht nicht. Aufnehmen? Geht auch nicht. Die Trennung in Zielgruppen bedeutet auch soziale Hygiene.
Menschen wiederum, die dem Pubertäts-Gelaber entwachsen sind, nutzen Facebook gerne als eine Art Schulterpolster oder Korkabsätze. Man macht sich breiter oder größer als man eigentlich ist. Da geht es vor allem darum, möglichst viele Freunde auf seiner Liste zu haben und am besten mit beruflich relevanten und klingenden Namen. Dass kein Mensch ernsthaft mit dutzenden oder gar hunderten Facebook-Partnern sinnvoll in Kontakt stehen kann (es sei denn, er säße im Knast und hätte alle Zeit der Welt) scheint niemand zu hinterfragen. Hier geht es eher darum: Je mehr Skalps am Gürtel, desto besser.
Fazit: Auf Facebook wimmelt es von Kindern, Profilneurotikern und Sozial-Nerds. Aber wer kümmert sich um die älteren Menschen, die diese Plattform für einen ernsthaften Austausch nutzen wollen? Ich meine, Kümmern nicht im Sinne von Altenpflege, sondern im Sinne von: mit Werbung sinnvoll ansprechen. Die Werbefachpresse überbietet sich derzeit mit Berichterstattung über Werbemaßnahmen traditioneller Marken im Social-Media-Bereich. Im überwiegenden Teil der Fälle geht es um junge Zielgruppen. Wo bleiben die Alten?
Manchmal möchte man lachen. Wenn Marketingvertreter großer Markennamen stolz darauf sind, wie viele Facebook-Fans sie haben. Hat sich schon mal jemand die Mühe gemacht, diese Fan-Gemeinde unter die Lupe zu nehmen? Es gibt Netznutzer, die sind Fans von einer ganzen Reihe von Marken, die wiederum in direktem Wettbewerb zueinander stehen. Hier outen sich Kinder und Minderbemittelte. Was sagt das aus?
Helmut Sendlmeier hat Recht. Es lohnt sich, älteren Menschen die Hand zu reichen. Aber warum beschränkt sich der Boss des Werbe-Networks McCann Erickson in seiner Kritik auf den klassischen Kanal des Fernsehens? Wer Porsche fährt, sich die Haare stylt und sich mit In-Sportarten zum Affen macht, der nutzt garantiert auch das Internet.
Schlagworte: Helmut Sendlmeier Manager Magazin werberelevante Zielgruppe
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