Der rumäniendeutsche Dichter Oskar Pastior war von 1961 bis 1968 unter dem Decknamen "Otto Stein" Informant des kommunistischen Geheimdienstes Securitate. Das berichtet der Münchner Germanist Stefan Sienerth in der neuesten Ausgabe der wissenschaftlichen Vierteljahresschrift Spiegelungen .
Pastior (1927-2006) war eng mit Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller befreundet. In ihrem Roman Atemschaukel zeichnete sie seine Deportationsgeschichte nach. Müller gilt als ausgewiesene Gegnerin des kommunistischen Regimes in Rumänien und plädierte Anfang des Jahres dafür, Securitate-Informanten zu verfolgen .
Sienerth hatte zusammen mit seinem Kollegen Peter Motzan in den Archiven der rumänischen Behörde zur Aufarbeitung der Securitate-Akten, CNSAS, recherchiert. Pastior sei wegen nicht systemkonformer Gedichte, deren Manuskripte er bei einer Freundin versteckt hatte, von der Securitate zunächst in ein langes, schweres Verhör genommen worden.
Unter dem Druck des Verhörs habe Pastior schließlich am 8. Juni 1961 schriftlich eingewilligt, der Securitate als Informant zu dienen. Dies dauerte bis zu Pastiors Ausreise in den Westen im Jahr 1968. Vor der Rekrutierung habe die Securitate Pastior seit dem Jahr 1957 systematisch beobachtet, ebenso wie die gesamte damalige rumänien-deutsche Literatenszene.
Herta Müller hat sich bestürzt über die frühere Tätigkeit Pastiors geäußert. Als sie davon vor einigen Wochen erstmals erfuhr, habe sie "Erschrecken, auch Wut" verspürt, sagte sie in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung . "Es war eine Ohrfeige." Ihre nächste Reaktion sei aber "Anteilnahme" und "Trauer" gewesen.
Pastior wurde vor allem wegen seiner ausgefallenen Lyrik bekannt, die sich mit Lautmalerei und Sprachspielen am Dadaismus orientierte. Im Jahr 2006 bekam der Dichter posthum den renommierten Georg-Büchner-Preis verliehen.
Kommentare
offene Fragen
Solange ich nicht weiß, was für Berichte über wen mit
welchem Inhalt Pastior überhaupt geliefert hat, und ob,
gegebenenfalls welche Folgen diese für die Betroffenen
hatten, besagt diese "Entdeckung" nicht viel. Welche
Bedeutung soll die Freundschaft mit Herta Müller in diesem
Zusammenhang haben? Vielleicht sollten sich Germanisten
lieber um die deutsche Sprache und Literatur statt um
Kriminalistik kümmern.
@1 Dann ist es ja gut und schön
Schweres Verhör mit möglicher Zwangsverpflichtung zum Bespitzeln ein Kriminalfall. Wir, die Generation der Wahrhaftigen und stets Aufrechten hätte natürlich widerstanden. Hätten wir im Dritten Reich ja auch alle, nicht wahr?
Warum wohl Trauer und Anteilnahme bei Frau Müller?.
Tja, im Dunkeln ist gut munkeln,
die Geheimdiensteinwirkungen bei Grass, Biermann, Reich-Ranicki und jetzt Pastior dienen immer wieder zum Anlass von Spekulationen... Wäre er mit Hertha Müller befreundet gewesen, wenn überzeugter Mittäter?