Salon Littéraire | Markus Koehle : Ich wache noch immer auf – Loops des Grauens 2

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Salon Littéraire | Markus Köhle :

Ich wache noch immer auf – Loops des Grauens ( Thema-verfehlt- Variation 2 )

 

Wake up stupid by Mark Harris 1959

 

Ich wachte auf und was neben mir lag, war kein Thema. Ich haschte danach, aber verfehlte es. Meine armen Arme schliefen noch tief. “Kein Thema verfehlt”, flüsterte mir meine innere Stimme. “Das ist überhaupt kein Problem”, trällernd und somit einen Zemmler-Song zitierend, antwortete ich meiner mir inneren, bisweilen vorlauten Stimme, ließ mich von meinen starken Armen wieder in den Schlaf ziehen, MannMannMann, die haben das drauf, das Kissen saugte mein Gesicht ein, der Überzug schmatzte, dann machte es “Plopp!” und Michael Schanze fragte mich 1, 2 oder 3? Du musst dich entscheiden, drei Felder sind frei. Ich entschied mich dafür, mich schön gemächlich (beziehungsweise, wenn man so will, mit System) der Reihe nach an die Problemstellung heranzutasten, wählte also erst mal die Eins. Erneut machte es “Plopp!”, mein Kissen spuckte mich aus, von mir war nur noch ein Knochen übrig, man kennt das aus Comics, wenn Monster oder fleischfressende Pflanzen über ihre Opfer herfallen, spucken sie schließlich nur einen einzigen Knochen aus, bevor sie dann zufrieden rülpsen. Der ähnelt dann meist einem Oberschenkelknochen, nur einem wohlgemerkt. So gierig sind die immer. So auch mein Kissen. Schmatz. Plopp. Rülps.

Mein Kissen war im Begriff mich beinah zur Gänze zu verdauen. Ich war gespannt, wie es das anstellen wollte. Gut, es hatte mich bereits einverleibt, soviel zur Kissenplusseite, doch so ganz ohne Magensäure wird da wohl nichts weitergehen, dachte ich und im selben Augenblick erinnerte ich mich an die Nacht für Nacht mit Mundausfluss gezeichneten Länderumrisse auf dem Polsterüberzug. Meinen Mundausflüssen war natürlich alles zuzutrauen, sonst hätten sie sich ja auch nicht aus meinem Mund davon gemacht. Ich war leicht beunruhigt, lag aber ansonsten recht gut, um mich war es weich, dunkel und ein wenig feucht. Daunenfedern streichelten mich wie sanftes Schamhaar. Obwohl ordentlich zerkaut und in den Untiefen des Kissenmagens konnte ich ein leichtes Gefühl der Erregtheit nicht unterdrücken. Spontan bildete sich eine Wölbung inmitten meiner amorphen Masse. Ich hatte wieder eine Mitte, das war der erste Schritt wieder zu werden, gab mir mein Resthirn ein. Noch besannen sich die wesentlichen Komponenten, die ein Ich ausmachen, zu mir zu gehören und bemühten sich zu funktionieren. Ich war stolz auf mich.

Erneut ploppte es und ob du wirklich richtig stehst, siehst du wenn das Licht angeht. Das Licht ging an, ich machte es aus. Das Licht ging an, ich machte es aus. Das Licht ging nochmal an, ich zog den Stecker. Das Licht ging an, ich war erzürnt und zugegebenermaßen auch überrascht, dann schraubte ich die Glühbirne raus. Das Licht ging an. Ich lobte meine Nachttischlampe für ihre Hartnäckigkeit. Gleichzeitig fiel mir auf, dass man statt Nachttischlampe problemlos Nachtischschlampe lesen kann, wenn man irgendwie anders konditioniert ist und dann wurde mir plötzlich klar, warum die Lampe so rebellisch war. Natürlich erwachen. Das Licht, das sie natürlich weckt. Das wake-up-light bietet Ihnen bis zu 400 Lux Lichtintensität. Um einen positiven Effekt des Lichtes auf den Organismus zu erzielen, werden mindestens 250 Lux benötigt, um das natürliche Aufwachen zu unterstützen. Sonnaufgang-Simulations-Prozess. Weihnachtsgeschenk von meinen Eltern. Von wegen natürlich erwachen, Lichtterror ist das. Ich sage nur Guantanamo. Das hätte ich besser nicht gesagt, schon wurden mir mit Plakatbindern die Hände auf den Rücken gezurrt. Wenigstens hatte ich jetzt wieder spürbare Arme und Hände. Und wie ich sie spürte, schmerzhaft.

“Nein, Einzelhaft” sagte mein Wärter. “Schon wieder”, entgegnete ich. “So lange, bis du es begreifst”, schärfte mir der Pflichterfüller ein. Bis ich es begreife also. Es, begreifen. Ich hatte zu grübeln. Zum Grübeln braucht man nicht unbedingt Arme und Hände, das ist ein Grübelvorteil. Bis ich es begreife. GrübelGrübelGrübelPling! “Ja, ich hab’s. Genau. Das ist es.” Nun ging schon wieder eine Glühbirne an, diesmal über meinem Kopf, sie unterstrich allerdings lediglich die Güte meines Einfalls. Ich quasi Lichtblick. Eine Sternenfontäne war auch zur Stelle meine Idee zu illustrieren. “Ja, ich hab’s. Genau. Das ist es. Du musst Ilbi sein”, sagte ich zu dem, was neben mir lag. So wurde aus kein Thema Ilbi, solange es noch schlief. Ich haschte danach, aber verfehlte es. Meine Arme waren noch immer ordentlich auf den Rücken gebunden. “Kein Thema beziehungsweise möglicherweise Ilbi verfehlt”, flüsterte mir meine innere Stimme. “Das ist überhaupt kein Problem”, trällernd und somit einen Zemmler-Song zitierend, antwortete ich meiner mir inneren, bisweilen vorlauten Stimme, ließ mich von meinen starken Armen wieder in den Schlaf ziehen, MannMannMann, die haben das drauf, das Kissen saugte mein Gesicht ein, der Überzug schmatzte, dann machte es “Plopp!” und Michael Schanze fragte mich 1, 2 oder 3? Du musst dich entscheiden, drei Felder sind frei. Ich entschied mich dafür, mich schön gemächlich (beziehungsweise wenn man so will mit System) der Reihe nach an die Problemstellung heranzutasten, wählte nun also die Zwei.

Es machte nicht “Plopp!” Ich hüpfte im letzten Moment, eigentlich schon nachdem das Licht ausgegangen war, auf die Drei, probieren kann man es ja, dachte ich mir, ist ja nur ein Spiel. Wieder kein “Plopp!” “Scheiße, was?”, flüsterte mir meine innere Stimme. “Das ist überhaupt kein Problem”, trällernd und somit einen Zemmler-Song zitierend, antwortete ich meiner mir inneren, bisweilen vorlauten Stimme. Doch ich sollte nicht Recht behalten, denn dann, dann erwachte Ilbi.

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Markus Köhle

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Illustration : “Wake up stupid” by Mark Harris ( Paul Rand book jacket design for Alfred A. Knopf 1959 )

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Hinweis : Am 25. 6. tritt Markus Köhle zusammen mit Jaromir Konecny im Rahmen eines Slam Poetry- Abends der Kunstmeile am Karlsplatz auf : Seebühne , 19:00 Uhr .

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One Response to Salon Littéraire | Markus Koehle : Ich wache noch immer auf – Loops des Grauens 2
  1. Bloguer ou ne pas bloguer ?
    June 15, 2008 | 21h30

    Un escargot Passage du Désir…

    Blog4Burma – Birmanie : Une leçon de vie. Burma : Wenig Hilfe und immer mehr Tote.
    Planète mortelle : Plus d’un million de personnes évacuées après des inondations dans le sud de la Chine. Le Japon cherche des survivants après le séisme.
    ……

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