Wien, 20. Jänner 2010
Vorgestern bat ich Max beim Mittagessen im Sapa, Dana zu kontaktieren. Der hatte, als ich noch ins Gymnasium ging, zwei Sommer lang einige Zeit bei mir in Oberwart verbracht und mich unter anderem auch erfolgreich davon abgehalten, nach meiner Rückkehr aus Israel für die mündliche Matura zu lernen – wie dieser Schüleraustausch, der ja kein Austausch war, weil ich nie in die USA kam, zustande gekommen war, weiß ich nicht. Jedenfalls fand ich Dana, nach dem ich vom Zeit zu Zeit erfolglos das Netz befragt und den ich bald nach der Matura aus den Augen verloren hatte, nun auf Facebook wieder, und da ich nicht auf Facebook bin, beauftragte ich Max, der auf Facebook ist, Dana zu schreiben, er solle mir eine E-Mail schicken.
Zwanzig Minuten später war sie da. Und nach dem zehnten Hin und Her war es, als wäre keine Zeit vergangen. Dass die aber vergangen ist, zeigten die Antworten auf die Fragen, wie es allen gehe, den Eltern, den Großeltern, den Freundinnen und Freunden von einst. Ob der Nachbar noch Schnaps brenne. Ob die Nächte noch immer so lang seien. Wo ich nun lebte. Dana arbeitet jetzt bei einer Firma, von der ich trotz Internetrecherche nicht viel verstand: Start-up, Software, Identity Management. Sein Bruder, für den es in der Sauna in Bad Tatzmannsdorf ein Kulturschock war, wie er sagte, dass da alle nackt seien, Männer wie Frauen, arbeitet bei 3M, der Firma, welche die Post-it’s herstellt. Dana ist aber nicht mehr in Chicago, wo er fünf Jahre lebte. Ob ich nach Denver kommen wolle, zum Schifahren oder Snowboarden, ich sei jederzeit willkommen, für wie lange auch immer. In Chicago werde er mir jedenfalls ein paar nette Menschen vermitteln, die mich herumführen können, vielleicht komme er auch selbst. Denver dürfte mir doch etwas zu weit sein. Vielleicht aber nutze ich die Reise auch, um eine andere Bekanntschaft aufzufrischen – dafür müsste ich allerdings nach Kalifornien.
Walter Dujmovits, in dessen Buch über die Amerikawanderung der Burgenländer ich wieder geblättert habe, habe ich noch nicht erreicht; seine Frau sagte mir, er sei derzeit nicht da. Ich hoffe, ihn am Wochenende besuchen zu können. Sandra Crawford hat mir freundlicherweise ihre Burgenländerkontakte rund um Chicago geschickt und mich gebeten, einen Mann zu besuchen, der die jüdische Gemeinschaft recherchiert hat. (Da sind etliche Geschichten, die nicht für dieses Projekt vorgesehen sind, die aber rund um mein Theaterstück „Und jetzt“ aufgetaucht sind, unter anderem ein jüdisches Mädchen aus Oberwart, das mit ihrer Familie über Budapest nach New York entkam, wo sie den Bruder von George Soros heiratete.) Inzwischen habe ich von noch einer interessanten Geschichte gehört: Ein Mann aus Pinkafeld filmte in den späten Fünfzigerjahren burgenländische Orte, um sie den Ausgewanderten in den Vereinigten Staaten auf der Leinwand vorzuführen. Und er filmte die Ausgewanderten in ihrer neuen Heimat, um die Filme darüber im Burgenland auf die Leinwand zu bringen. Horst Horvath erzählte mir, dabei seien auch jeweils das Publikum und dessen Reaktionen gefilmt worden.
Auf Skype erzählt mir Doron Rabinovici, der schon wieder in Wien, auf der Website aber noch in Indien ist, äußerst anschaulich von Indien, während er frisch gewaschene Kleidungsstücke zusammenlegt. Die Reiselust hat mich wieder gepackt. Ich ertappe mich dabei, jeden Abend einen Film anzusehen, der in den Vereinigten Staaten spielt.
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Wien, 20. Jänner 2010
Vorgestern bat ich Max beim Mittagessen im Sapa, Dana zu kontaktieren. Der hatte, als ich noch ins Gymnasium ging, zwei Sommer lang einige Zeit bei mir in Oberwart verbracht und mich unter anderem auch erfolgreich davon abgehalten, nach meiner Rückkehr aus Israel für die mündliche Matura zu lernen – wie dieser Schüleraustausch, der ja kein Austausch war, weil ich nie in die USA kam, zustande gekommen war, weiß ich nicht. Jedenfalls fand ich Dana, nach dem ich vom Zeit zu Zeit erfolglos das Netz befragt und den ich bald nach der Matura aus den Augen verloren hatte, nun auf Facebook wieder, und da ich nicht auf Facebook bin, beauftragte ich Max, der auf Facebook ist, Dana zu schreiben, er solle mir eine E-Mail schicken.
Zwanzig Minuten später war sie da. Und nach dem zehnten Hin und Her war es, als wäre keine Zeit vergangen. Dass die aber vergangen ist, zeigten die Antworten auf die Fragen, wie es allen gehe, den Eltern, den Großeltern, den Freundinnen und Freunden von einst. Ob der Nachbar noch Schnaps brenne. Ob die Nächte noch immer so lang seien. Wo ich nun lebte. Dana arbeitet jetzt bei einer Firma, von der ich trotz Internetrecherche nicht viel verstand: Start-up, Software, Identity Management. Sein Bruder, für den es in der Sauna in Bad Tatzmannsdorf ein Kulturschock war, wie er sagte, dass da alle nackt seien, Männer wie Frauen, arbeitet bei 3M, der Firma, welche die Post-it’s herstellt. Dana ist aber nicht mehr in Chicago, wo er fünf Jahre lebte. Ob ich nach Denver kommen wolle, zum Schifahren oder Snowboarden, ich sei jederzeit willkommen, für wie lange auch immer. In Chicago werde er mir jedenfalls ein paar nette Menschen vermitteln, die mich herumführen können, vielleicht komme er auch selbst. Denver dürfte mir doch etwas zu weit sein. Vielleicht aber nutze ich die Reise auch, um eine andere Bekanntschaft aufzufrischen – dafür müsste ich allerdings nach Kalifornien.
Walter Dujmovits, in dessen Buch über die Amerikawanderung der Burgenländer ich wieder geblättert habe, habe ich noch nicht erreicht; seine Frau sagte mir, er sei derzeit nicht da. Ich hoffe, ihn am Wochenende besuchen zu können. Sandra Crawford hat mir freundlicherweise ihre Burgenländerkontakte rund um Chicago geschickt und mich gebeten, einen Mann zu besuchen, der die jüdische Gemeinschaft recherchiert hat. (Da sind etliche Geschichten, die nicht für dieses Projekt vorgesehen sind, die aber rund um mein Theaterstück „Und jetzt“ aufgetaucht sind, unter anderem ein jüdisches Mädchen aus Oberwart, das mit ihrer Familie über Budapest nach New York entkam, wo sie den Bruder von George Soros heiratete.) Inzwischen habe ich von noch einer interessanten Geschichte gehört: Ein Mann aus Pinkafeld filmte in den späten Fünfzigerjahren burgenländische Orte, um sie den Ausgewanderten in den Vereinigten Staaten auf der Leinwand vorzuführen. Und er filmte die Ausgewanderten in ihrer neuen Heimat, um die Filme darüber im Burgenland auf die Leinwand zu bringen. Horst Horvath erzählte mir, dabei seien auch jeweils das Publikum und dessen Reaktionen gefilmt worden.
Auf Skype erzählt mir Doron Rabinovici, der schon wieder in Wien, auf der Website aber noch in Indien ist, äußerst anschaulich von Indien, während er frisch gewaschene Kleidungsstücke zusammenlegt. Die Reiselust hat mich wieder gepackt. Ich ertappe mich dabei, jeden Abend einen Film anzusehen, der in den Vereinigten Staaten spielt.
Nein, lieber Clemens, Du irrst, in Wirklichkeit war ich noch in Indien, in Anjuna, nur für Dich stellte ich Kulissen hinter mir auf, die eigens für Dich ein Wiener Ambiente vorspiegeln sollte, doch über meinem Kopf trippelte die Ratte im Dachgebälk, die zuweilen mein Zimmer in Goa besuchte, dabei sehr diskret vorging, um mich nicht zu stören.
Oder doch nicht, mein Lieber. Es war anders. Während wir über Shillum und Betel flachsimpelten, beamte ich mich kurzerhand nach Österreich.
Nein, Clemens, was rede ich: In Wahrheit verrauchte ich mich da, um dort wieder Gestalt anzunehmen. Und machen wir das nicht beide immerzu, diesseits und jenseits des Ganges?
Oder war ich wieder in Wien, wir skypten, dabei legte ich die familiäre Unterwäsche zusammen? Und trafen wir einander etwa am nächsten Tag im Café?
Oder war ich überhaupt nie in Indien? Sandte ich meine Tagesberichte vielleicht doch nicht von unterwegs, wenn gerade Netzkontakt war, sondern schickte sie aus der Donaustadt an unsere Moderatorin, die alle Reiseblogs dankenswerter einrichtet und reiht?
Flachsimpeln, schönes Wort, lieber Doron, hätte ich auch gern erfunden (gefunden). Ich sehe Deine Reise mittlerweile mit etwas anderen Augen. Mir hätte es eigentlich in dem Moment dämmern müssen, als Du dieses schwarze Wäschestück auf Deinen Kopf plaziertest – das war nicht, um mich zu erheitern, die Ratte sollte Angst vor einer Fledermaus bekommen. Vielleicht war das aber auch bloß Ausdruck einer anderen Kultur, einer donaustädtischen möglicherweise. Aber ehrlich: Glaubst Du etwa, daß ich meine Koffer gepackt, Stifte und Laptop verstaut habe und morgen nach New York fliege?
nun ja , vor dem flatscreen gerät man wohl eher ins flachsimpeln …