Venedig 28. 1. 2010
Hierher gefahren, um Metropolis zu lesen, sich mit Stadt-Utopien und auf argentinischen Filmrollen vergessenen Gärten zu beschäftigen.
In den Kirchen Kunst voll überbordender Körperbilder gefunden. Die besten Maler waren gefordert, die besten Materialien und der besten Marmor, um eine Marmorreligion zu begründen, zu festigen, die Marmorrechte der Reichen, alle Sorten, Farben, Zeichnungen von Marmor auf Wänden, Böden, Decken, Tischen, Treppen, Wannen aus Marmor und den Juden blieb das Wertvollste verboten, sie zeichneten den Reichtum des Steines nach.
Money talks.
In die Geschäften für Ledertaschen, den traditionell italienischen Waren, sitzen Chinesen und verfolgen heimische Soap-Operas via Internet auf dem Computerbildschirm, bis sie Touristen bedienen, die hierher kamen, um italiensche Markenprodukte zu Schnäppchenpreisen zu erwerben.
Der Wutausbruch des Italieners, als wir mit von Chinesen erworbenen Taschen vor seinem Geschäft stehen, das Echtes verkauft, wie er uns versichert. Wirklich seit Generationen und was wir uns denn denken, wenn wir bei Chinesen kaufen?
Wir dachten uns einiges dazu, vor allem, woher wir Informationen über diese Invasion bekommen könnten, um sie richtig zu verstehen.
Der italienische Kürschner aber duldet das nicht, wir sollten ganz einfach von einem auf das andere schließen, mahnt er. Wo ein Chinese drin sitzt, sind auch die Taschen chinesisch.
Und der Prägestempel auf dem Leder, Made in Italy?
Alles gefälscht, meint er.
Wie es aber zuging, dass 98 Prozent der unzähligen Lederwarenläden nun in chinesischen Händen sind, erfahren wir nicht.
Um ihn zu beruhigen, kaufe ich eine Tasche aus grauem marmoriertem Kalb.
Auf den Brücken wiederum warten Afrikaner mit Fendi- und Gucci-Taschen und natürlich nehmen wir deren Logos nicht Ernst. Keiner rechnet mit echtem Material hier.
Auch in der Wohnung sind Küche und Bad aus Marmor und am harten weißen Tisch, auf dem die dünnwandigen Weingläser zerscheppern, schreiben wir ein Stück Western zusammen. Der zum Ostern wird, zum Schluss. In Vampirszähnen endet. Und auf diese Weise kommen wieder die Rumänen ins Spiel. Unsere balkanisierten Ängste. Während draußen die gelbe Gefahr dem heimischen Leder droht.
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