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PAUL AUSTER : SCHACHTELGESCHICHTEN

NZZ , 7. 12. 2011

czz – Es ist eine der für den Romancier Paul Auster charakteristischen Schachtelgeschichten, die den Plot und dessen Hierarchie in Form von mit jeder Ebene kleiner werdenden Kistchen komponiert. Im konkreten Fall von “Auggie Wrens Weihnachtsgeschichte” spielt die Handlung nicht zufällig in und um einen Zigarrenladen, wo es Kistchen in allen Grössen gibt. Der Zigarrenhändler August “Auggie” Wren, der seit Jahren jeden Tag zu einer gewissen Uhrzeit dieselbe Strassenecke aus demselben Winkel fotografiert, wäre wohl nie zu seiner Sammlung von mittlerweile 4000 Fotos gelangt, wenn er nicht dem allzu dreisten Jungdieb, der auf der Flucht seine Brieftasche und Papier verloren hatte, die Dokumente hätte zurückbringen wollen. Als Wren auf die blinde Grossmutter stösst, spielen beide, er sei der Enkel und man rüstet ein Weihnachtsfestessen. Eine weitere Schachtel öffnet sich, wo wir erfahren, was es mit dieser Kamera auf sich hat.

Und so klappt Schächtelchen nach Schächtelchen wieder zu, bis der narrative Zoom wieder im Hier und Jetzt angekommen ist. Bemerkenswert ist, dass der Text von 1990 seinerseits zum Nukleus des Episodenfilms “Smoke” geriet, wo Auggie Wrens Zigarrenlädchen wiederum als Schachtel für Begegnungen und Erzählungen firmiert. Da Wayne Wangs Independent-Produktion 1995 nie in die grossen Kinos kam, wirkt es keineswegs platt, wenn der von Harvey Keitel gespielte Zigarrenhändler Auggie Wren von “seiner” deutschen Synchronstimme, Christian Brückner, gesprochen wird. Sonor tönt schliesslich Paul Austers distinkte Stimme, wenn er die Melodik der amerikanischen Urfassung aus dem Kasten lässt.

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UND ES IST GOLDT , WAS DA GLÄNZT

NZZ , 7. 12. 2011

czz – Eigentlich müsste man anhand eines CD-Titels, der da lautet “Zweisprachig erzogene Bisexuelle mit Fahrrädern auf dem Autodach” mühelos dessen Autor erkennen: Der deutsche Musiker und Autor Max Goldt ist Meister der absurden und surrealen Benennung, welche oft keinerlei Bezug zu den vorgestellten Sprech-Stücken aufweist. “Luxusprosa aus den neunziger Jahren” oder “Vom Zauber des seitlich dran Vorbeigehens” unterminieren die allgemeine Autorität, welche besonders “sinnige” Titel geniessen. Auch seinem Glossen eignet ein quasi demokratischer Zug, da sich der räsonierende Erzähler einerseits in allgemeinen Abschweifungen verliert, wenn nicht gerade wieder anderseits verstörende Umweltwahrnehmungen sich ungefragt in die Rede drängen.

Max Goldt erhebt das falsche Pathos zur Kunstform, bläst in seinen Glossen Mücken zu Elefanten auf und verstrickt sich im Abenteuer Alltag. Markant ist der Sprechkünstler Max Goldt mit seinem unverkennbar onkelhaften Ton, mit welchem er ressentimentgeladen über Neologismen, gesellschaftliche Sitten und Modetorheiten räsoniert. Die Entscheidung, Saalaufnahmen diskret mit Studioeinspielungen zu verzahnen, weist meilenweit über das “Comedy”-Register hinaus, wo es um Lachstärke-Pegel-maximierte Pointen geht. Goldts mäandernde Monologe bestechen gerade durch ihre genuin literarische Unvorhersehbarkeit und durch ihren schenkelklopffernen Humor.

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2 Responses to audio aktuell
  1. rittiner & gomez
    January 8, 2013 | 10h21

    “Zweisprachig erzogene Bisexuelle mit Fahrrädern auf dem Autodach” so was müssen wir haben. wunderbar.

  2. czz
    January 8, 2013 | 10h28

    nachdem nicht alle tage >>> Hubschraubereinsatz< <<
    http://www.youtube.com/watch?v=2pAr1IMiP6A
    sein kann …

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