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Salon Littéraire | Birgit Schwaner :
Polyphems Garten ( Auszug )
Eine namenlose Stadt nach einem Krieg, eine Mauer, die die Villenviertel der Reichen schützt, hübsch gestaltete, kleine Drohnen, die, klick, klick, in den Wohnungen filmen. Produziert werden sie vom Konzern “Polyphem Corporation“, dessen einäugiger Präsident davon träumt, im Süden der Stadt einen französischen Garten anzulegen, bestückt mit Automaten aus seiner Sammlung: Gedichtgeneratoren, die aussehen wie Papageien; Maschinen, die gesprochene Sätze in Bilder umwandeln und anderes, was als Sensation gilt, wo es offiziell weder Bücher noch Künstler mehr gibt.
Auf der anderen Seite der Mauer wohnen, in Häusern, Hütten und Zelten, die apathischen, oft mittellosen “Meisten“. Unter ihnen die Protagonistin “Nina“, die von einer Erzählerin durch diese düstere Welt geschickt wird – auf der Suche nach einem plötzlich verschwundenen Freund. In weiteren Rollen: drei mechanische Spatzen und die Sekte der Menetklisten, deren Mitglieder Mauern, Wände und Fußböden “lesen“ … ( Birgit Schwaner | Verlag )
Und, was tut er, der Ping? Nichts Verdächtiges, möchte man meinen: vor zehn Minuten heimgekommen, Platz genommen vorm Wysiwyg, an einem mächtigen Kunststofftisch (Eisen-Optik), drauf Drähte, Kabel und Schrauben gehäuft, Stecker, Platinen, und ne Menge kantiges Zeug, das ich euch nicht benennen kann, kleinste Teilchen für irgendwas, ordentlich in farbigen Kästchen (die bei Berührung sofort berichten, was genau sie, und wofür, enthalten) – und vom Robtak ein Bier serviert.
Einschub: Während Ping trinkt, muss ich, schnellschnell, was nachtragen: Also, eben und oben, wo einmal, in die Zeilen gestreut, dieses sanfte Wort “Liebe” erschien – könnte ja sein, dass es noch wem im Gedächtsnis steckt, schmort, rumort und ihr glauben wollt, es gäb sie weiter und immer weiter, als bleibe sie auch zukünftig vertraut, wenigstens fremd-vertraut, falls; also, eben und oben war die Wesens-Triebfeder gemeint, der man, ein Beispiel von tausenden, nachsagt, jedes Schräubchen zum Blühen zu bringen, jedes Kabel zum Wurzelschlagen, im goldnen Nachtlaub, und überall – doch, ernsthaft: Kommt das noch vor? Steckt nicht das alte Sehnsuchtskind Liebe bald auf ewig im Finstern, wie mit einem Auge betrachtet, eingerastet, zu Tode gestarrt, oder halbseits ins Schwarze gekappt, in die Klappe – was soll’s, das Mysterium: perdu – durch die Bildwand marschiert, Rücklichter abgedimmt.
Tock! Kurz und bündig. Ping setzt die Flasche ab: kurzer Hals, limonfarben, leer. Schon rollt der Robtak heran, eine Teekanne auf dem Tablett, eine Tasse, ein weiteres Bier. Stummgeschaltet, der Kleine, natürlich – würd ja sonst manches vermelden, wie: gehabter Promillekonsum plus die Anzahl durchwachter Stunden, oder – alphabetisch gelistet – Sachen, die fehlen, gegessen, kaputt … Algengrün, Batterien, Monoks, Nudeln, Kekse, Schuhbänder, Trinkwasser, Zahnbürste: Minimum acht Posten täglich; täglich zerbricht was, irreparabel, und was die ODs ausspucken: raschest defekt. Sicherung der Nachfrage, klar; nimm die Monoks: neue Modelle halten fünf Wochen, summa summarum … Danach meist ausgesummt, hoppa und ex: Bleigraues Kugeläuglein ade, mach mal Platz für Gras, Curry, Mint … so hält einen die Dingwelt auf Trab: ordern, entsorgen, ordern, entsorgen – für Sachen gilt: Prinzip Wiedergeburt, mit Gestaltwechsel; in den Fabriken der Peripherie, zwischen Schutthalden, Brachland, Ruinen, neben Parkplätzen für die Transporter, wird der Schrott in Masse verwandelt, Biomasse, Metallmasse, Plastik- und Holzpaste, Grundnahrungsbrei – und wieder ab in die ODs, auf ein Neues im ewigen Kreislauf …
Jenseits der Mauer? Edelschrott, Androidendiener – doch sonst? Auch die Wenigen: heftig am Traben, oder Rotiern, vornehmlich um die eigene Achse. Wirbelsäule. Im Körperaufrüsten …
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Kannst nix tun, nur die kranken Teile Stück für Stück austauschen, sag ich mal, anders: Die Wenigen haben, so gesehen, mannigfaltigste, sauberste Schnittstellen zum, na, dauerhaft Maschinellen; Ports, worein die Chirurgomaten, Chefarztroboter sondergleichen, akkurat hineinfahren können, eingreifen mit dünnen Fingerchen, Nadeln, Laser und allerlei, was – mehr als stichfein, scharf oder grob – hilft, einen weichen, vergänglichen Leib für die Zukunft zu präpariern, stählen, erneuern, synthetisiern: Man erkennt – kleistisch – die Alten der Wenigen an der Grazie, mit der sie gehen und gestikuliern, Beine lenken und Arme heben, ihren Kopf halten, neigen (vom Ensemble zu schweigen) – es ist die Anmut technischer Wesen, Robtaks, Roboter, Androiden. (Spätzchen, Marionetten, mag sein; Schäfchen: ausgenommen, vorerst. – Und, um nochmal auf Liebe zu kommen, die – als blasses Wortgespenst – nonstop herumhuscht, im Monitor: Sie wird jetzt ganz elektronisch gesehn: E-Magnetismus statt magisches Denken – das allerdings treibt noch Blüten: im Hort der Meneteklisten zum Beispiel und – da, schau! – bei den Stadtassistenten. Heimlich, in den unteren Rängen … Na, da streifen wir noch vorbei.)
Achtung, Achtung, rufen die Spatzen, in Top 3 ganz auf sich gestellt – das heißt, nein, ein Monok hört zu. Summend, und zwar ein bisschen zu laut, einen Bissen zu ungleichmäßig -? Aber die Spätzchen, M1 bis 3, schert’s nicht, verkünden stoisch:
M1: “Da fiel vom Himmel ein großer Stern …”
M2: “Vivat! Und so entstand die Haut (sauber wie ein geschorenes Lamm)”
M3: “Aber wer Ohren hatte, der hörte: Heuschrecken! Heuschrecken!”
… und in dieser Sekunde: Herzflattern, sozusagen, beim Monok, dieser Hausspion alter Schule (sag nur: taub und metallic-grau) stottert im Fliegen, ruckelt, taumelt und – stürzt von unter der Zimmerdecke knapp noch aufs schilfgrüne Polter, stößt einen hohen Pfiff aus: kaputt! Blinken der Bildwand; kehrt Nina zurück, wird hier eine Stimme ertönen, monoton, sanft: Monok defekt, bitte ordern, sofort.
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HINWEISE
Polyphems Garten ist 2013 im Klever Verlag , Wien , erschienen . Eine Besprechung von Lisa Spalt liegt auf den Seiten des Literaturhauses Wien vor .
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Birgit Schwaner ( Bio – Bibliographie )
Bisher auf in|ad|ae|qu|at :
- Die Kamera als Brille . Zur Ausstellung: “visuell – virtuell – parallel : Schreibende fotografieren” , Wiener Zeitung , 15. 5. 2010 | espace d’essays |
- Held . Lady . Mops ( Auszug )
- LITERATUR ALS RADIOKUNST | Birgit Schwaner im ORF- Studio | Produktionsnotizen
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