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Kapielski : “Avantgarde“
czz – Fast zwanzig Jahre ist Thomas Kapielski nun zugange als ein Originalgenie, dessen schräge Ideen wacker den Hits und Hypes, Meinungen und Moden trotzen. Seine bildkünstlerischen Interventionen an Treibgütern aus der Warenwelt erhellen die fundamentale Tristesse des industriell Gemachten, seine (etwa in den Bänden “Sozialmanierismus” und “Weltgunst” gesammelten) Tagebücher, Texte und Kalaueranwendungen eröffnen ungewöhnliche Perspektiven auf das Ineinander von absurd Akutem und melancholisch Abgeklärtem.
Eine von Zweitausendeins edierte Kompilation präsentiert den passionierten Performer als Virtuosen des Antiwitzes: In Glossen, “Drohworten” sowie diversen Maximen und Reflexionen entsagt Kapielski konsequent den Versuchungen der Pointe, kracht mit Bandmaschine und Synthesizer oder klingelt (frei nach Georg Kreisler) am Triangel.
Die 34 Audio-Tracks geben – von der akustischen Sekundenskulptur über Biertisch-Dialektik bis hin zur postkommunistischen Geschichtsphilosophie – eine Ahnung des enorm energetischen Drehmoments dieses undressierten Geistes. Wären da nicht noch drei Mini-Videos (wie schon ein Titel sagt: “Kurts Film“), um Kapielskis Kraut fett zu machen, brilliert der Autor darüber hinaus mit einer Einführung ins Fach analoger bzw. digitaler Klangbearbeitung.
Effektvoll demonstriert der “Ringkompressor”, wie es klingt, wenn man die 15 Stunden von Richard Wagners “Ring” auf die “molekulare Substanz” von einer Sekunde eindampft: Gross, im Vorher wie im Nachher.
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Thomas Kapielski: Ringkompressor. Oder: Wie man Musik fotografiert. Hör- und Filmwerke. 1 MP3-CD (63 Min. Audio, ca. 3 Min. Video), Zweitausendeins 2006
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ED NZZ , 4. 5. 2007
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