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||| MARGUERITE DURAS : C’EST TOUT | JEAN- HENRI FABRE : INSEKTEN , INTIM

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“C’est tout” auratisch : Marguerite Duras

ED NZZ, 4. 4. 2014

czz_audio_aktuell_black-32.pngChristiane Zintzen - Schreiben, Schweigen, Liebe, Tod: In diesem Spannungsfeld situiert sich die Prosa der Marguerite Duras ( 1914-1996 ). Dasselbe gilt für ihr ästhetisches Programm, welches Duras in geradezu granitene Sätze meisselte. Ihre Poetologie scheut mitnichten das Pathos, wo Marguerite Duras das Schreiben als existenziellen Prozess definiert.

Formuliert in schlackenlosen Sätzen, duldet deren markante, mitunter aphoristische Prägung keinerlei Widerspruch: “Schreiben heisst zu versuchen herauszufinden, was man schreiben würde, wenn man schriebe. Man weiss es erst danach.”

Kai Grehn, dessen auditive Adaptierungen von Werken Charles Baudelaires oder Emily Brontës aufhorchen liessen, hat sich nun der poetologischen Äusserungen Marguerite Duras’ angenommen. Indem er Zitate aus den Bänden “C’est tout” ( 1995 ) und “Ecrire” ( 1996 ) zu einem “Hörspiel nach Texten von . . .” montiert, legt er fundamentale Motive frei, welche Duras’ distinkte Regie von Leben und Schreiben erschliessen.

Kongenial und atemberaubend prägen die rauchigen, körnigen, störrischen Stimmen zweier herausragender Schauspielerinnen die Szene. Konnte für die französischen Parts keine Geringere als (die jetzt 86-jährige) Jeanne Moreau gewonnen werden, steht ihr die deutsche Schauspielerin Mechthild Grossmann ( Jahrgang 1948 ) an Intensität in nichts nach. Umspielt von den leicht schrägen Instrumentalakkorden der Band Mariahilf, verstärken die geradezu mythischen Stimmen die Radikalität der Marguerite Duras auf auratische Art. [ ⇒ HD- Version @ in|ad|ae|qu|at ]

⇒ Kai Grehn :

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Jean-Henri Fabre: Insekten, intim

NZZ, 4. 4. 2014

czz_audio_aktuell_white-20.pngczz – Fremd und befremdlich mutet uns Menschen die Welt der Insekten an, wobei die sprachliche Beschreibung dieser tausendfältigen Wesen mit ihrer jeweils individuellen “Ausrüstung” nicht selten an die Grenzen der Beschreibbarkeit stösst.

Genau hier funkelt das Werk des französischen Insektenforschers Jean-Henri Fabre (1823-1915) mit einem poetischen Reichtum, welcher in die Ritzen des Sagbaren dringt. In seinen ebenso faszinierenden wie umfangreichen “Erinnerungen eines Insektenforschers ” (1879-1907), welche 1912 knapp den Literaturnobelpreis verfehlten (die Auszeichnung ging an Gerhart Hauptmann) erweist sich im Grunde die Grobheit unserer Artefakte im Vergleich zur den für ihre speziellen Zwecke massgeschneiderten Instrumentarium des Tiers.

All diese Schaufeln und Klauen, Kerben und Hörner, Zangen und Stampfer nötigen dem erzählenden Entomologen Bewunderung ab: je näher sich Fabre herabbeugt und die Objekte seiner Beobachtung ins Auge fast, desto liebevoller und nachdenklicher gestaltet sich seine melodische Prosa.

Nachdem das im Leipziger Buchfunk-Verlag erschienene Portrait des Heiligen Pillendrehers (Skarabäus) mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2013 ausgezeichnet worden war, liegt nun die gesamte Reihe von Auszügen aus Fabres Schriften in vier Teilen vor.

Entgegen aller archaischen Ängste wird man sich der sensiblen Diktion Gert Heidenreichs kaum verschliessen , wenn er die Schwarzbäuchige Tarantel, die Gelbflügelige Grabwespe oder die Mauerbiene vorstellt.

Sehr schlüssig gestalten die diskreten Synthesizer-Sounds des Elektroakustikers Robert Rehnig einen abstrakten Klangraum, welcher die kategoriale Fremdheit der Kerbtierwelt inszeniert, ohne die Insekten akustisch zu illustrieren. Vielleicht ist es gerade die auditive Offenheit, die – in Taktung mit den geradezu intimen Texten Fabres – es uns ermöglicht, unsere Wahrnehmung zwischen Nähe und Distanz zu skalieren. Ob wir deshalb die (für Menschen übrigens ungefährliche) Tarantel lieben lernen, sei dahingestellt.

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