K. E. Georges: Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, Hannover 1916
ruminatio. räsonnement. ressentiment.
ist nicht alles schon gesagt ? dutzende mal, hunderte mal, tausende mal ?
macht irgendwas irgendwann und irgendwo überhaupt noch einen unterschied ?
und: machen wir uns überhaupt noch die mühe, den quatsch zu verzeichnen, mitzuschreiben ?
diesen quatsch zu erklären, zu perspektivieren, also in den quatsch sich hineinzuknien ?
tatsache ist: das unken konservativer kulturpessimisten dröhnt in den ohren:
wiedermal wider “das digitale”. wiedermal wider social networks. wiedermal wider das “summen” von (unabhängigen) blogs.
meist sitzen diese phänomenologen der angeblich digitalen dekadenz und -demenz in ämtern, würden und ansehen, wenn sie nicht bereits angenehme beamtenpensionen beziehen. und natürlich (re)produzieren sie – selbst bildungsbürger sind mitunter platt – stets dieselbe gleichsetzung von allem und jedem. ein synkretistisches credo wider all die (ver)störungen, welche angeblich aus den digitalen welten tief nicht nur in unsere kultur, sondern zutiefst in unser wesen eindringen und womöglich gar unsere persönlichkeit unterminieren.
die gleichungen, die sie, die konservativen und dekadenz-analysten, anstellen, sind im grunde nichts anderes ist als ein zappen durch diverse, willkürlich austauschbare termen. selbige schaden, so heisst es, dem humanistischen, dem vitruvianischen menschen:
digitale welten = facebook = twitter shitstorms = kakophonie der blogs = verfall der buch- und lesekultur = “information” statt “wissen” = amazon = verfall des hergebrachten buchhandels = wirtschaftlicher niedergang des zeitungswesens = verfall der alphabetisierung = preisdumping per e-book = brutalisierung durch cyber-spiele = terraingewinne der hacker = untergang der muttersprache = verlust traditioneller sozial-kompetenz = nervosität = verlust von fokus und besinnung = seelenkrüppel = google-paranoia >>> gehen Sie zurück zum start.
der “verblendungszusammenhang” ist zum “nervenzusammenhang” mutiert. das gilt für das turbo-gerede der talkshows nicht weniger als für das gequatsche in den op-eds der presse, sei dies nun pro oder contra kultureller effekte von digitaler oder technischer (r)evolution.
die argumentationsmuster sind und bleiben die gleichen seit Plato in “Phaidros” die schriftlichkeit ostrazierte.
es handelt sich um argumentationsmuster, welche just jene nausea erzeugen, welche sie im hinblick auf digitale phänomente zu empfinden vorgeben.
was heisst, dass (nennen wirs mal:) “unsereins” in ganz ähnlichen Pavlovschen regelkreisen rotiert. auch “unsereins” wird im eigenen quäken wider den jüngsten quatsch der kulturpessimisten unsäglich. lachhaft.
ruminatio. räsonnement. ressentiment.
peinlich, die eigenen reflexe als spiegel jener der “gegner” zu erkennen. ein spiegel, welcher selbstredend in beide richtungen funktioniert: der sehende wird wiederum vom gesehenen ins auge gefasst.
glücklich das tier, das davor sicher ist, in die untiefen von spiegel und wi(e)derspiegel zu stürzen.
wenn aber, wie Lacan sagt, das “spiegelstadium” eine grundlage für die konstituierung einer persönlichkeit ist, also den prozess der individuation überhaupt erst anstösst. wenn wir also später uns selbst in den spiegeln der “gegner” erkennen.
wenn wir “was mit medien” machen. wenn wir “was mit internet” machen.
wenn wir mürbe geworden sind. wenn wir zermürbt sind von den fremden, zermürbt auch von den eigenen ruminationes. mürbe und müde.
ist nicht alles schon gesagt ? dutzende mal, hundertemal, tausende mal ?
macht irgendwas irgendwann und irgendwo überhaupt noch einen unterschied ?
ruminatio. räsonnement. ressentiment.
Wohl wahr!
trotz allem: misanthropie
rechnet sich nie -
wirklich wahr! (der artikel sowie die beiden kommentare). Darf man dazu ev. auch den falter chefredaktuer zitieren:
“Mut braucht es zum Beispiel, den Ressentimentwellen standzuhalten, die einem aus dem Netz entgegenschwappen.” Der Einzelne werde wiederum zum “Produkt” für transnationale Konzerne. “Alle geben ihre Daten ab, alle werden zu Produzenten von Aufmerksamkeit und zu Konzerndienstleistern”, verweist Thurnher auf Unternehmen wie Google, Twitter oder Amazon. “Diese Konzerne bringen ihre Profite aus jenen Märkten, wo sie sie schöpfen, dorthin, wo niemand mehr Steuern zahlt.”
seinesgleichen geschieht: wir äussern und hier nicht zum zitierten. A. T. hat in diesem medium bereits ausreichend presse gehabt. weshalb es gut ist, lieber Otto B., dass Sie uns hier und jetzt daran erinnern. sonst hätte wir uns während der nächsten tage noch einmal in diesen winkel verirrt.
ops.cits.
schirrmacher_thurnher
Schübler_on_falter_leserbriefe
by the way: genaueres gibts in print. richtiggehend penibel.
Blogliteratur: Medium oder Message? Am Beispiel der Plattform litblogs.net … Meri Disoski, Ursula Klingenböck,Stefan Krammer (Hg.): (Ver)Führungen. Räume der Literaturvermittlung – Innsbruck : Studienverlag 2012, 84-104