Ö-Lit : jetzt : zu Elfriede Gerstl und Margret Kreidl

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Gerstl, graziös gesammelt

NZZ . 4. 8. 2014

Christiane Zintzen – In Kleinstverlagen erschienen, vergriffen und verschlungen vom Strudel der Zeit, galt das Oeuvre der Wiener Dichterin Elfriede Gerstl (1932-2009) als schmal. Wenn jetzt der dritte Band der Werkausgabe unter dem Titel Haus und Haut vorliegt, wird man die Grösse dieses Werks nicht mehr verniedlichen können. Zusammen mit den ebenfalls von Christa Gürtler und Martin Wedl herausgegebenen Bänden Mittellange Minis (2012) und Behüte behütet (2013) liegt mit Band III (Werke 1995-2009) ein Oeuvre von 1.030 Druckseiten vor.

Numero drei der auf vier Bände konzipierten Ausgabe rückt wichtige Textgruppen, schön sortiert und kenntnisreich kommentiert, ins Licht: Da sind die Bücher wie das der Passion des Sammelns gewidmete Kleiderflug (1995/2007), die Auswahl alle tage gedichte (1999) oder der letzte zu Gerstls Lebzeiten erschienene Gedichtband Mein papierener Garten (2006).

Ein eigenes Genre haben Elfriede Gerstl und Herbert J. Wimmer mit ihren witzig-aphoristischen Textpostkarten kreiert, welche 2004 in einer Schachteledition erschienen. Auffallend an der dokumentierten Schaffensperiode ist die Hinwendung zu autobiographischen Themen wie das des traumatisierenden Lebens im Versteck während der Nazizeit oder die unter der ironischen Maske der Hypochondrie vollzogene Konfrontation mit den Kalamitäten des Leibes. Das Leichte und das Schwere gehen in Elfriede Gerstls Werk wechselnde Allianzen ein, Diskretion und Konkretion in Schwebe haltend. Oder wie Gerstl mit einer ihrer Textkarten sagt: “so nebenbei geschieht das ausserordentliche”.

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Margret Kreidl: Schnelle Schüsse, kurze Schlüsse

NZZ, 4. 9. 2014

czz – Wiewohl wir wissen, dass es einfache Erklärungen für das notwendig Komplizierte schlicht nicht gibt, sind wir täglich in der Pflicht, in Politik, Medien und Alltag just solche Vereinfachungen abzuliefern.

Die österreichische Schriftstellerin Margret Kreidl nimmt in ihrem jüngsten Buch dieses Paradox in den Blick, indem sie Szenen aus dem Archipel der Träume mitbringt und diese jeweils unter einer “einfachen Erklärung” subsumiert. In mehr als 360 kurzen Prosastücken wandelt sie Tagesreste in der Traumarbeit zu Traumresten in der Tagesarbeit, welche den kaskadierenden inneren Bildern einen meist trivialen Kurz-Schluss entgegensetzt: die “einfache Erklärung” trifft nicht den Punkt, sondern setzt einen.

Indes exerziert Kreidl die Träume und deren Enträtselung nicht nach sturen Formeln durch, sondern lässt Perspektiven und Logiken wechseln, wobei sie durchaus das Risiko der Preisgabe sehr persönlicher Inhalte in Kauf nimmt. Mit Bezugnahmen auf Bankenkrise und Drohnenkrieg, Obama, Putin und Snowden ist just diese (Alb-)Traumfibel das bisher politisch expliziteste Buch der Autorin, die dabei indes nie die Ästhetik aus dem Blick verliert. So mag man die triadische Struktur der einzelnen Einträge des Traumbuchs als emblematisches Setting von “Inscriptio” (Titel), “Imago” (Traumprotokoll) und “Subscrptio” (Erklärung) lesen.

Nach Titeln sortiert, entsteht ein “Traumalphabet”, welches – von “Anfanggasse” bis “Zettelweg” – dieses grosse kleine Buch als poetischer Index eröffnet.

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