Anna Kim: Nuukblog 6 | 2. 3. 2010 – Fahrt mit dem Hundeschlitten

| mitSprache unterwegs |

Kangerlussuaq, am 2. 3. 2010

Fahrt mit dem Hundeschlitten

Noch sitzt mir die Kälte tief in den Knochen, ich glaube, sogar meinen Haaren ist kalt, nicht nur meinen Fingern, die in Zeitlupe tippen.Ich bin gerade von einer Fahrt mit dem Hundeschlitten auf dem Watson-Fluss zurückgekommen und sitze nun im Zimmer, dicht bei der Heizung. Die Fahrt war wunderbar: frisch, sonnig, beißender Wind im Gesicht, die Zehen scheinen nach etwa einer halben Stunde langsam zu verschwinden, bis auf ein Kribbeln und Ziehen und Schmerzen (später), das signalisiert, dass es sie noch gibt.

Johanne führt die Hunde mit Rufen und einer Peitsche, die sie hin und wieder gegen den Boden knallt, die Hunde gehorchen sofort. Etwas unheimlich finde ich unseren Ausflug schon, da wir auf dem zugefrorenen Fluss fahren, und, sicher, Grönland ist sehr kalt, heute morgen hat es minus fünfundzwanzig Grad, aber wer weiß, vielleicht ist doch nicht alles zugefroren, und während das Eis um mich herum knirscht und knackt und sich Risse bilden und ich mir vorstelle, wie es ist im eiskalten Wasser in der Seehundfell-Kleidung, in die man mich vor der Fahrt gesteckt hat und die ganz wenig, dafür beständig nach Seehund riecht, herumzupaddeln, ziehen die Berge und Ebenen langsam an uns vorbei und haben mit dem, was ich unter Landschaft verstehe, so wenig gemeinsam: Gestern wanderte ich nicht, wie ich dachte, auf den Black Ridge, sondern auf einen anderen Berg, ich folgte einfach einer Straße, bis sie zu Ende war, und dann ging ich querbergauf, kletterte praktisch auf den verdorrten Büschen, die die hiesigen Berge bewohnen, stapfte manchmal knietief in Schnee, rutschte hin und wieder auf dem Eis aus, aber selten fühlte ich mich freier.

Die Freiheit, die von der Landschaft Grönlands ausgeht, ist eine ganz eigene; sie entfaltet ihre Wirkung schleichend, aber sofort, schon nach wenigen Sekunden hat sie meine Augen erreicht und fließt von dort in meine Gedanken, später glaube ich, sie greifen zu können, so nah ist sie, so intensiv; ich wollte gar nicht mehr aufhören zu gehen.

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One Response to Anna Kim: Nuukblog 6 | 2. 3. 2010 – Fahrt mit dem Hundeschlitten
  1. Helga Köcher
    March 11, 2010 | 21h41

    Faszinierend!

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