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Salon Littéraire | Katharina Riese :
Plötzlich , beim Zeitungslesen
Café Museum
Plötzlich, beim Zeitungslesen im Kaffeehaus, kommt der Text zurück. Gerade noch wollte ich aufgeben. Jetzt aber schnell nach Hause. Der Text entwickelt sich drängend und ohne Schreibgerät ist jeder Satz verloren. Man merkt sich das nicht länger als drei Minuten. Ich muss noch in den Supermarkt, zumindest das Katzenfutter und die Milch kaufen. Der Text rinnt weiter und ich kann es nicht aufhalten. Schriftsteller kann nicht jede/r werden. Während ich zum Supermarkt eile, nimmt der Text zu früh eine dramatische Wendung. Das kann ich jetzt alles vergessen. Alles, was ohne Schreibgerät entwickelt wird, kann man vergessen. Morgen läuft das amerikanische Ultimatum ab, schon morgen früh wollen die Amerikaner auf Saddam Hussein losschlagen. Um halb vier heute Nachmittag hole ich meine Tochter ab und werde mich an einer Friedenskundgebung vor dem Parlament beteiligen. Ich werde mir mein eigenes Transparent machen: Krieg den Militärs. Die Katze ist gefüttert, die Heizung aufgedreht, nun ist es soweit.
Das Personal hat versagt. Das Personal hat sich verlaufen. Das Personal musste gekündigt werden. Das Personal hat gestohlen, gesoffen und gefickt. Das Personal war ein Alptraum. Vor dem Haus steht schon die längste Zeit keine Kutsche mehr. Der Kutscher ist aus dem ersten Weltkrieg nicht mehr zurückgekommen. Die Perlen, die Goldstücke, die Prachtkerle, die braven Leute, die Gouvernanten sind nicht mehr da.
Was ist schlimmer? Das Personal oder seine Verdunstung? Nachdem das Entfernen des Unangenehmen nicht mehr angeschafft werden kann, ist das Leben ein Alptraum. Die Blutspuren im Bett, das Blut am Hals, das Blut im Koffer. Das verstümmelte Fleisch bewegt sich noch. Es sind zu viele Menschen im reservierten Zimmer. Das Zimmer ist für maximal vier Leute reserviert und jetzt sind es Tausende. Hier kann man sich nicht erholen. Nur fünf oder sechs Opfer werden gezeigt. Die anderen werden versteckt, hier im Zimmer versteckt. Das Befinden der Opfer hat sich im Versteck zum Tode hin entwickelt. Anna! Anna, hören sie die Glocke nicht? Schaffen Sie das hier raus. Bringen Sie das in Ordnung.
Die Menschen, zumindest die vier, für die das Zimmer ursprünglich reserviert worden war, leben hier, um gesund zu werden. Wer kann hier gesund werden. Die Opfer, die gezeigten und die versteckten, machen eine stickige Luft. Reißen Sie das Fenster auf. So helfen Sie mir doch. Die sterblichen Überreste des Opfers werden endlich aus dem Fenster geworfen. Wer putzt jetzt unten? Sie verstehen mich doch? Die Freiheit, die Kunst, es wird sie geben, solange es Menschen gibt. You can’t beat the feeling, sagt Coca Cola. Das kommt ungefähr hin. Räumen Sie bitte auf und holen Sie mir ein Schinkenbrot, wenn es Ihnen nichts ausmacht und Sie Zeit und Lust dazu haben. Danke, Sie sind wirklich ein Engel. Was wäre ich ohne Sie.
Die Kunst, die schöne Versilberung des Waldes in einer einladenden und mutigen Geste, fängt an, sich zu bewegen. Die Wirbel erinnern an orientalische Ornamente. Du sollst Dir kein Bild machen von Deinem Herren.
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Hinweis
Im Rahmen des “kolik“- Slams wird Katharina Riese am Donnerstag , 12. 5. 2011, 19 H in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur lesen .
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