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Salon Littéraire | Ilse Kilic , Fritz Widhalm :
ALLES, WAS LANGE WÄHRT, IST LEISE – Des Verwicklungsromans siebenter Teil
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433) ich liebe, sagt die jana, ich liebe ich liebe ich liebe! in frühen janatagen bezogen sich die worte ich liebe auf die eltern und auf den blonden und sanften jesus, der über janas kinderbett hing. später bezogen sich die worte ich liebe auf die so genannte zweierbeziehungsliebe. sodann wurde die bedeutung der worte ich liebe nochmals verändert und erweitert, sodass es für die jana möglich wurde, nicht nur literatur und musik im allgemeinen, sondern auch kevin coyne im besonderen zu lieben. ferner liebte die jana griechenland und sie liebt einige menschen, allen voran sich selbst und den naz.
ich liebe mich, sagt die jana, aber ich beklage mein schicksal, das mich mit so miesen genen ausgerüstet in die welt kommen ließ. lippenspalte, hochgradige kurzsichtigkeit und brustkrebsgen, das ist schon etwas viel des gar nicht guten. allerdings könnte es sein, das sich irgendwo in diesem gar nicht guten gen-cocktail auch einige gene verstecken, die mir freude beschert haben, falls es sie gibt, zum beispiel das schlaumeiergen. na, jetzt gehst du aber ein bisschen zu weit, rügt da die politisch korrekt sein wollende heimliche zwillingsschwester ilse, wir glauben doch daran, dass dummheit lernbar ist, also müssen wir auch daran glauben, dass klugheit lernbar ist und nicht in irgendwelchen schlaumeierinnengenen sitzt. die heimliche zwillingsilse ist immer ein bisschen überrascht, wenn die jana von ihrer klugheit spricht, nämlich erstens) überrascht von janas selbstbewusstsein und zweitens) überrascht davon, dass sich die jana über ihre wirkliche oder eingebildete klugheit so herzlich freuen kann.
denn, sagt die heimliche zwillingsilse, dummheit tut nicht weh! und das wissen und die weisheit, die ich zum beispiel durch meine brustkrebserkrankung möglicherweise gewonnen habe, auf die würde ich gerne pfeifen, wenn ich damit auch auf diese ganze erkrankung pfeifen könnte, aber das geht ja nunmal nicht. ich habe neulich in der straßenbahnlinie nummer fünf zu unserer freundin magdalena knapp-menzel gesagt, dass ich vor der brustkrebserkrankung ein bisschen dümmer, aber dafür auch ein ziemliches bisschen unbeschwerter war. aber, kontert da die jana, die ebenso wie ihre heimliche zwillingsschwester ilse auf eine hoffentlich überwundene brustkrebserkrankung zurückblickt, aber, wenn schon brustkrebs und den hat uns das schicksal ja beschert, ohne viel nach unserem wollen und dafürhalten zu fragen, also, wenn schon brustkrebs, dann ist es doch besser, gleich ein bisschen weisheit zu gewinnen, als einfach nur die unbekümmertheit zu verlieren.
ach, ich weiß nicht, sagt die jana, vielleicht ist eine kotzen*nutzenrechnung in diesen dingen sowieso der falsche weg. auch über die liebe, das spazierengehen und das leben könnte man mit fug und recht sagen, dass es ganz schwer ist, sie in die kategorien verlust und gewinn aufzuteilen und vielleicht auch ganz und gar unnötig, irreführend und kapitalistisch.
*die jana wollte hier wohl kostennutzenrechnung schreiben, aber weil der verschreiber so wunderschön ist, wollen wir ihn den werten lesern und leserinnen nicht vorenthalten.
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434) es wird langsam zeit, sagt der naz, dass die menschheit den kapitalismus überwindet, sonst wird er sich zu der gesellschaftsform entwickeln, die die natur zu einer riesigen katastrophe und den menschen zur aussterbenden art macht. eigentlich ist der naz ein zwar etwas melancholischer, jedoch durchaus optimistischer mensch und hat die hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass die lebensform mensch doch irgendwie lernfähig ist.
naja. (…)
die jana sitzt in ihrem thron und ist traurig. nein, nicht nur wegen dem alles verschlingenden kapitalismus, sondern auch wegen ihrer noch immer nicht ganz abgeheilten hornhautentzündung. da die jana sehr stark kurzsichtig ist, fünfzehn dioptrien, und
da die jana wegen ihrer entzündung die kontaktlinsen nicht tragen kann, ist sie mehr oder weniger zur untätigkeit gezwungen. klar, die jana hat eine ersatzbrille, eine sehr sehr dicke ersatzbrille, aber damit fühlt sich die jana total unsicher, was die bewegung betrifft, und
total hässlich, was das aussehen betrifft. als kleines mädchen haben die anderen kleinen mädchen und bübchen die jana wegen ihrer brille mit dem spottnamen autobus gerufen. autobus autobus autobus. die jana muss immer wieder schluchzen, wenn sie sich an diese zeit erinnert, also jedesmal, wenn sie die brille aufsetzt, damit sie doch ein bisschen lesen, schreiben oder sonstwas machen kann.
ich habe immer behauptet, schluchzt die total unsichere aber mitnichten hässliche jana, dass sie mich brillenschlange gerufen haben, brillenschlange brillenschlange brillenschlange, weil das doch viel netter klingt, aber in der wirklichen wirklichkeit des ferienheims der wiener kinderfreunde nannten die kinder mich autobus. autobus autobus autobus. gar nicht nett! und gar nicht leicht, als autobus mit den anderen kindern freundinnenschaften zu schließen! ich war, erzählt die jana, damals wegen der schweren krankheit meiner mutter in keiner sehr guten verfassung, aber es gelang mir, eine mutprobe in form eines sprungs vom zehnmeterbrett zu bestehen und damit wenigstens teilweise den respekt der anderen kinder zu gewinnen. noch heute weiß ich, dass ich das wasser von hoch oben und ohne brille nicht richtig sehen konnte und mit klopfendem herzen und mit den zitternden füßen voran lossprang.
platsch. (…)
437) my rainbow race, singt melanie von der schallplatte, die die jana von freundin kathi per post bekommen und die die liebe kathi extra für die liebe jana im internet ersteigert hat. ja, und nun ist der liebe naz dabei, dieses lied erst von der schallplatte in den computer einzuspielen und dann auf eine recordable compactdisc for professionals zu brennen. so alle halben jahre brennt der naz für die jana eine compactdisc mit ihren lieblingsliedern, was vor allem dann ein bisschen aufwändig ist, wenn diese sich auf schallplatten befinden, weil diese aktion dann ein umstecken der sowieso etwas komplizierten wohnungsverkabelung erforderlich macht. deswegen hatte die jana die geradezu göttliche idee, gleich auch ein paar andere lieblingslieder von schallplatte in den computer einzuspielen, zum beispiel kevin blechdoms version des songs private dancer und kevin coynes song the world is full of fools. der naz brummelt ein bisschen, aber er macht der jana diese freude, weil ihm wohl bewusst ist, dass es einen teil seines lebenssinns ausmacht, das leben der jana zu versüßen, wie es überhaupt einen teil des lebenssinns aller menschen ausmacht, das leben anderer, ihnen lieber menschen zu versüßen, wodurch sie ein kleines stückchen unsterblichkeit erlangen, indem sie den lauf der welt verändern. punkt.
oho, sagt der naz und zitiert am schluss dieses kapitels seinen geliebten autobus, ich suche nicht des lebens sinn, weil ich dieser selber bin.
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Ilse Kilic , Fritz Widhalm Gemeinschaftsarbeiten @ in|ad|ae|qu|at
- wie wir sind , was wir wurden ( gemeinsam mit Fritz Widhalm )
- Ein Schwein voller Gedanken ( gemeinsam mit Fritz Widhalm )
- ALPHAVERSION 966 ( 2006 ) – Text und Stimme : Liesl Ujvary | Animation & Sound : Ilse Kilic & Fritz Widhalm
- Ein Comic übers Älterwerden ( “Du siehst ja noch richtig gut aus” ) ( gemeinsam mit Fritz Widhalm )
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Hinweis :” ALLES, WAS LANGE WÄHRT , IST LEISE . Des Verwicklungsromans siebenter Teil“ ist soeben . im Verlag “das fröhliche wohrnzimmer” erschienen
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