||| RSS- READER UND DIE GUTE ALTE ZEIT | GOOGLE+ STATT GOOGLE READER | UNMUT UND ZUKUNFT | UPDATE
Wo doch die Zeit in den timelines von Facebook und Twitter in rasenden Sekunden und schnelldrehenden Statusmeldungen , Nachrichten oder Nichtigkeiten vergeht , bleibt das diskrete Tool des RSS- Feeds weitest gehend ein Werkzeug des Hintergrundes .
Und wirklich ist das praktikable Abonnement von sog. “feeds” von Blogs durch einen sog. “feed- reader” ein archivalisches Goodie , welches – nett nach Themenordnern und schön nach Alphabet sortiert – ermöglicht , interessanten Lesestoff zu stapeln . Damit ist zuerst mal der Stress weg , ja nicht einen für uns relevanten oder interessanten Artikel eines der abonnierten Blogs zu verpassen .
Anderseits kann man sich anhand der im RSS- Feed aufgelaufenen Postings eines gewissen Blogs schnell einen ganz guten Überblick verschaffen . Nicht zuletzt fungieren auch Portale wie litblogs.net auf der Aggregation der Feeds der beteiligten Blogs .
Der RSS- Reader fungiert damit auch als Archiv und gewährt dem User eine von den anderen Info- Diensten hart umkämpfte Ressource : nämlich Zeit … selbst dann , wenn ( hier der aktuelle Befund meines FeedDemon ) die Anzahl der aufgelaufenen und ungelesenen Postings den Gebrauch eines panic button nahelegt .
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GOOGLE+ STATT GOOGLE READER
Wenn jetzt der Google- Konzern im Rahmen einer “Fühjahrsputz“- Verlautbarung den beliebten RSS- Reader ( Google- Reader ) Ende Juni zu schliessen
droht ankündigt , bedeutet dies weit mehr als “nur” ein Ärgernis für bisherige Nutzer dieses Tools , die ihre Abos nun in andere Feed- Reader umschaufeln müssen .
Systemisch ist diese Schliessung des traditionellen Abonnement- Dienstes nicht zufällig mit der jüngsten Forcierung des Google+-Netzwerks vergemeinschaftet , welches nach dem Muster von Facebook “Freunde” versammelt , diese nach Interessens- oder Lebensbereich in “circles” einteilt und alles Mögliche – seien dies nun Statusmeldungen , Hinweise und Zurufe – ebenso in eine einer timeline vertickert wie dies bei den anderen Mikroblogdiensten Twitter und Facebook geschieht . Das tönt dann etwa so : “Neu ! Chatten Sie mit Ihren Kreisen“.
Die Message dieses Paradigmen- Wechsels ist klar : Inhalte sollen – statt in einem geduldigen Archiv bis zur Lektüre auf Stapel zu liegen – jetzt schnelldrehend in den Schlund des Google+- Tickers eingespeist werden . Neben wenigen anderen Vorteilen ist es vor allem die Tatsache , dass Google+- Inhalte googlebar sind , welche die Plusser anzieht .
Dass die Applikation in Wahrheit aussieht wie ein aus der Konkursmasse von Google Wave ( 2009 – 2012 ) zusammengeklaubtes Anwendungscluster , ist eine andere Geschichte .
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UNMUT UND ZUKUNFT
Die Reaktionen liessen natürlich nicht auf sich warten : Hatte Martin Weigert im Blog netzwertig gestern noch eingeräumt , dass die Abschaltung des Lieferdienstes für “viele gut organisierte Blogger und Professionals mit hohem Informationsbedarf [ ... ] ein herber Schlag” sei , welcher letztlich auch ihn selbst treffe , gibt er zu , dieses Schicksal als Chance für eine künftig grössere Distanznahme zum Monster- Monopolisten zu nutzen .
Dass viele User dies nicht so sehen erweisen die Ziffern , die der Autor heute bringt :
Doch die mehr als beeindruckende Resonanz auf das angekündigte Ende des Readers lässt keinen Zweifel daran, welchen Stellenwert des RSS-Tool für hunderttausende Blogger, Journalisten und andere Individuen mit einem besonderen Informationsbedürfnis besitzt. Kaum ein namhaftes Tech-Blog im deutsch- sowie englischsprachigen Raum, welches den Entschluss von Google gestern nicht thematisiert und bedauert hat. Mehr als eine Million Erwähnungen des Begriffs “Google Reader” bei Twitter innerhalb von weniger als zwei Tagen. Über 87.000 Unterzeichner einer Petition gegen die Schliessung.
Wo der Google- Reader , so justiert Weigert seine Position heute nach , eine Lücke in die etwas verdorrte RSS- Reader- Landschaft risse , würden sich neue Räume für frische Anwendungen , Applikationen und Aktionen auftun . Die könnten , so sie sich bewährten , dann durchaus bisschen was kosten .
Der Netzjournalist Günter Hack indes sieht – und dürfte mit dieser Perspektive nicht alleine stehen – in Googles Paradigmenwechsel einen “Schlag gegen das freie Web” : Zwar stelle das RSS- System einen wesentlichen thread des “freien” Netzes dar doch habe das Format in jüngerer Zeit “stark an Relevanz verloren”. So wie wir auch in|ad|ae|qu|at oben vermuteten stellt auch Hack einen kausalen Konnex zwischen akuter RSS- Müdigkeit und dem Boom der Beschleunigung via Twitter und Facebook her , welche “die alte Blogosphäre planiert haben”* :
Schuld daran ist der Boom der Sozialen Netzwerke, vor allem von Twitter. Twitter ist schneller als die zuweilen träge RSS-Infrastruktur und wird daher besonders von Kommunikationsprofis geschätzt. Es kann aber RSS nicht ersetzen, ist zu schnell und unübersichtlich, und vor allem proprietär.
Hinsichtlich der Metadaten- Abzockerei , wie sie Google , Facebook und Twitter gleichermassen betreiben setzt auch dieser Beobachter auf eine “next generation” von “konnektionistischen” Konfigurationen :
Vielleicht gibt der Tod des Google Readers endlich den notwendigen Impuls zur Durchsetzung des überfälligen freien RSS-Nachfolgers. Dafür muss man dem Konzern schon fast wieder dankbar sein.
Die Parallele der Argumentationslinien ist offenbar : Man sollte ja schliesslich stets das Positive in jeder Katastophe im Wasserglas von Bloggershausen sehen .
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UPDATE
Während die Online-Petition für den Erhalt binnen weniger Stunden von 120.000 Unterstützern signiert wurde , wächst das Rettende auch und der Bookmark- Dienst digg kündigt an , einen neuen RSS- Reader aus dem Boden stampfen zu wollen : dabei soll dezidiert das “heutige” Internet abgebildet werden , c’est à dire : mit Subskription von Facebook- Feeds etc . Inzwischen erörtert Michael Mahemoff im Tech- Blog gigaom frei nach Jeff Jarvis‘ Strategie- Mantra WWGD ( What would Google do ? ) , dass das Abschalten des Google Readers längst vorauszusehen war . Ein Konzern wie Google , dessen Primat eindeutig in der fortschreitenden Innovation liege , könne und wolle sich tote Äste nicht leisten , selbst wenn diese auf hohem Niveau stagnierten . Die frei werdenden Potenziale sollen – wie wir in|ad|ae|qu|at vermuteten – u. a. Applikationen wie Google+ zugute kommen .
UPUP- Date
Während #googlereader heissläuft und ein mit emoticon- mässig eingesetzten tierbildern illustrierter abgesang ins reich der meme vordringt , berichten auch deutschsprachige medien wie spon , apa , futurezone …
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LINKS
- Das Ende des Google Reader ist traurig, aber zu begrüßen , Martin Weigert @ netzwertig , 14. 3. 2013
- Nach dem Reader- Drama : Google und die geheimnisvolle Spezies Mensch , Martin Weigert @ netzwertig , 15. 3. 2013
- Googles Schlag gegen das freie Web , Günter Hack @ FM4.ORF , 14. 3. 2013
- MICRO | -NOTE | -QUOTE : Ego- Routine , in|ad|ae|qu|at , 29. 9. 2010
- Bloglines’ Grounding , in|ad|ae|qu|at , 20. 9. 2010
- “Spiegel Online” : Nonsense- Poesie aus dem RSS- Reader , in|ad|ae|qu|at , 7. 8. 2010
- * hierzu czz : Blogliteratur: Medium oder Message? Am Beispiel der Plattform litblogs.net – Literarische Weblogs in deutscher Sprache – In : Meri Disoski, Ursula Klingenböck, Stefan Krammer (Hrsg.): (Ver)Führungen . Räume der Literaturvermittlung – Innsbruck : Studienverlag 2012 , S. 84-104 (=ide extra , Bd. 19)
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ad FeedDemon: Da auch dieser mit Google Reader zusammen spielt hat der Autor das Ende der Entwicklung angekündigt, siehe:
http://nick.typepad.com/blog/2013/03/the-end-of-feeddemon.html
synchronisiert man NICHT mit Google dann kann man Feeddemon zwar weiter benutzen, es werden aber definitiv keine neuen Versionen mehr erscheinen.
Rätselhaft ist mir, weshalb einige Kommentatoren dazu raten, generell von RSS-Feeds auf Twitter umzusteigen. In keiner Weise sind die Inhalte der zahllosen RSS-Feeds auf Twitter abgebildet, zudem muss man die passenden Twitter-Accounts, die das eigene Leseverhalten bedienen, erstmal auffinden…
… nun , das sind ja schlechtmeldungen auf ganzer linie und hängen vermutlich mit der mangelnden monetisierbarkeit der feed- reader zusammen . als würde sich twitter “auszahlen” … ! – wobei bei diesem mikroblogdienst zweifellos das datenkapital goldes wert ist .
derweil bleiben wir bei der vermutung , dass hier um die ressource “zeit” gerungen wird : mit dem RSS- reader lassen sich – quasi on demand – stunden verbringen : ein zeitkapital , welches die streamer , kürzeler und knapper kapern zu wollen scheinen –
konkret stellt sich die frage des “wie weiter ?” , welche auch der von Ihnen zitierte Nick Bradbury – seines zeichens FeedDemon- entwickler – derzeit auch nicht wirklich schlüssig beantwortet -