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||| ARTMANNS AUDITIVES PASTCHE | ROBERT WALSER , ZWIEFACH SPAZIEREND | KLANGAPPARAT

czz icon listening black smWas bei Blätter- Büchern durchaus üblich ist – nämlich die Reedition von Klassikern oder Erfolgstiteln unter neuem Cover oder als Taschenbuch – , wird selbstredend auch von den Hörbuch- Verlagen betrieben . Sondereditionen zu vergünstigten Preisen oder unter speziellen Serientiteln sind gang und gäbe : Im Beobachtungsmodus einer longue durée kann man gewissen Werken und Einspielungen förmlich alle drei bis fünf Jahre untr frischem Bildchen wiederbegegnen .

Was – wie bei den Jubiläumsausgaben von Robert Walsers “Spaziergang” bei HörbucHHamburg und der Deutschen Grammophon – fraglos würdig ist und recht , mag sich dem Endverbraucher velleicht nur nicht immer so klar darstellen . In beiden Fällen signalisieren die Verlage tadellos die Neuauflage , was vielleicht nicht immer und überall in dieser nötigen Explizitheit geschieht . Das Hörbuch ist – bei allem Respekt vor der komplexen rechtlichen , betrieblichen und herstellungstechnischen Kostenarchitektur – mit durchschnittlich 20.- bis 30.- Euro ein zu teures Gut , als dass der gutgläubige Kunde hinters Licht geführt werden dürfte .

Der kleine Wiener Mandelbaum- Verlag schöpft dahingegen den möglichen Kostenrahmen maximal aus : Die graphisch und produktionstechnisch ausgesprochen aufwendig und liebevoll gestaltete “Bibliothek der Töne” zehrt fraglos von mannigfaltigen freiwilligen Mehrleistungen der Verlagsmitarbeiter , Gestalter und Künstler : Mit H. C. Artmanns “dracula , dracula” ist ein grossartiger Coup der produktiven Wechselrede zwischen unterkühltem Textwitz und überbordender musikalischer Spielfreude geglückt .

Strukturell stehen beide einander hinsichtlich Zitierfreude und Lust am Genre wenig nach . Für den Text des Jahres 1966 wie für die aus Improvisation und Live- Zusammenklang entsprossene Musik sei der Begriff des Samplings im besten Sinne verwendet .

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ARTMANNS AUDITIVES PASTCHE

czz icon listening white sm Wenn poésie pure und vollblütig vorwärtsdrängende Musik aneinandergeraten , muss dies nicht notwendig zum Vorteile Ersterer gereichen . Nun ist aber des 2000 verstorbenen österreichischen Dichters H. C. Artmann poetisches Werk kein ätherisches Wesen , sondern seinerseits ein munterer Mix aus Stilen und Genres des Hohen und Trivialen mit Anleihen aus Barock und Pulp , Trivialmythen und sonderlichen Idiomen .

Die anhaltende Begeisterung , welche die “Frankenstein!!“- Bearbeitungen ( 1970 / 1979 ) des Komponisten Heinz Karl Gruber erfahren , erweist , in welchem Masse es eines potenten Gegenübers bedarf , um Text und Musik je eigenberechtigt auszutarieren . Mit Peter Rosmanith , Georg Graf , Otto Lechner und Adula ibn Quadr sind an Spiel- und Zitierkunst Ebenbürtige zur Stelle , dem Artmannschen Schauerroman “dracula dracula” ( 1966 ) Paroli zu bieten . Ist mit dem Titel das Sujet hinreichend signalisiert , bleibt der mäandernde Verlauf eines Erzählflusses zu nennen , welcher mit jeder Biegung frische Genre- Samples aufnimmt : Bram Stoker , E. A. Poe und Jules Verne , balkanische Schnurren , vorgebliche Mythen und aberwitzig “huzulisch” gehaltene Reden .

Die zumeist an den ungerade getakteten Musikformen Mittel- und Südosteuropas orientierten Ensemble-Kompositionen treten quasi in Wechselrede zu dem von Erwin Steinhauer ebenso diskret wie heimtückisch intonierten Text . Herzzerreissend einsame Kantilenen wechseln mit erregend synkopierten Tänzen und Ausläufern des Guča- Brass . Im Arrangieren des Unvorhersehbaren im Poetischen hat H. C. Artmanns “dracula dracula” mit Peter Rosmaniths polysonoren Kompositionen seinen waschechten Widerpart gefunden : So aufregend und wenig blutleer begegnet man dem Herrn von Nosferatu sonst selten .

Ausführliches Booklet und gediegene grafische Ausgestaltung ( Linda Wolfgruber ) setzen die Reihe audio- bibliophiler “Klangbücher” des Wiener Mandelbaum- Verlags transsylvanisch fort .

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ROBERT WALSER , ZWIEFACH SPAZIEREND

czz icon listening black sm Demonstrativ tändelnd hebt Robert Walser seinen “Spaziergang” an ; aus seiner Klause ins Helle eines ereignis- und eindrucksreichen Tages tretend , kommt er in der 1917 als Buch erschienenen Erzählung erst nach dem Herabsinken der Nacht im heimatlichen Schreibzimmer ans Ziel .

Das Kleine , Lichte, Vergängliche sind des Poeten Inspiration , besonders , wo sie als Kinder , Tiere oder in Form fragiler Fräulein noch nicht den Stempel tragen einer prunksüchtigen “Kultiviertheit” , deren Rituale dem davon ausgeschlossenen Dichter seinerseits befremdlich bleiben . Die fingierte Absichtslosigkeit des Spazierens zeitigt einen scheinbar Selbstvergessenen , der seine Umwelt mit warmer Innigkeit studiert .

Indes ist sich der Beobachtende stets dessen bewusst , dass es eigentlich der Spazierende ist , welcher als möglicher Tagedieb unter bürgerlicher Beobachtung steht . Gleichwohl gilt es eine Reihe von Erledigungen zu absolvieren , die sich kaum ins Bild des distanzierten Flanierens fügen : Vorsprachen bei Bank , Tailleur und Steuerbeamten geben hinsichtlich des ökonomischen Bodens , auf welchem dieses Dichterleben steht , hinreichend traurige Auskunft . In scheinbar naiver Vertrauensseligkeit entwickelt Walser nichts Geringeres als eine Poetologie des Spaziergangs ( und damit seiner Dichtung ) , welche selbst noch für den nachgelassenen Räuber“- Roman gültig ist .

Mit den Neuausgaben von zwei Einspielungen der Erzählung bieten sich zwei profilierte Interpretationen dem direkten Vergleich . Gibt der grosse deutsche Rezitator Gert Westphal ( Deutsche Grammophon ) den in Gedanken und Selbstgesprächen versunkenen Sonderling in gar jovialer Spitzwegscher Manier , gestaltet der Schweizer Fritz Lichtenhahn ( HörbucHHamburg ) die melodischen Denk- und Sprechbewegungen des Spaziergängers gleichsam inwendig : Bereits aus der Deutschschweizer Eigenart , die Stimme bei Satzende nicht zu senken , sondern im Gegenteil zu heben , erhält der Text eine wesentlich skeptische Note .

Robert Walser , solcherart einer von aussen zugesprochenen Drolligkeit ledig , dankt dies durch die unerhörte Gegenwärtigkeit seines bewegenden Textes .

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KLANGAPPARAT

Einen nachgerade sensationellen Sample- Arbeiter vor dem Herrn [ ?! Der Setzer ] stellt Sonic Walker ins czz-hoerempfehlungverdiente Rampenlicht : Der in Oregon lebende Kalifornier sea.envy aka Clayton Brooks assembliert nicht einfach Playlisten und fummelt die taktischen Brücken irgendwie zurecht , sondern nimmt vorgefundene Sounds wie Ton förmlich in die Hände und schmiegt sie zu neuen – dramaturgisch zwingenden – Klanglandschaften um . Dies Alles geschieht auf einem enormen Level an Intuition und Intensität , gestattet sich gleichzeitig diskrete Auslotungen der Ränder des stereophonen Spectrums . Sein “Project 42Zero” ( = sonic walker mix 090 ) ist schlicht umwerfend . Lange nichts mehr in dieser Dichte und Differenziertheit gehört .

CLICK LINK TO SEE PLAYLIST AND LISTEN .

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