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Svenjas_BookChallenges
vor 1 Woche
(3)Die Tochter des Malers von Gloria Goldreich stand schon auf meiner Wunschliste, als mich der Aufbau Verlag fragte, ob ich den Roman nicht vorab lesen und anschließend rezensieren wolle. Natürlich habe ich zugesagt und möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich beim Verlag für das Rezensionsexemplar bedanken, das mir wirklich ein paar traumhafte Lesestunden beschert hat.
Cover und Klappentext haben mich an Anne Girards Roman Madame Picassoerinnert, den ich ebenfalls vor nicht allzu langer Zeit gelesen habe. Schon nach den ersten Seite habe ich jedoch gemerkt, dass die beiden Geschichten sich grundlegend voneinander unterscheiden. Während in Madame Picasso der Fokus auf dem Liebhaber Picasso und seiner Liebe zur Eva liegt, zeichnet Goldreichs Roman ein eher unsympathisches Bild von Marc Chagall und porträtiert die Beziehung zwischen ihm und seiner Tochter Ida.
In die Geschichte selbst habe ich mich gut eingefunden und zunächst fand ich die Titelheldin, Ida Chagall, auch sehr sympathisch. Sie hat mir imponiert, denn sie ist nicht nur unglaublich schön und anmutig, sondern vor allem stark, tough und durchsetzungsfähig. Diese Charakterzüge haben allerdings eine Grenze und die heißt Marc Chagall. Ida stellt seine Bedürfnisse und Wünsche von Anfang an über ihre eigenen und baut ihr Leben praktisch um ihn herum. Sie ist nicht unbedingt ein verwöhntes Vatertöchterchen, sondern steht eher in einem ziemlich abstrusen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm. Sie braucht es, sich um Marc selbst und seine Belange zu kümmern, so wie er das voraussetzt und gleichzeitig ebenso abhängig von seiner Tochter ist.
Manchmal fiel mir das Lesen richtiggehend schwer, denn Marc Chargall ist ein so unangenehmer, narzistischer und arroganter Zeitgenosse, dass man Ida am liebsten schütteln und ihr zurufen möchte: Lass den alten Sack und kümmer dich endlich mal um dich! Mit seiner Arroganz und Selbstverliebtheit bringt der große Marc Chagall seine Familie immer wieder in Gefahr und riskiert sogar, von den Nazis deportiert und ermordet zu werden, nur um sein geliebtes Paris nicht verlassen zu müssen. Ida ist diejenige, die sich um alles kümmert, die kämpft und dafür ihr eigenes Glück aufs Spiel setzt. Das ist sehr bewundernswert, obgleich ihre Obszession für ihren berühmten Vater desto unverständlicher und krankhafter wird, je weiter die Geschichte fortschreitet.
Anders als der Klappentext vermuten lässt, ist das zentrale Thema in Die Tochter des Malers nicht die Liebe zwischen Ida und Michel. Die Geschichte beschäftigt sich vielmehr vor allem mit der Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater Marc von ihrem 18. Lebensjahr an bis ins mittlere Alter. Sie begleitet die Familie Chagall von Paris nach Amerika und wieder zurück und zeichnet dabei auch das faszinierende Bild einer Epoche von großen Künstlern. Bei all dem hat mir allerdings der Fokus gefehlt, was auch daran liegt, dass Goldreich sich nicht allein auf Idas Perspektive beschränkt, sondern auch die ihres Vaters, ihrer Mutter, die von Michel und anderen Charakteren mit einbezieht. Das ist einerseits interessant, da man so auch Einblick in die Gefühle und Gedanken der anderen Personen erhält, hat allerdings auch zur Folge, dass man sich als Leser nicht so sehr mit Ida als Protagonistin identifizieren kann, wie ich es mir gewünscht hätte.
Wie bereits gesagt, konzentriert sich Goldreich auf das Leben der Familie Chagall von 1935 an bis in die 1950er Jahre hinein. Dabei schweift sie oft ab, nimmt Bezug auf das Zeitgeschehen und geht auch auf andere Familien und Belange ein, die für die Geschichte nicht wirklich von Bedeutung sind. Das hat mich manchmal gestört und dafür gesorgt, dass mir der Roman etwas zu langatmig vorkam. An anderer Stelle wiederum fand ich die detailreichen Beschreibungen sehr gelungen. Besonders gut gefallen haben mir außerdem das Setting im künstlerischen Paris und modernen New York, der angenehme Erzählstil und die Darstellung von Marc Chagall. Ich finde es sehr sympathisch, dass Goldreich seine Person nicht romantisiert hat, sondern ihn als den Menschen abgebildet hat, der er war - genial, aber auch kompliziert und selbstverliebt. Bisweilen hat man Mitleid mit Ida, die zwar selbstbewusst und stark ist, zeit ihres Lebens jedoch in Konkurrenz mit der von ihrem Vater so geliebten Kunst steht und ständig um seine Aufmerksamkeit buhlt.
Insgesamt ist die Geschichte von Ida und Marc Chagall wirklich interessant zu lesen, da sie den Werdegang eines jüdischen Künstlers abbildet, der vielen Widrigkeiten im Leben trotzen musste und dadurch gelernt hat, sich auf seine Tochter zu verlassen. Marc Chagalls Leben war ein Leben der Schönheit - diese stand für ihn immer an oberster Stelle, während Ida sich merklich mehr gewünscht hätte. Schockiert hat mich manchmal, dass seine Tochter und überhaupt seine Familie ihm so gleichgültig zu sein schienen, während seine Kunst ihm alles bedeutete. Marc Chagall ist nicht unbedingt jemand, den ich gerne getroffen hätte und hätte ich mir trotz allem Unverständnis ein erfüllteres Leben für Ida gewünscht, für die man am Ende vor allem Mitleid empfindet.
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