"Denn das Wiedererkennen ist erquicklicher als jede Theorie."
Der deutsch-schweizerischer Autor, der in St. Gallen, London und Zürich Ökonomie und Philosophie studierte und über das literarische Werk Thomas Manns promovierte, arbeitet nebenbei als Kolumnist für Zeitschriften und Literaturkritiker für den Schweizer „Literaturclub".
Zum Inhalt: Der Schriftsteller Oskar Canow lebt in der Züricher Gesellschaft der Reichen und Schönen, in der „die Gesichter mit Hyaluronsäure frisch gehalten werden und Klatsch das Grundnahrungsmittel darstellt.“ Da liegt es auf der Hand, dass man neben seinem Äußeren auch sein Inneres perfektionieren will. So entschließt Oskar sich zu einer Therapie, aber nicht für sich, sondern für seinen Freund Viktor, den Konflikte mit seiner Ehefrau Mildred plagen, der aber aus einer Leidenschaft zur Schauspielerei am Theater keine Zeit hat, sich dieser Probleme in ausreichendem Maße anzunehmen. Doch kann diese Scharade gutgehen?
Meine Meinung: Die Ansichten zu diesem Roman werden – was man unschwer an den bisherigen Bewertungen erkennen kann – sehr kontrovers ausfallen, um es mit den Worten von Lauren (Oskars Ehefrau) zu sagen „either you’ll like it or you won’t, Chickie!“ LOL Nun für mich ist es eine Mischung aus Beidem, d.h. die eine Hälfte des Buches (besonders der Anfang und das Ende) fand ich sehr interessant zu lesen. Ich habe mir auch sehr viele Stellen im Buch angestrichen: „Je mehr wir bedauern, wie wir nicht gelebt haben – also je höher der Anteil ungelebten Lebens an unserem Dasein ausfällt –, desto mehr fürchten wir den Tod.“ oder auch: „Ironie ist die weltlichste Form der Transzendenz überhaupt, doch zugleich hinausweisend über die Welt, darinnen liegt ihre Spiritualität.“
Die andere Hälfte bzw. der Mittelteil war leider ermüdend und anstrengend. Hier führte u.a. ein Vortrag über „Kreativität in der Psychologie“ in seiner theoretischen Analyse zu weit weg von der Kernhandlung, und es erschloss sich mir absolut nicht, was der Autor dem Leser überhaupt damit vermitteln wollte. Es wirkte auf mich fast so, als solle der Leser einfach über Psychologie belehrt werden oder als wolle der Autor sein Wissen darüber loswerden.
Was lustig und als Satire begann, wurde also im Mittelteil zu einer Art Vortrag, d.h. egal, ob Schilderung oder Dialog, alles klang gleich (alle Figuren sprachen wie der Erzähler und man spürte somit den Autor dahinter), wobei es jede Menge Infodump gab. Der Leser wurde einfach mit zu vielen „theoretischen Worthülsen“ erschlagen, deren Bedeutung sich ihm selbst bei höchster Konzentration nicht erschloss, und teilweise wurde er mit psychologischem Spezialwissen überfordert. Verwirrend fand ich auch die Tatsache, dass die Gedanken von Oskar ebenfalls in Anführungsstrichen standen, v.a. wenn dies zwischen Dialog der Fall war.
Nach einem ermüdenden und tw. langweiligen Mittelteil tröstete der Schlussteil über diese Anstrengung etwas hinweg und der Kreis zum Anfang schloss sich sehr schön. Auch der letzte Satz brachte alles knackig auf einen Punkt: „Denn das Wiedererkennen ist erquicklicher als jede Theorie.“ Dies greift auf etwas zurück, das bereits zuvor erwähnt wurde, und liefert nun die Erklärung, frei nach dem Motto: „So meine lieben Leser, ich habe euch nun über 300 Seiten lang mit Theorie gequält, aber das zählt alles gar nicht, sondern es geht allein darum, sich im anderen wiederzuerkennen, d.h. es geht schlicht und einfach um die Liebe, um lieben und geliebt zu werden. :-)
Fazit: Ein kontroverser Roman, dem ich gemischte Gefühle entgegenbringe: einerseits gefiel mir die Sprache, und ich hatte an vielen Stellen (besonders Anfang und Schluss) sehr viel Spaß am Lesen, doch der Mittelteil überfrachtete und tw. überforderte mich mit leeren, theoretischen Worthülsen und machte das Lesen zur anstrengenden/ermüdenden Tortur. Was nutzt Sprache auf hohem Niveau und eine gute Romanidee, wenn der Leser nicht versteht, wovon der Autor spricht, selbst, wenn es angeblich auf diese Theorie gar nicht ankommt? Ein Roman mit Höhen und Tiefen, daher nur 3 Sterne.