Rezensionen 2007
Manfred Schullian, Die Essenz der getrockneten Tomate
Bozen: Raetia Verlag 2007
Trockenfrüchte und böse Weiber
Geschichten von Manfred Schullian
Schullians Buch beinhaltet drei Geschichten mit ähnlichen Themen. Es geht um Mann und Frau, um Neid und Eifersucht und um Einsamkeit. In der Titelgeschichte wird der Leser in das Selbstgespräch eines vereinsamten, mittelmäßigen Musikers verwickelt, in dem er Erlebnisse und Begegnungen in seinem Leben Revue passieren lässt. Immer wieder führt die Erzählung zu einer bestimmten Frau, die sein Leben hätte verändern können, wie der Protagonist meint, hätte er sich damals nur anders verhalten. Näheres erfährt man zu dieser Frau nicht, im Grunde dreht sich die Erzählung bald immer nur um dieselben Erlebnisse und rührt sich nicht vom Fleck, was jene Leser, die lange Sätze und Wiederholungen nicht schätzen, verstimmen könnte.
Mit „Der Fluch der Rosinen“ setzt Schullian fort, die getrocknete Tomate klingt einem noch im Ohr und man ist gespannt, wie es um diese Trockenfrüchte steht. In dieser Erzählung dreht Schullian die Zeit weit zurück und plötzlich gibt es wieder böse, hässliche Ehefrauen, die ihre Männer hassen und sie deshalb hinterlistig mit einer Rosine ihrer ewigen Jugend berauben und sie zugrunde gehen lassen. Man ist sich nicht ganz sicher, ob es sich hier um ein Märchen, um eine böse Satire oder um eine Horrorgeschichte handelt.
Auch die dritte Erzählung dreht sich um eine Frau mit „bitterbösen“ (S. 158) Zügen und ihren unterdrückten Ehemann. In „Des Küsters Schuppen“ braucht man sich, wie der Titel schon verrät, um den Tod des Genetivs keine Sorgen zu machen. Schullian verwendet ihn in dieser Geschichte so oft, dass man sie vielleicht in ein Schulbuch aufnehmen sollte, um den Schülern die Bedeutung und Funktion des Genetivs ein für alle mal einzubläuen.
Der Autor erklärt in dieser wohl stärksten Geschichte des Bandes in einem Kommentar so etwas wie ein Schreibkonzept, das auch auf die vorangegangenen Erzählungen passt.
Noch einige Figuren gibt es in dieser Geschichte, einige Charaktere, sie tauchen auf, unvermittelt, und verschwinden wieder im Nichts, je nach Bedarf und dem Fortgang der Geschichte dienend, ihrer Dynamik gehorchend und noch unbestimmt, so wie die Geschichte selbst unbestimmt ist und vage Konturen erst annehmen muss und Farben, sich erst füllen muss mit Rede und Gegenrede, mit Frage und Antwort, mit Blicken und Gesten. (S. 135)
Wie schon in „Der Fluch der Rosinen“ fragt man sich aber doch, in welcher Zeit diese Geschichte wohl spielen mag. Auf jeden Fall in einer Zeit, in der ältere Männer, junge hübsche Mädchen mit denen sie flirten wollen, mit „Mein Kind“ ansprechen und die jungen Fräulein daraufhin zu lispeln beginnen (S. 150).
Hat man diese Irritationen überwunden, steigt ganz unvermittelt die Spannung. Plötzlich fesselt einen diese Erzählung, die sich zu einer Kriminalgeschichte entwickelt hat. Am Ende gibt es sogar noch eine Leiche und keiner will es gewesen sein.
An Schullians Erzählungen verwundert manchmal die Klischeehaftigkeit, mit der er die boshaften Xanthippen, die unterdrückten, gutmütigen Ehemänner und die wunderschönen, jungen Frauen und Männer beschreibt. Als Leser fragt man sich auch, warum die Handlungen mittels Wiederholungen und langen Satzkonstruktionen oft derart in die Länge gezogen werden, was vielleicht nicht immer nötig ist.
Auf das nächste Buch Schullians darf man auf jeden Fall gespannt sein, erkennt man doch in den Geschichten die große Phantasie des Autors, die sich sicher auch für einen Roman eignet.
Gabriele Wild