Rezension 2009

Elias SchneitterÖsterreich. Karl. Erzählungen
Innsbruck: Skarabaeus, 2008, 92 Seiten

Der Herr Karl lebt. Elias Schneitter hat ihn in seinem neuen Erzählband auferstehen lassen. Da heißt er zwar nicht Karl (nur der Freund des Protagonisten der ersten Erzählung „Tausend Jahre Österreich“ heißt so), sondern Richter Schorschi, aber sonst hat er eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Qualtinger Vorbild. Auf gut Wienerisch ein Raunzer sondergleichen, ein notorischer Nörgler, einer, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt und sagt, was Sache ist. Einer, der als erstes bei anderen die Schuld sucht, und dann vielleicht erst bei sich selber, wenn überhaupt, einer, der sich als Entwicklungshelfer tituliert, wenn er für ein schnelles Sexabenteuer nach Thailand fliegt, sich als Sparefroh sieht, wenn er Übernachtungsgelder durch diverse Affairen gespart hat, und der mit seinen Vorurteilen nicht lange hinter dem Berg hält, sei es über die „Neger“ oder die „Bloßfüßigen vom Balkan“ . Einer, der schnell den „Adi“, also Adolf Hitler, mit Bruno Kreisky vergleicht, der meint, dass die Wiener zwar drei Türkenbelagerungen abwehren konnten, aber leider von der vierten überrollt wurden, und der gegen die Sozialschmarotzer wettert.
In der zweiten Erzählung „Ruhe sanft im Trommelfeuer“ geht es um Walter, der sich gesellschaftlich nicht wirklich anpassen kann, der gerne mit Waffen spielt und Gewaltphantasien hegt, einer, der mit Hitlerfahne, Stahlhelm, Kriegsabzeichen und Kriegsbüchern ausgerüstet jeden Moment zu explodieren droht. Sein Stolz: eine 100-Kilogramm-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Während des Lesens wartet man nur darauf, dass er Amok läuft. Einer, dem wirklich nichts in die Wiege gelegt wurde, der sich so durch das Leben, den Alltag laviert und die Tage hinüber zu bringen versucht - ein tristes Leben zwischen Suff, Gewalt und Frauen.
Die dritte Erzählung „Hoher Wellengang“ handelt von einem Bediensteten auf einem Kreuzfahrtschiff und erzählt dessen Erlebnisse. Wie sie zu den beiden vorherigen Erzählungen passt, bleibt offen. Eines ist jedenfalls sicher, tauschen möchte man mit keiner der Figuren.
Das Buch hält, was es am Cover vorwitzig verspricht. „Geschichten vom kleinen Mann, dessen Lebenswidersprüche Schneitter in seinem typischen lakonischen Humor, dabei aber stets einfühlsam und respektvoll beschreibt.“ Elias Schneitter bedient im Galopp alle Klischees, überzeichnet in der Kürze die Figuren, vor allem die des Richters Schorschi, wobei während des Lesens das Schmunzeln im Gesicht des Lesers immer größer wird und man aus dem Staunen über die angeführten Episoden nicht herauskommt. Ein bisschen weniger wäre vielleicht mehr gewesen. Aber seien wir ehrlich, haben wir uns in der U-Bahn nicht schon oft umgedreht, weil wir, ein Gespräch zwischen zwei Fahrgästen belauschend, gedacht haben, den Herrn Karl gibt es wirklich?

Petra Paumkirchner