In nicht einmal 23 Jahren, im Jahr 2033, werden wir Zeugen einer Zeitenwende. Dann nämlich wird sich die Machtergreifung Hitlers zum hundertsten Mal jähren. Wo werden wir dann, ohne Zeitzeugen und mit noch mehr Hitler-Biografien, angekommen sein?
Zuallererst wird die 33 eine ganz normale Jahreszahl sein. Die Zahl des Jahres eben, in dem wir gerade leben, die wir mehrmals täglich von unseren Armbanduhren und Handys ablesen. Die Zahl, die wir an die Enden von Dokumenten schreiben, bevor wir unsere Unterschrift daneben setzen. Die “böse 33” wird endgültig Geschichte sein. Nicht etwa, weil sie ihren Schrecken verloren hätte, sondern – viel banaler – weil sie überrundet worden ist.
Fraglos, wir werden es nicht versäumen die historische Dimension des 30. Januar 2033 zu reflektieren: Jedes Feuilleton wird über Hitler schreiben, er wird grimmig von Magazincovern starren. Vorausschauende Verlage werden pünktlich zum Jahreswechsel, oder kurz davor, mit einer weiteren Biografie des Mannes aufwarten.
Schwerlich wird sich darin Neues finden, die Auflagenhöhe dürfte das jedoch nicht schmälern. Hitler sells. Es ist anzunehmen, dass das auch 2033 noch gilt.
Warten auf den Jubiläums-Diskurs
Die Auseinandersetzung indes wird eine andere sein. Die letzten Zeitzeugen sind verstummt. 100 Jahre nach der Vereidigung Hitlers als Reichskanzler, wird sich kein einziges Opfer des Nationalsozialismus mehr zu Wort melden können. Für die Deutschen ein Lakmustest.
Werden wir – wie wir es uns und der Welt versprochen haben – die Erinnerung an das größte Verbrechen der Moderne wachhalten? Oder werden wir versuchen, uns im Windschatten der neuen 33 aus der Verantwortung zu stehlen?
2033 wird sich zeigen, ob es bei einem effekthascherischen “Jubiläums-Diskurs” bleibt, der auf Titelseiten ausgetragen, und im Jahr darauf wieder vergessen ist. Oder, ob wir die Herausforderung annehmen, und mit aller Kraft daran arbeiten, den Nationalsozialismus und seine Ursachen und Folgen zu analysieren.
Damit wir jede Tendenz in eine ähnliche Richtung erkennen und unterbinden können. Denn letzlich ist es egal, wer da Geschichtsrevision betreibt: die Ewiggestrigen, oder die, die das Gestern gründlich vergessen haben.
Angesichts einiger jüngst öffentlich vorgetragenen Bemerkungen unter dem Motto das wird man ja wohl noch sagen dürfen, sollte man anfügen: Deutschland sollte keine 23 Jahre warten, um sich zu seinem aufklärerischen Versprechen zu bekennen.
5 Kommentare zu
https://berlinergazette.de/sarrazin-letztes-wort
Wenn 1933 gar nicht der Einschnitt war, als der er präsentiert wird, wie sollen wir dann damit umgehen?