Sie sind lästig, unnütz und keiner braucht sie: Schwarze Balken über, unter oder neben dem Bild auf dem Fernseher. Doch Breitbildgeräte mit einem Format von 21:9 können Kino-Blockbuster demnächst im Original-Format in unsere Wohnzimmer bringen. Bei schmaleren Inhalten bleibt ein schwarzer Rand – der jedoch für interaktive Inhalte genutzt werden kann. Ein Computergenie aus Deutschland tüftelt im Silicon Valley daran, all das möglich zu machen. Berliner Gazette-Redakteurin Sarah Curth berichtet.
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Wenn wir um 20:15 Uhr die Flimmerkiste anschalten, dann starren wir gebannt auf die bewegten Bilder, die der schwarze Kasten (oder die flache Scheibe) ausstrahlt. Dass über und unter dem Blockbuster-Movie meist ein schwarzer Balken prangt, fällt uns oft gar nicht auf – außer wenn mal wieder das Bild verzerrt ist und wir dann hilflos auf unserer Fernbedienung rumdrücken, so lange bis Brad Pitt nicht mehr wie ein Pfannkuchen aussieht. Das Problem für Brad Pitt, für uns und für den Fernseher, ist das Format.
Bei Filmen, die eigentlich für die Kinoleinwand produziert wurden, müssen Balken an das Bild geheftet werden. Denn unsere heimischen Fernsehgeräte mit einem Format von 16:9 sind nicht so breit wie die Kinoleinwand, die für so genannte Scope-Filme mit einem 2,40:1-Format ausgelegt ist. Diese Balken machen fast ein Viertel der Bildschirmfläche aus, bei Röhrenfernsehern sogar fast die Hälfte. Ungenutzte Fläche, die ausgefüllt werden sollte!
Der Traum vom eigenen Heimkino
Der in San Francisco lebende Programmierer Christian Wolff hat es sich zur Aufgabe gemacht, diesen Missstand zu beheben. Breitere Fernsehgeräte, die sich der Kinoleinwand im Format deutlich annähern, gibt es schon seit zwei Jahren. Findige Marketingleute nennen sie Cinema Wide oder Ultra-Breitbild-Fernseher. Die neuen Home-Cinema-Hoffnungen kommen mit einem stolzen Preis daher. Und einem Makel: Das Sendesignal der Fernsehinhalte und Filmspeichermedien ist bisher nur für Fernsehgeräte mit 16:9-Format ausgelegt; daher müssen die Breitbildgeräte die Balken des 16:9-Bildes abschneiden und das eigentliche Bild auf das neue Format 21:9 hochskalieren. Ein offensichtlicher Qualitätsverlust.
Hier kommt Wolff ins Spiel. Er ist das, was man landläufig ein Computergenie nennt. Bereits seit seinem dreizehnten Lebensjahr beschäftigt er sich ausgiebig mit Rechnern. Filme und Videos sind seine zweite Leidenschaft. Als Jugendlicher hatte er eine große VHS-Filmsammlung und arbeitete ein paar Jahre lang als Filmvorführer in Göttingen. Nach dem Abitur schloss er sich der Medienkunstgruppe Ponton European Media Art Lab an, mit denen er sieben Jahre lang interaktive Fernsehprojekte entwickelte, darunter Piazza Virtuale. Vor zehn Jahren ging er dann nach Kalifornien, um bei der im Silicon Valley ansässigen Mikrochip-Firma Sigma Designs anzufangen.
Balken sind der Second Screen von morgen
Als Entwickler von Mikrochip-Treibern für Sigma Designs, hat er sich in den vergangenen Jahren bei der Consumer Electronics Association (kurz CEA) dafür eingesetzt, dass digitale Kabel- und Satellitenboxen Videoinhalte auch standardmäßig im 21:9-Format aussenden und die breiteren Fernseher das Bild gleich im richtigen Seitenverhältnis entgegennehmen können. Mit Erfolg.
Dank Christian Wolff wird die CEA in diesem Jahr eine neue Version des Signalstandards veröffentlichen. Balken gibt es für den Breitbild-Zuschauer dann nur noch zu sehen, wenn er keinen Kinofilm, sondern schmalere Inhalte ansieht, beispielsweise TV-Serien und Shows. Doch diese Balken befinden sich dann rechts und links des Bildes und man nimmt an, dass das sowohl visuell als auch psychologisch ansprechender für den Zuschauer ist.
Doch da ist noch mehr: Diese Balken vegetieren nicht unnütz herum. Sie können für weitere Inhalte neben dem Bild genutzt werden. Diese Neuerung bedeutet einen weiteren Schritt hin zum Fernehen 2.0. Das klassische Fernsehen, der sogenannte First Screen, wird erweitert durch Second-Screen-Anwendungen, die vorher nur auf einem externen Gerät, wie dem Laptop oder Smartphone, genutzt werden konnten.
Auf 21:9 verpasst der Viewser nichts mehr
Zwar gibt es schon hbbTV, auch Smart-TV genannt, das Sendern erlaubt, weitere Infos zur aktuellen Sendung an den Zuschauer zu geben, Werbung zu machen oder den Zuschauer interaktiv miteinzubeziehen – vorausgesetzt man hat den richtigen Fernseher, der hbbTV-fähig ist. Doch diese Anwendung legt sich ÜBER das Fernsehbild – der Second Screen verdeckt damit den First Screen und man kann immer nur einen der beiden Screens verfolgen.
Dank den Balken bei 21:9-Geräten kann der Second Screen NEBEN dem primären TV-Geschehen angezeigt werden, ohne dass wir etwas von beidem verpassen. Der Viewser ist nun wirklich Zuschauer und User in einem. Er verfolgt die Tricks der Promiköche in der Kochshow und kann gleichzeitig auf dem Fernseher die Zutaten nachlesen, sich mit anderen Zuschauern über die Rezepte austauschen, sie per Email an Mutti senden oder als Einkaufsliste aufs Handy übertragen.
Doch bis alle Inhalte, die zukünftig unseren 21:9-Breitbildschirm erreichen, durchgängig im passenden 21:9-Format ausgeliefert werden, ist es noch ein weiter Weg. Noch weitere Änderungen in diversen anderen Signal-Standards sind dafür nötig. Und bis dahin muss sich der Breitbildschirm erstmal seinen Weg in die Wohnzimmer bahnen.
Anm.d.Red.: Weitere Beiträge zur Digitalisierung des TV in unserem Dossier Fernsehen 2.0. Die beiden Fotos stammen von Christian Wolff. Das erste zeigt seinen Arbeitsplatz, das zweite zeigt seine Aussicht auf den Zeppelin NT über der Golden Gate Bridge und illustriert, wie in der neuen Aufteilung des Bildschirms Platz für “Second Screen”-Content entsteht.
12 Kommentare zu
Sind Röhrenfernseher in einer anderen Dimension zu Hause oder warum hängt es von der Bildschirmtechnik ab, wie viel Raum ein schwarzer Balken einnimmt?
Und die zusätzliche Info zum Fussball ist genau das was mit "Second Screen" gemeint ist, nur daß das dann über eine Internetverbindung kommt, statt schon mit im Fernsehbild.
Und, mit Deiner Observation liegst Du zumindest richtig, daß diese Fernseher eigentlich nur für Leute Sinn ergeben, die viele Filme anschauen. Nur, wenn man sich einen solchen Fernseher zulegt, warum dann nicht die extra Fläche sinnvoll nutzen, wenn man schmalere Inhalte betrachtet? Und vielleicht kommen ja auch einige Kunden nur deswegen auf den Geschmack eines 21:9 Fernsehers.
Das ist momentan noch ein Nischenmarkt, aber immerhin etwas mehr Fernseher die die Hersteller verkaufen können. Das macht die Hersteller glücklich, und die Kunden die solche Fernseher mögen. Wer sowas nicht mag, kann ja weiterhin 16:9 Ferseher kaufen, und muss dann eben mit Balken über und unter den Breitbildfilmen leben, oder mit abgeschnittenen Kanten.
könnte doch glatt sein, dass sich unter der oberfläche etwas tut, von dem wir nichts ahnen... vielleicht eine stille revolution... oops...