Kulturskandal in Berlin: Die Stadt schafft in Museen den freien Eintritt am Donnerstagabend ab. Und niemand bekommt davon etwas mit. Berliner Gazette-Auorin Lena Posingies ist empört.
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Kunst für alle und umsonst – das muss keine Illusion sein. Will man in Paris kostenlos in den Louvre gehen, ist das kein Problem: Jeden ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt frei. In Bordeaux und Nizza kommt man immer in die staatlichen Museen, ohne zu zahlen, in anderen französischen Städten sieht es ähnlich aus.
Ich erinnere mich noch daran, als in Berlin jeden ersten Sonntag im Monat der Eintritt in die staatlichen Museen frei war. Ich lief in aller Seelenruhe spontan durch die Gemäldegalerie, es waren schöne Zeiten. Seit einigen Jahren gilt diese Regelung für den Donnerstag Abend, bis 22 Uhr kann man Kunst genießen. Was für eine schöne Regel, touristenfreundlich, jeder kam in den Genuss der schönen Künste, und alle waren zufrieden.
Ende der Idylle
Doch nicht mehr lange. Am 30.09.2010 bietet sich zum letzten Mal die Möglichkeit: Ab Oktober ist die Regel abgeschafft, ab dann müssen alle immer für jedes Museum zahlen. Das eröffnete mir vor kurzem grimmig die Kassiererin im Bode-Museum – ich fiel aus allen Wolken.
Auf den Websites der staatlichen Museen steht die Neuerung klein gedruckt ganz unten, bei den Museen selber finde ich darüber gar nichts, auf berlin.de ist davon keine Rede. Um die Touristen nicht abzuschrecken?
Sonst: nur Schweigen
Warum steht so etwas nicht in der Presse, warum wird man darüber nicht informiert? Weil alle nur noch genau zu dieser Zeit ins Museum gehen, und weil die Museen sonst Verluste machen, oder einfach nur weil Berlin mal wieder Geld braucht?
Da liest man auf der Website des Senats, die Hauptstadtkultur sei “zur Chefsache des Senats geworden” – von wegen. Ich finde es unmöglich, die Regelung abzuschaffen, und es ist eine Unverschämtheit, diese Änderung kaum zu kommunizieren. Schlecht für die Berliner, schlecht für die Touristen, schlecht für die Museen, schlecht für den Ruf der Stadt: Schlecht für Berlin.
20 Kommentare zu
Traurig.
Was heute abäuft, kann ich nur als bildungsfeindlich bezeichnen. Die Berliner Entscheidungsträger sollten mal nach London schauen: Eintrittsgeld ist dort in staatlichen Sammlungen ein unbekannter Begriff, lediglich für Sonderausstellungen werden bisweilen entrance fees erhoben.
Ich zitiere von: http://www.berlin.de/orte/museum/freier-eintritt/
"Freier Eintritt in die Staatlichen Museen zu Berlin - Weitere Sonderregelungen
Freien Eintritt in die Staatlichen Museen zu Berlin haben ab 1. Oktober Personen, die Transferleistungen erhalten und sich entsprechend ausweisen. Dazu zählen Empfänger von ALG II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz.
Freien Eintritt in die Dauerausstellungen bieten die Staatlichen Museen zu Berlin weiterhin für Schüler im Rahmen betreuten Schulunterrichts, Studierende im regulären Vorlesungsbetrieb der Universitäten und Fachhochschulen in Begleitung von Dozenten, als ärztlich notwendig anerkannte Begleitpersonen von Schwerbehinderten, sofern im Schwerbehindertenausweis vermerkt, Besucher der Lese- und Studiensäle, Mitglieder des Internationalen Museumsrates und des Deutschen Museumsbundes und Inhaber eines Presseausweises. Mitglieder von Fördervereinen erhalten zu dem Museum kostenlosen Einritt, das von ihrem Verein gefördert wird."
Darüber hinaus findet ihr auf der gleichen Seite eine Liste der Museen, die generell oder an bestimmten Tagen weiterhin freien Eintritt gewähren.
P.S.: Was soll man machen? Überall fehlt die Kohle. Und jeder hätte gern das hier oder da etwas mehr gewährt oder investiert wird. Geht aber grad nicht.
Die alte Regelung war eine Art Dienstleistung der Stadt an alle, davon ist jetzt nichts mehr zu spüren.
Der Drei-Tages-Pass ist eine gute Sache, für Berliner allerdings wenig sinnvoll - wer hat als Student oder Berufstätige/r schon drei Tage am Stück Zeit, durch alle Museen zu schlendern?
Als Grund für die Änderung hab ich auch munkeln hören, dass wohl doch mehr Touristen als (wie anscheinend erwünscht) Berliner das Donnerstagsangebot genutzt haben.tzzz...
Nur mal so, zur Kenntnis: 9,50 das sind ca 14 % von meinem MONATSverdienst. Wir, die wir also wenig verdienen und nix dazu kriegen sind sozusagen am A... gekniffen mit der neuen Regelung.
Vielen Dank auch. Da werd' ich doch gleich mal arbeitslos.
Wie war das gleich mit mehr Bildung mehr Kultur für alle?
Hans.
Das ist wahrlich eine Unverschämtheit und deswegen müssen wir etwas dagegen unternehmen.
Ich bin bereits dabei Leute zu organisieren, die Interesse daran haben sich gemeinsam etwas auszudenken, wie wir gegen die Streichung des freien Donnerstags vorgehen können.
Also- wer Lust hat meldet sich mit einer einfachen Mail bei:
museenfueralle@googlemail.com
Und in Zeiten der Schnelllebigkeit und des social networking bot es sich an eine Facebook Seite zu erstellen, denn - welch Wunder- darüber erreicht man fürs erste "kontakten" erstaunlich viele Menschen.
http://www.facebook.com/pages/Museen-fur-ALLE/135821606467323
Wir werden versuchen so schnell wie möglich etwas auf die Beine zu stellen. Also- warm anziehen!
Ich war ein halbes Jahr nicht in Berlin und bekomme jetzt Besuch. Ohne Ihren nützlichen Artikel hätte ich morgen Abend ein Problem gehabt.
Danke sehr!
Den vollen Eintritt von 12 € musste ich zahlen.
ABER: Mehr als die Hälfte der Ausstellungsfläche ist bereits - wegen des bevorstehenden Umzugs in das Humboldt-Forum - leergeräumt.
DAS NENNE ICH ABZOCKE!!!!