Wie können wir im Internet arbeiten und trotzdem Geld verdienen? Eine Antwort auf die Gratis-Mentalität ist sogenanntes Social Payment: eine freiwillige Kleinabgabe für immaterielle Güter im Internet. Die bekannteste Plattform für diese Praxis ist Flattr – seit gut einem Jahr wächst sie vor allem im deutschsprachigen Raum. Der Wissenschaftler Thomas Haseloff befragte über 800 Personen und sprach mit Experten über die Folgen. Hier die wichtigsten Ergebnisse seiner Untersuchung.
Bei Social Payment handelt es sich um eine freiwillige Geldtransaktion im Micropayment-Bereich für immaterielle Güter, die bereits existieren und frei zugänglich zur Verfügung stehen. Der Grundgedanke des Spendens für Content ist nicht neu, aber die Einfachheit und neuartige Funktionsweise von Social Micropayment-Plattformen wie Flattr könnte eine signifikante Veränderung der Finanzierung von digitalen Inhalten mit sich bringen.
Vergleichbar ist dieses System mit dem Klingelbeutel in der Kirche. Jeder gibt nur ein paar Cent. Da aber viele, die in der Kirche sitzen etwas Geld in den Klingelbeutel werfen, entstehen oft beträchtliche Summen. Die Schwedische Social Micropayment-Plattform Flattr wurde vor einem Jahr ins Leben gerufen und ist heute einer der bekanntesten Anbieter, die Social Payment ermöglichen.
Warum Nutzer für digitale Inhalte freiwillig monetäre Ressourcen zur Verfügung stellen, kann anhand des Homo Oeconomicus erläutert werden, der rational handelt und seinen eigenen Nutzen maximiert. Er spendet nämlich immer dann, wenn aus der Spende heraus ein höherer Nutzen entsteht, der nicht entstehen würde, wenn er sich nicht monetär beteiligen würde. Zum Beispiel: Man “flattert” einem Online-Anbieter, weil man seine bisherige Leistung würdigen möchte und auch in Zukunft nicht ohne sie leben will.
Nur eine Umfrage kann Antworten bringen
Für meine Diplomarbeit analysierte ich neue Social Micropayment-Plattformen und deren Auswirkung auf die Zahlungsbereitschaft von Nutzern für digitale Inhalte. Dabei konzentrierte ich mich hauptsächlich auf Flattr. Für die Analyse führte ich eine schriftliche Online-Befragung durch – sie war mit 835 vollständig ausgefüllten Datensätzen sehr umfangreich. Darüber hinaus interviewte ich Experten und initiierte eine ausführliche Gruppendiskussion.
Die Nutzer sind von diesem Konzept überzeugt und möchten Flattr weiterhin nutzen. Dies zeigt, dass diese Befragten eine hohe Zahlungsbereitschaft für digitalen Content aufweisen. 63 Prozent der Nutzer gaben an, ihren monatlichen Spendenbeitrag in Zukunft anheben zu wollen. 35 Prozent möchten diesen nicht verändern und nur 1 Prozent planen, diesen abzusenken.
Interessant waren die Beweggründe einiger, Flattr nicht zu nutzen. Als häufigster Grund wurde das fehlende Verständnis bzw. die Unwissenheit über die Funktionsweise dieser Systeme genannt. Der zweite wichtige Grund ist der fehlende Anreiz, Geld für eine immaterielle Sache zu geben, die kostenlos ist.
Veränderte Zahlungsbereitschaft durch Social Payment?
Die generelle Spendenbereitschaft mit Hilfe von Social Micropayment-Plattformen ist abhängig von 1) der Größe der Community, 2) der Qualität des hierdurch finanzierten Contents sowie 3) der Frequenz der Contentpublikation. Außerdem spielt 4) die gefühlte Bindung zwischen Spender und Content-Produzenten eine Rolle.
Zur all2gethernow-Konferenz in Berlin sprach ich auch mit den Machern von Flattr. Ihren Aussagen zufolge besteht das aktuelle Problem von Flattr nicht darin, dass zu wenige User die Software nutzen würden, sondern dass zu wenig Flattr-Buttons im Netz vorhanden seien. Das bestätigte sich auch in meiner Umfrage: Durch die hohe Nutzungsbereitschaft des Zahlungssystems Flattr bei den Befragten, konnte ich eine gestiegene Zahlungsbereitschaft ausmachen.
In den Interviews mit Experten habe ich wiederum erfahren, dass die Zahlungsbereitschaft für Content durch Social Micropayment-Plattformen nicht gestiegen, sondern konstant geblieben ist, da das eigentliche Gut sich nicht verändert hat. So gesehen ist in letzter Zeit nicht die allgemeine Zahlungsbereitschaft für digitalen Content gestiegen. Zugenommen hat vielmehr die bereits vorhandene Bereitschaft in Flattr zu investieren – und auf diese Weise Content-Produzenten monetär zu unterstützen.
Anm.d.Red.: Dieser Beitrag ist am 1.6.2011 in der Berliner Gazette erschienen. Wir haben ihn vordatiert, um ihn im Dossier über flattr weiter oben platzieren zu können.
25 Kommentare zu
@nori - Der religiöse Vergleich tut nichts zur Sache. Soll einfach nur zeigen, dass wenn viele einen kleinen Betrag geben eine doch beträchtlich Summe zusammen kommen kann.
http://carta.info/40526/die-deutschen-flattr-charts-mai-2011-alles-neu-macht-der-mai/
Ist es in der Realität nicht so: Ein paar technikaffine BloggerInnen und BlogLeserInnen haben die Sache für sich angenommen. Aber in der breiten Masse ist das Prinzip Social Payment noch gar nicht angekommen.
Müsste aus einer Idee wie flattr so ein riesiges Netzwerk wie Facebook werden, damit sich tatsächlich etwas bewegt, das ganze also zu einer Bewegung wird?
Wir werden es irgendwann herausfinden...
Letztes Jahr im August. Wie bei solchen Umfragen üblich wurden die Befragten nicht ausgesicht, sondern jeder konnte teilnehmen. Es haben eine ganze Reihe Leute mitgemacht sodass eine perfekte vergleichbarkeit von Gruppen möglich war.
@Magdalena
Natürlich nutzen noch zum Großteil TechnikAffine User Flattr, aber das ist völlig normal.
Es müssen einach viel mehr mitmachen. Je mehr Leute mitmachen desto größer ist natürlich die umlaufende Geldmenge...
@Anja
Warum Abzocke???
Ein Grund, den ich leider noch zu gut kenne ;-)