Fast nur Frauen. Sogar der Sicherheitsdienst ist heute Abend weiblich. Wenn man das noch so nennen kann bei so vielen Kilos. Schraeg links sitzt ein gruen-orange-kariertes Holzfaellerhemd. Vor mir drei alte Damen, Emma-Abonnentinnen seit 30 Jahren und genauso lange in “der Bewegung”. Emma, Maedels, kennt die noch jemand? Die Damen sehen nach hinten, laecheln ueberlegen und reichen das neue Buch von Alice (sprich: Alitze) Schwarzer herueber. Es ist die Antwort auf alle Fragen zum neuen Feminismus, zum alten, zum gelben und gruenen und dem im Holzfaellerhemd.
In einem Kapitel zitiert die Autorin Lenin, der auch immer alles wusste. Es heisst: Was tun?
Mit solchen Zitaten ist das gan- ze Buch voll. Doch: Was tue ich hier? Hier in Muenchen, Haupt- stadt der dunkelkonservativen CSU? Das Buch >Die Antwort< kostet 16,90. Nur logisch, dass sich die Bayern am schoenen Mittwochabend nur dann vom Biergarten abhalten lassen, wenn eine liest, die Schwarzer heisst. Der Verleger, der die Da- me des Abends vorstellt, ist gut gelaunt, den ersten Versprech- er nimmt er gelassen. Genderstreaming
will er sagen und sagt Genderscreaming
. Das trifft es.
Alice Schwarzer erster Satz gegen 20:15 Uhr ist: 80-85% aller Buecher werden heute von Frauen gelesen
. Fragt sich nur, ob das auch die richtigen sind. Gibt es eigentlich ein richtiges Buch im Falschen? Um 20:20 Uhr ihr erster Witz: Bitte keine Photos mehr. Im Sitzen sehe ich mit meiner Lesebrille wie eine Hexe aus das kann ich mir nicht mehr leisten.
Ihre 50jaehrigen Groupies kreischen. In den folgenden 60 Minuten liest Schwar- zer aus ihrem Buch und gibt Antworten. Alle kriegen ihr Fett weg: Heimchen Eva Hermann, Gebaermaschinen-Mixa und fundamentalistische Muslime. Die drei alten Damen haben sich waehrenddessen davongemacht.
Um 21:15 Uhr greift Schwarzer aus und vergleicht Frauenrecht- lerinnen mit den Juden: Nach 1945, so Schwarzer, seien Frau- en doch nur Menschen zweiter Klasse gewesen. Wem nuetzen solche Vergleiche? Schwarzer wurde uebrigens selbst immer wieder Antisemitismus vorgeworfen, so von Henryk M. Broder. Doch die Zeiten sind vorbei, als sie mit ihrem Spitznamen Schwanz-Ab-Schwarzer
noch Angst und Schrecken verbrei- ten konnte. Gelandet ist Frau Schwarzer mit einer Werbekam- pagne mittlerweile da, wo sie hingehoert: bei der BILD-Zei- tung. Je mehr Erfolg sie in Deutschland hatte desto langweili- ger wurde sie.
Der Rest des Leseabends endet nicht in Schweigen, sondern mit viel Getoese. Fragerinnen stellen unendlich daemliche Fra- gen: Frau Schwarzer, in meinem Physik-Studium bin ich die einzige Frau. Muss ich mich schlecht fuehlen, wenn ich genau so werde wie meine Kommilitonen?
Irgendwann an diesem Abend mit fast nur Frauen, habe ich das Gefuehl, dass alle Fe- ministen letztlich dort landen, wo sie hingehoeren: in der Selbsthilfegruppe.
4 Kommentare zu
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Ich habe das Gefühl, dass unsere Gesellschaft immer noch weit davon entfernt ist, Genderfragen tatsächlich beantworten zu können und ein Wort wie "Gleichberechtigung" kann man inzwischen nur noch in Anführungszeichen setzen, sonst sind einem hochgezognene Augenbrauen von Männern und Frauen und allen anderen sicher. Das find ich schade.