PULS, AGNES und Moodle – hinter diesen Namen verbergen sich keine Schurkenorganisationen aus einem 60er-Jahre-Agentenfilm, sondern eine vermeintliche Bildungsrevolution. Berliner Gazette- Autorin Miriam Belling über die Neue Art das Studium über Internetplattformen zu organisieren.
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An den Unis sollen Internetportale (darunter AGNES) das Studium für alle Beteiligten leichter machen. Beispielsweise ermöglichen sie es Studierenden ihre Seminare online zu belegen und Noten und Leitungspunkte einfach im Internet abzufragen.
Auf e-Learning-Plattformen wie Moodle werden die benötigten Lehrmaterialien von den Dozenten online gestellt und von den Studenten runtergeladen. Die Studierenden sollen so die Möglichkeit erhalten, sich online in Foren über ihr Studium auszutauschen. Kontakte sollen geknüpft werden, eine Gemeinschaft soll entstehen. Doch es gibt da, von den Machern wohl unbedacht, ein großes Problem.
Der PULS geht schneller
Der Fokus wird so sehr auf das Internet gelegt, dass die herkömmlichen – man möchte schon fast sagen: altmodischen – Registrierungsprozesse völlig lahmgelegt werden. Von Institut zu Institut, Prüfungsausschuss zu Prüfungsausschuss und Sekretärin zu Sekretärin geschickt – ein Marathon, den ich einmal wegen verspäteter Immatrikulation und somit verpasster PULS-Kursbelegungs-Deadline unfreiwillig auf mich nehmen musste.
Und ich denke mit Grauen daran zurück. Fast noch nie fühlte ich mich so allein gelassen. Gerade als Erstsemestler denkt man da schon über einen Studienabbruch nach, bevor es überhaupt richtig angefangen hat.
Ich habe den Bürokratiekrieg ausgefochten und gewonnen und freue mich nun auf das Sommersemester, wenn ich dann zum ersten Mal – so wie die meisten anderen auch – meine Seminare über das Internet belegen kann, ohne wochenlang irgendwelchen Dozenten hinterherzurennen, nur um das zu erledigen, was die meisten innerhalb von zehn Minuten am Computer erledigt haben.
Kein Studium ohne Internet
Doch eines ging mir während all diesen stressigen Wochen nicht aus dem Kopf: hier wird vorausgesetzt, dass jeder Internet hat. Somit wird auch vorausgesetzt, dass sich jeder im Besitz eines Computers und Druckers befindet – wie sonst soll man an die Lehrmaterialien kommen, die der Dozent ja nur noch bei Moodle einstellt?
Es steht nicht auf der Homepage der Universitäten und in den Bewerbungsunterlagen wird auch nicht darauf hingewiesen. Es ist einfach ein ungeschriebenes Gesetz. Wer studieren will, der braucht Internet.
Doch das kostet Geld und das hat nicht jeder. Von den Unis wurde das anscheinend nicht bedacht oder es interessiert einfach niemanden. Sollte es aber. Denn hier handelt es sich um einen schwerwiegenden Fehler im System der Universitäten. Wer predigt, dass Bildung jedem zugänglich sein soll, darf sie nicht jenen verweigern, die sich keinen Internetanschluss leisten können.
Wenn mein ganzes Studium auf der Voraussetzung aufbaut, dass ich mit Computer, Drucker und Internet ausgestattet bin, dann basiert es doch letztlich nur auf der Illusion, dass Bildung für jeden zu haben ist. Auf einer Lüge.
16 Kommentare zu
Eine Art Uni-Facebook (ich meine damit nicht StudiVZ) mit Fokus auf Wissensaustausch und Gemeinschaftsbildung wäre in der Tat interessant, würde aber m.E. nicht funktionieren.
Zu den Nachteilen von Moodle gibt es auch in Wikipedia einen Eintrag: "Da sich die Benutzer des Moodle-Systems personalisiert anmelden, besteht die Möglichkeit, Verhaltensprofile von ihnen anzulegen. Durch die Option der Kurs-Veranstalter, Einblick in die Einlogdaten oder Download-Zeitpunkte von Materialien zu nehmen, fühlen sich Studierende überwacht."
Wenn moodle und Co. sich immer weiter etablieren und sogar zur Kontrolle der Studenten genutzt werden, dann wird Internet vielleicht sogar irgendwann eine offizielle Voraussetzung.
Wohin das wiederum führt, kann sich ja jeder ausmalen...
Der nächste Punkt: Seit der Einführung der Studiengebühren ist Bildung schlicht aus einer finanziellen Perspektive schonmal gar nichr für jeden Menschen möglich. Es brauch dementsprechend nicht den Hinweis auf die PC/Internetvoraussetzung, um eine Kritik am Zugang zur Bildung zu formulieren.
In Berlin gibt es bsp. keine Studiengebühren, weswegen vielen Studenten der Gedanke "Hier läuft was falsch" nicht zwangsläufig kommt - der Trend zum digitalen Studieren ist aber auch hier zu finden. Und überhaupt, Rundumschlag und so.
Davon mal abgesehen, wer möchte seine Hausarbeit in einem überfüllten, meist nur mit veralteten PCs ausgestatteten Raum schreiben, in dem man von den anderen Wartenden gedrängt wird, fertig zu werden?