Nach einer Demo gegen den Ueberwachungsstaat, war ich neulich ziemlich deprimiert. Der Umzug hatte eher den Anschein einer Parade von Oppositionsparteien als den einer politikkritischen Bewegung. Hat das vorherrschende System es wirklich geschafft, Unterdrueckungswiderstaendler so umzuformen, dass sie am Ende doch nichts als noetige Kritik darstellen und nur das System reproduzieren? Tatsaechlich hatte ich den Eindruck, dass kaum einer den Populismus dieser Demonstration erkannt hatte.
Im Gegenteil: Es wurde laut gejubelt als Buergerrechte
propagiert wurden. Als Buerger ordnet man sich unter, passt sich an und fordert seine Rechte vor denen ein, die bestimmen was seine Rechte sind – ein Paradoxon das fuer mich nichts mit Freiheit zu tun hat.
Wirkliche Freiheit in den uns auferlegten Zwaengen durch Massenerziehung, Massenmedien und Sozialdarwinismus gibt es nicht. Doch dies scheint nicht hinterfragt zu werden. Anstatt tiefer zu gehen wurde vor allem Herrn Schaeuble, der nichts weiter als eine Marionette der Angst ist, die ganze Misere in die Schuhe geschoben. Wie kann es sein, dass eine ganze Gesellschaft, ja selbst die Kritiker, auf das Gegebene beschraenkt denken? Liegt es vielleicht an der political correctness von Spiegel, ZEIT und FAZ, die zwar gegen den aktuellen Kapitalismus wettern moegen, aber mit doppelseitigen Werbungen fuer Kreditinstitute Geld machen? Oder an dem Fakt, dass man als radikal anders denkender automatisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen und kriminalisiert wird?
Es scheint als haetten die 68er, die mit den Dogmen der Kriegsgeneration brechen wollten, diese noch verhaertet – nur unterschwelliger. Schon Herbert Marcuse hat vor einer Gesellschaft ohne Opposition gewarnt. Dieses Szenario ist offenbar zur Realitaet geworden. Auch besetzte Haeuser (Koepi, Tacheles) und autonome Projekte in Berlin und Umgebung (Kesselberg, Lohmuehle) versuchen sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Es wird nicht nach dem richtigeren sondern nach dem besseren Leben gesucht; oder nach dem Richtigen im Falschen. Idealismus ist der Gewissheit der Haerte gewichen. Dadurch versucht die Jugend gar nicht erst gegen Missstaende aufzustehen, sondern sich so zu verbiegen, dass sie sich spaeter in dieser Welt behaupten kann.
Individualitaet ist der gesellschaftliche Tot, wie in Orwells Dystopie 1984. Die Hoffnung auf eine wirklich bessere Welt scheint heute im Gegensatz zu 1968 utopisch. Die Demo war alles in allem ein Spiegel des politischen Bewusstseins der Bevoelkerung. Es wird nur der erste Schritt getan um im direkt persoenlichen Umfeld nicht komplett kaputt zu gehen. Verzicht zu ueben, um wirklich etwas zu veraendern wird gar nicht in Betracht gezogen. Eigentlich muessten die Wurzeln des Problems angegriffen werden. Nicht bei Lidl zu kaufen oder nicht bei McDonalds zu essen waere meiner Meinung nach ein guter Schritt um die Urspruenge von Ueberwachung anzugreifen.
Denn Wohlstand
durch Ausbeutung von Freihandelszonen oder das Unterstuetzen von Machtmonopolen foerdert das Verlangen der Geld- und Machtelite ihren wachsenden Besitz beschuetzen und sichern zu wollen. Dafuer laesst sich Terrorgefahr natuerlich gut instrumentalisieren, weil mit der Angst der Menschen gespielt wird. Das Problem liegt nicht am deutschen Innenministerium, sondern am globalen Streben nach falschem Wohlstand. Change? Yes we can! Wenn jeder bei sich selbst anfaengt.
[Anm.d.Red.: Der Verfasser ist Student der Philosophie und Volkswirtschaftslehre an der Universitaet Potsdem]
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