Der Rummel um Facebook nimmt kein Ende. Die Meldung, dass die Investmentbank Goldman Sachs beim weltweit größten Social Network einsteigt, feuert den Hype sogar noch an. Ganz andere Töne schlägt der Medientheoretiker Douglas Rushkoff an: Er sieht im Einstieg von Goldman Sachs den Untergang von Facebook besiegelt. Berliner Gazette Gast-Redakteur Andi Weiland hat sich Rushkoffs Kommentar genauer angeschaut.
Mein Facebook-Account ist 100 Dollar wert und jeder andere Account auch. Wenn meine Milchmädchenrechnung nämlich aufgeht, entspricht dies dem geschätzten Wert von Facebook (50 Millarden US-Dollar), runtergerrechnet auf 500 Millionen Nutzer. Der Geldwert von Facebook ist im Umlauf, seitdem bekannt wurde, dass Goldman Sachs mit 450 Millionen Dollar einsteigt. Facebook selbst veröffentlicht keine Bilanzen. Von den 100 Dollar werde ich wohl nichts sehen. Doch Facebook selbst wird auch nicht soviel von der Goldman Sachs-Finanzspritze haben, wenn man Rushkoff Glauben schenkt.
Untergangsgeschichten: AOL, MySpace
Der renommierte New Yorker Autor sieht in dieser Investition nämlich den Anfang von Facebooks Ende. Denn mit dem “Einstieg der Wall Street” bei Facebook beginnt laut Rushkoff auch der “Cash out“. Goldman Sachs wird alles dafür tun, dass sich diese Investition plus weitere 1,5 Milliarden Dollar auch schnell rentiert. Der weltweit größten Community wird diese Gewinnorientierung aber schaden, wie auch schon anderen Riesen in der IT-Geschichte.
Beispielsweise AOL: jenes Unternehmen, das einst so groß war, dass es von dem Internetmarkt nicht mehr wegzudenken war – jeder Haushalt hatte pro Woche mindestens eine CD im Briefkasten. Im Jahr 2000 stieg Time Warner bei AOL ein und der Börsengang war nicht mehr weit. Doch um Gewinn zu erwirtschaften, wurden erstmal 300 Millionen Dollar im Jahr eingespart und über 2.500 Mitarbeiter entlassen. Schon bald waren die AOL-CDs aus dem Briefkasten und die Kunden verschwunden.
Ein anderes Beispiel ist MySpace, die Community die noch vor wenigen Jahren als größter Konkurrent von Facebook gehandelt wurde. Als Rupert Murdoch (News Corporation) einstieg und Gewinnoptimierung das Programm wurde, war das Ende so gut wie besiegelt: Entwicklungen wurden verschlafen und heute versucht man mit einem neuen Logo und Facebook-Login dem User-Schwund entgegenzuwirken, gleichzeitig wird die Entlassungswelle vorbereitet.
Und jetzt das Ende von Facebook
Facebook droht nun dasselbe Schicksal. Auch 600 Millionen Mitglieder schützen vor dem Absturz nicht. Auch die Ernennung Zuckerbergs zum Man of the Year durch das Time-Magazine schützt davor nicht. AOL und MySpace waren seinerzeit ebenfalls nicht aus dem Online-Alltag wegzudenken – bis neue Player wie Google und Facebook kamen. Dem Nutzer ist es auch eigentlich egal in welchen Netzwerk er ist, Hauptsache es nützt ihm für die Vernetzung und Unterhaltung, so Rushkoff: “Yet social media is itself as temporary as any social gathering, nightclub or party. It’s the people that matter, not the venue. “
The Daily Show With Jon Stewart | Mon – Thurs 11p / 10c | |||
The Anti-Social Network | ||||
|
Mark Zuckerbergs Idee, dass der Einstieg von Goldman Sachs die virtuelle Omnipräsenz von Facebook weiter stärkt und einen Börsengang wahrscheinlicher macht, kann sehr schnell nach hinten losgehen und die Nutzer vertreiben. In dem Moment, wo Facebook an die Börse geht oder Investoren bei Goldman Sachs Gewinn sehen wollen, werden reale Geschäftszahlen von Facebook öffentlich und die Bewertungen der “Quasselbude“ auf 50 Milliarden Dollar werden sich relativieren. Goldman Sachs und Facebook sollten kurz inne halten und eine amerikanische Weisheit bedenken: Don’t belive the hype!
19 Kommentare zu
( http://www.indiskretionehrensache.de/2011/01/spiegel-fas-facebook )
und mehr zu der ökonomischen Situation von FB gibt es hier:
http://faz-community.faz.net/blogs/netzkonom/archive/2011/01/06/30-prozent-rendite-facebook-ist-so-profitabel-wie-google.aspx
@Joerg: hm, deine Rushkoff-Kritik verstehe ich einerseits (ist halt n guter Weg mit den Dystopien, um in den Livestram zu kommen), die Analogie mit dem Rentner sehe ich allerdings nicht. Im Moment kann sich doch wirklich niemand das Netz ohne Facebook vorstellen, oder?
in diesem fall ist es schon ganz hilfreich, dass jemand den propheten spielt, weil alle noch voll auf droge sind.
andererseits geht es nicht darum den finger erheben, sondern die lage richtig zu analysieren.
rushkoff bzw. weiland geben uns hier in dieser sache schon konstruktive hinweise
zu seinen aussichten (kann es da noch besser werden?) befragt, sagte er:
"ich will mich in den nächsten 10 jahren auf höchstem niveau festbeissen"
@joerg also ich kann deine Meinung zwar verstehen und bei gewissen Punkten auch teilen, aber zu sagen, dass es einfach ist auf dem Höhepunkt zu sagen es geht abwärts, ist irgendwie auch sehr einfach und pauschalisierend. Man könnte dafür ja auch andere Beispiele bringen, die nicht auf Menschen, sondern auf die IT-Branche bezogen sind: wie oft wurde Microsoft schon der Untergang vorhergesagt? Apple war zwischendurch nicht erfolgreich und ist es jetzt wieder. Motorola wurde lange Zeit nicht mehr ernst genommen und spielt nun wieder gut mit. Auch Ebay hat sich gehalten und das Ende bei Amazon ist auch nicht abzusehen. Also ich denke nicht, dass es so einfach ist, eine Vorhersage zu treffen und daher finde ich den Artikel von Rushkoff so gut, weil er uns daran denken lässt, dass man manchmal auch zurückschauen muss und nicht nur nach vorne.
@Brunopolik, Also Murdoch würde ich zwar auch als "alten Fuchs" bezeichnen, aber nicht im positiven Sinne. Er ist einfach nur alt und ein Fuchs, der sich die schwächste Gans schnappt und frisst. Myspace ist nämlich gar nicht mehr erfolgreich und wie ich schon im Text geschrieben habe, wird gerade eine Entlassungswelle vorbereitet und der alte Fuchs will es vielleicht sogar verkaufen:
( http://kress.de/mail/alle/detail/beitrag/108228-murdoch-macht-ernst-myspace-schliesst-bueros-in-deutschland.html )
Immer wenn ich auf Myspace gehe muss ich daran denken, dass ich mal einen Uboot-Account hatte. Kennt das noch jemand?
Jobless Youths In Tunisia Riot Using Facebook
http://www.huffingtonpost.com/2011/01/12/facebook-tunisia-riot_n_807825.html
Ich beziehe mich hier nicht so sehr auf Geek-Theorien, sondern auf eine wirtschaftliche Beurteilung aus Börsensicht, denn darum gehts im Goldman-Sachs Zusammenhang ja. Und da ist die Messe, wie üblich, schon ein halbes bis ein Jahr vor der Kirche gelesen! Also im letzten herbst eigentlich. Der nächste Schritt wird eine Google/Apple/Microsoft Strategie sein müssen, eine Marke auch zu erhalten. Das sind zwei paar Schuhe und es bedarf dann ganz anderer Qualitäten. Da Zuckerberg aber immer schon ein guter Trendsurfer war und nie den Fehler des "too early adopters" beging, sehe ich auch dort Potenzial. Ist aber ein ganz anderer Markt, anderes Thema, andere Richtung. Letztlich gehen wir schon d'accord, Andi! Nur Rushkoff klang für mich wie eine intellektuellisierte Variante dieser Super-Börsenbriefvariante, "abonnieren sie meine Tipps - schon Michel de Notredame berief sich im Grunde auf mich!" ;-)
( http://www.guardian.co.uk/media/2011/jan/12/wikileaks-rupert-murdoch?intcmp=239 )
@Joerg: Konkurrenz? Das nächste große Ding ist immer irgendwo gleich um die Ecke. Viele sprechen über Foursqaure:
http://foursquare.com/
Im Ernst: Denke der nächste wird derjenige sein, der auch im Schlepptau eines neuen Gadgets kommt.Kann eigentlich nur eine auf Handy/Pad/Whatever ausgelegte Angelegenheit sein. Aber da mischen die Hardwarehersteller von Anfang an mit, da braucht es sehr viel Geld. Das wird alles kompatibilisiert in Zukunft, unter einem Dach. Das wird ein Multi sein, dieses Dach. Zudem tut sich auch die nächste kulturelle Grenze auf, der Konflikt der wirklichen 24/7 Erreichbarkeit und Infoflut...das werden einige nicht mitmachen wollen...inklusive mir. Neues Thema aber...
StudiVZ jemand?
Yesterday's newspapers.