Der alte Lustmolch Goethe duerfte in Wirklichkeit Pornos im Sinn gehabt haben, als er 1827 festlegte, dass es in einer Novelle immer eine “unerhoerte Begebenheit” geben muesse. Was sonst ist die Darstellung von Unzucht fuer eine Begebenheit, wenn nicht eine ganz schoen unerhoerte? Literatur-Expertin Susanne Lederle weiss mehr.
Auch ein weiteres die Novelle konstituierendes Merkmal, das Dingsymbol, gelangt hier zu novellierten, unerhoerten Bedeutungshorizonten. Dem greisen Dichterfuersten war es auch nicht zu unerhoert, als ueber 70- jaehriger der erst 17 Lenze zaehlenden Ulrike von Levetzow nachzustellen.
Die Ulrikes schlagen zurueck. Eine rasch wachsende Gemeinde junger Bloggerinnen, im Durchschnitt um die 17, dreht ihr eige- nes Porno-Ding. Dafuer braucht sie keine geifernden Opas, sie braucht ueberhaupt keine Maenner, aber diese Maedchenblue- tentraeume sind neu und unerhoert. Das sind Maedels, die an- gesichts zunehmender Unmoeglichkeit, auf die Bahnen ihres Lebens kontrollierend einwirken oder gar Stellungen beziehen zu koennen, denn die sind gestern schon falsch gewesen, >Du mich auch< sagen, und zwar zum eigenen Koerper. Ge- neration Autoimmunreaktion, Generation Anorexie. Hauptsa- che, der Kontrollverlust kriecht nicht bis unter die eigene Haut.
Dass man hier in ein ganzes Universum ungeahnter Perversi- taeten eintauchen kann, >Thinspirations<, Ana-Gebote, Hunger-Battles, ist ein weiteres Phaenomen der Bilder, denn die Notwendigkeit, das Krankheitsbild der Anorexie zu be- schreiben, faellt zeitlich ungefaehr mit den Kinderschuhen der Photographie und der Massenmedien zusammen und wird durch die Errungenschaften des Web 2.0 folgerichtig fortge- setzt.
Es ist auch ein Phaenomen der manipulierten Bilder, vor allem aber der spiessumdrehenden Lust an dieser Manipula- tion. Das ist mehr als eine Krankheit, das ist Ganzkoerperkunst aufgrund einer Aesthetik der umgewerteten Trieb-Werte: Diese Maedchen haben quaelenden Hunger, aber dem Selbsthass ist keine noch so kranke Kastanei fremd: >Food-Porn<
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