Die neuen Medien versprechen: Jeder kann aktiv werden. Doch wie definiert man in Zeiten des Mitmach-Webs, der Twitter-Proteste und “Facebook-Revolten” (Herwig et al.) eigentlich einen Aktivisten? In der Offline-Welt läuft das, in Sachen Umwelt etwa, vereinfacht gesprochen so: Der Aktive (hier: Umweltschützer) sammelt Unterschriften in der Fußgängerzone; der Aktivist beteiligt sich darüber hinaus an semi-militanten Aktionen.
In der Online-Welt scheint diese Trennlinie ähnlich zu verlaufen: Der Aktive beteiligt sich als Virtual Volunteer an einem Click-Protest von Al Gore; der Aktivist legt den Server des Pentagons lahm (Stichwort Hacktivism). Anders gesagt: Der Aktive nutzt Web 2.0-Stangenware und freut sich “Teil einer Bewegung” zu sein; der Aktivist hingegen versteht die Strukturen des Internet und nimmt auf jene Einfluss.
Web 2.0-Werkzeuge in Frage stellen
Doch muss man wirklich programmieren können, um ein echter Online-Aktivist zu sein? Ich denke: Nein! Der Online-Aktivist kann, aber muss kein Programmierer sein. In diesem Sinne ist er nicht immer frei in der Wahl seiner Protest-Werkzeuge. Möglicherweise verwendet er besagte Web 2.0-Stangenware. Doch der entscheidende Punkt ist: Der moderne Online-Aktivist entwickelt ein Bewusstsein für die Beschränkungen seiner Möglichkeiten und Werkzeuge. Und somit ein Bewusstsein dafür, dass er in seinem Handeln eingeschränkt ist.
Worum also geht es beim modernen Online-Aktivismus? Es geht zunächst darum, sich von den eigenen Einschränkungen nicht entmutigen zu lassen. Die gefühlte Ohnmacht sollte allerdings auch nicht mit Allmachtsfantasien kompensiert werden. Es geht eben nicht in erster Linie darum, die Strukturen des Internet zu verändern. Sondern darum, in diesen Strukturen aufgeklärt zu agieren. Ein moderner Online-Aktivist sollte die Werkzeuge, die er benutzt, in Frage stellen. Und auf dieser Grundlage Änderungen herbeiführen. Auch struktureller Natur.
Das neue Gesicht des Online-Aktivismus
Ein Beispiel wäre Markus Beckedahl. Er ist mit seinem Blog netzpolitik.org ein Vertreter der Web 2.0-Aktivisten-Generation und setzt sich seit acht Jahren für Freiheit und Offenheit im digitalen Zeitalter ein. Mit seinem Blog versucht er Wege aufzuzeigen, wie man sich mit Hilfe des Web 2.0 für digitale Freiheiten engagieren kann. So haben er und seine Mitstreiter unter anderem erfolgreich eine Online-Petition gegen Internet-Zensur initiiert und waren am vorläufigen Kippen des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung beteiligt.
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