Was hat es zu bedeuten, dass Star-Autor Benjamin von Stuckrad-Barre den faschistischen Propaganda-Film “Opfergang” in seiner Liste der besten Filme aller Zeiten aufgenommen hat? Der Journalist Fabian Wolff geht der Sache nach.
Es ist nicht schön, aber man muss sich wieder mit Benjamin von Stuckrad-Barre auseinandersetzen. Seine Karriere bisher: ein einziges Klischee. Arschloch – Kokser – Springer. Für Welt und B.Z. ist er jetzt als annehmbarer Kurzreportagenautor tätig. Unter dem nicht lustigen Namen Auch Deutsche unter den Opfern sind seine neuen Texte jetzt gesammelt erschienen. Es folgt keine Rezension des Buchs.
Nur so viel: Endlich darf er wieder das halbtote Poppferd durch Berlin-Mitte treiben und erzählen, dass Ulf Poschardt Dizzee Rascal ganz toll findet und Plattenläden doch ziemlich komisch sind. Und er reflektiert über Filme, die “zu den zehn, zwölf besten Filmen überhaupt gehören” und die er sich “allein deswegen nicht angucken kann, eben weil dieser Typ Film als UNWIDERSPRECHBAR GROSS gilt”.
Dazu gehören: “Chinatown, Scarface, Citizen Kane, Opfergang“. Das ist Blödsinn, im Groben; in den Details wird es sogar eklig. Denn seit wann gehört “Opfergang” von Veit Harlan, dem Prestigeregisseur der Nazis, gedreht zwischen dem Hetzschmutz Jud Süß und dem verfilmten Volkssturm Kolberg, zu den Meisterwerken des Kinos?
Die Faszination der Gefahr
Und, das ist das schrecklich Bemerkenswerte, Stuckrad-Barre ist nicht allein mit dieser Meinung. Bereits in den Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts verkündete Anatol Nitschke (heute Co-Geschäftsführer von Senator Film, damals Leiter des Werkstattkinos in München, wo er Filme von Harlan zeigte): “Die Nazi-Zeit war die Blütezeit des deutschen Films, daran kommt man nicht vorbei.”
Und 25 Jahre später dreht Oskar Roehler einen misslungenen Film über eben jene Blütezeit und ihre ganz besondere Krönung “Jud Süß” und schwärmt von der “perfekten Dramaturgie und glänzenden Schauspielerei” des Films.
Bei solch Huldigung könnte man fast meinen, Harlans Filme wären ein verschütteter Schatz der Kinogeschichte, den es zu entdecken gilt – aber nur von den Mutigen, denn Harlan ist gefährlich und nichts für schwache, ängstliche Opfer von Political Correctness und deutschem Schuldkomplex. Nazi? Nein! Künstler, Freigeist, großer Mann! Der Ernst Jünger des Kinos eben.
Zumutung ohne Geschmack
Aber Ernst Jünger war ein Idiot, und Veit Harlan konnte keine Filme machen. Scheinbar muss das wieder mal gesagt werden. Dabei reicht schon ein Blick auf seine Werke. “Jud Süß” endet nicht nur mit der Aufforderung, alle Juden aufzuhängen oder zu vertreiben, “damit unsere Kinder und Kindeskinder sicher sind”, sondern ist dazwischen auch grotesk schlecht, mit Figuren, die groß die Augen aufreißen, wenn sie etwas bedeutungsvolles sagen, und in aufgeblasenen Worten und gestelzten Sätzen sprechen.
Und nur weil seine vermeintlich “sicheren” Filme, Heimatschmonz wie “Die Goldene Stadt” oder eben “Opfergang”, keinen Dämonen-Itzig oder keine Durchhalteparolen vorweisen können, atmen sie nicht weniger den Blut-und-Boden-Moder des Dritten Reiches. Der bisweilen angestellte Vergleich mit Douglas Sirk ist obszön. Harlans geschmacklose Melodramen sind nichts weiter als schmieriger Heimattrash: Verfilmte ranzige Butter aus Deutschen Landen.
Und wer was anderes behauptet, hat echte Probleme mit seinem ästhetischen Empfinden oder sollte mal an seiner Menschwerdung weiterarbeiten. Sie können einem Leid tun, diese Harlan-Hipster.
20 Kommentare zu
Und @anne: Neid ist es nicht, denn keines der Dinge aus der von @zk dargelegten Viererkette halte ich für erstrebenswert.
Aber kann man ihn als so Fascho-Film-Fan abstempeln und in eine Reihe mit Roehler und Nitschke stellen, nur weil er diese Filme aufzählt. Ist das wirklich alles so aufregend? Mich regt im Moment viel mehr auf, dass der neue Roehler-Film verboten werden soll. Es ist ein ScheißFilm, ok, aber Verbot? Wie kann ich mir dann denn ein eigenes Bild machen, wenn ich ihn nichtt mal mehr anschauen kann?
Andererseits: Gerade las ich in der "Jüdischen Allgemeinen", dass für Roehler "Jud Süß" zu den "zehn besten deutschen Filmen" gehört. "Wie subtil er die Message rüberbringt!" 's ist ein Putz, wer sowas sagt, und ein bisschen erschreckt es mich, dass so eine Person tatsächlich einen Film über dieses Thema dreht...bah.
In der taz wurde er ja jetzt gleich als der neue Joseph Roth gefeiert... http://www.taz.de/1/leben/koepfe/artikel/1/tod-der-popliteratur/
Dieser Vergleich geht mir persönlich viel zu weit (zwar nicht ganz so stinkend, wie Harlan mit Sirk zu vergleichen) aber immer noch Welten, ja Welten dazwischen. Joseph Roth war einfühlsam, sprachgewandt, witzig, wachen Auges und auch mit Empathie. SO viel dazu.
@ Fabian: Aber eine Sache verstehe ich nich. Wiesi ust der Titel des Buches nicht lustig. Das ist doch das einzig lustige an dem Buch. Eine Anspielung auf diesen dämliuchen Satz, der immer in den Narchichtn kommt. find ich echt gut!
Und die Beobachtung mit dem Satz aus den Nachrichten ist auch schon zwanzig Jahre alt, oder älter. Bin mir sicher, dass schon bei Harald Schmidt noch zu Feuerstein-Zeiten gehört zu haben.
@Jorge: Da geht voll der Punk ab. Die sollten vielleicht mal zusammen was machen.
Ich bin ein riesiger Bewunderer seiner Schreibkunst, kaufte die Karten für diesen Abend mit Vorfreude, aber was aus dem Mensch Stuckrad-Barre geworden ist, hat mich tatsächlich sehr erschreckt. In den vorderen Reihen sitzend konnte man dem Schreibakrobaten sehr gut auf die dauerhaft zitternden Hände sehen, wenn mal kein Glimmstengel zwischen ihnen steckte. Ein Ausschank von der Wasserflasche in ein Glas wurde scheinbar zum Kraftakt. Nur mit dem Aufsetzen des Flaschenhalses am Glasrand war dies unfallfrei möglich. Oder war es nur das Lampenfieber?
Die Schweißausbrüche hatte er schon vor dem Auftritt, während der "Ulmen" ruhig und trocken blieb.
Nur die Mimik und Gestik verrieten einem geschulten Betrachter, wie es in einem Stuckrad-Barre tatsächlich aussieht. Darüber konnten auch die Scheinwerfer und der Überraschungsauftritt von Udo Lindenberg nicht hinwegtrösten. Schade, glaubte ich doch an eine endlich gute Wendung und an ein Stuckrad-Barre-Happyend. Ich hätte es ihm sehr gewünscht.