Kritik an Weltwirtschaft und Finanzkrise kommt vielen heute leicht von den Lippen – nicht nur den Linken. Doch wie können wir die ökonomische Situation tatsächlich verändern? Der Blogger, Journalist und Aktivist Robert Misik weiß weiter. Nachdem er in seinem aktuellen Buch “Anleitung zur Weltverbesserung” einen pragmatischen Ansatz entwickelt hat, erläutert er jetzt im Videointerview Maßnahmen. Auf die Frage WAS BLEIBT? antwortet Misik mit drei ganz konkreten Vorschlägen: Die Idee der Gleichheit muss wieder aufgewertet werden, geerbtes Geld muss radikal besteuert werden und last but not least: die Linken dürfen nicht ins Lamentieren verfallen.
33 Kommentare zu
ein Erbe ist ein Wert, der bereits besteuert ist. Das ist ein fiskal-ökonomische Tatsache. Etwas, was bereits besteuert ist noch einmal strafzubesteuern, hat nichts mit Gleicheit zu tun. Es ist schlicht und einfach Enteignung. Finden Salon-Sozialisten vielleicht toll. Ist aber in jeder Hinsicht ungerecht. In den kommunistischen Ländern waren solche Enteignungen an der Tagesordnung, aber diese Tagesordnung darf es nie mehr geben.
Falk Madeja
http://de.wikipedia.org/wiki/Erbschaftsteuer_%28Geschichte%29
Kommunismus ist nämlich - genau wie Faschismus/Nationalsozialismus - von Grund auf eine totalitäre Ideologie, die keineswegs auf der Besteuerung oder Enteignung von Vermögen oder Eigentum basiert (das ist nicht originär kommunistisch) ... Kommunismus bedeutet Anti-Humanismus genau wie Faschismus ... Kommunismus ist nicht gescheitert, wurde nicht schlecht umgesetzt, ist nicht dumm gelaufen ... sondern war von Anfang an totalität und anti-humanistisch (zugegeben: besser "humanistisch" getarnt als faschistischer Totalitarismus).
Fazit: Die Kommunismus-Keule im Zusammenhang mit der Erbschaftssteuer zu schwingen ist völlig unangebracht, pathetisch und kontraproduktiv für eine sachlichen Diskussion.
ad "Kommunismus muss nicht Enteignung bedeuten, sondern zum Beispiel Teilen von allem was da ist."
Kommunismus bedeutet genau das nicht - Kommunismus ist die Bezeichnung für eine totalitäre Ideologie. Und es wurde bereits vor über 20 Jahren in zahlreichen Debatten festgestellt (z.B. Francois Furet - "Das Ende der Illusion" - würde ich in diesem Zusammenhang wärmstens ans Herz legen), dass Kommunismus von Anfang an totalität war und ebenso eine anit-humanistische Bewegung ist wie der Nationalsozialismus/Faschismus. Die kommunistische Idee ist totalitär, nicht humanistisch ... war sie von allem Anfang an, sie ist nicht falsch/schlecht umgesetzt worden, nicht erst durch Stalin und den real existierenden Sozialismus "beschädigt" worden ... Kommunismus ist Totalitarismus (schön verpackt). Kommunismus ist nicht im Grunde ja eh humanistisch - ein linker Mythos!
Selbiges gilt übrigens auch für eine Vermögenssteuer. Ich erinnere mich da ganz gut an die österreichischen Budgetdiskussionen in den letzten beiden Jahren, wo die Idee einer bescheidenen Vermögenssteuer (die gar keinen unähnlichen Effekt wie die Erbschaftssteuer hätte) ab etwa €300.000 seitens der Schwarzen als Existenzkiller für sämtliche Klein-Häuslebauer am Land dargestellt wurde. Dass es sich in diesem Bereich um marginalste Beträge gehandelt, eine progressive Steuer also erst bei weit höheren Vermögen gezogen hätte, wurde bei aller Angstmache schnell unter den Teppich gekehrt.
das argument, steuern auf erben wären enteignung, ist ziemlich wahnwitzig. weil, ein arbeitnehmer, der 50 Prozent SPitzensteuersatz zahlt, ist ja auch "Besitzer" dieses Einkommens und das wird ihm "enteignet". Also, das Enteignen des Gehaltsbeziehers ist schon okay, aber das des Erben nicht? Sehr eigentümliche Logik. also, dieses argument geht nur, wenn man insgesamt für einen minimalsstaat plädiert, der KEINE steuern einhebt.
dass geerbtes geld vermögen ist, das ja schon mal besteuert wurde - ja, und? ein lohnempfänger, der einkaufen geht, zahlt jeden Tag Umsatzsteuer, also, er zahlt Steuer mit seinem Geld, das schon einmal besteuert wurde. Warum ist es in dem Fall okay, in einem anderen aber nicht?
2. Weil ich im Falle eines Einkaufs einen Tausch eingehe ...der versteuert wird und dafür etwas bekomme. Warum muss ich für etwas wofür der Tote (also sein Wille) nichts mehr bekommt (also sein Wille nicht gänzlich erfüllt wird) Steuern zahlen? Es ist ja kein Tausch vollzogen worden sondern nur ein Transfer von sauberem, versteuertem Geld.
3. Ich meine auch Schenkungssteuer ist meiner Meinung nach schwer nachzuvollziehen. Wenn ich meinem Bruder/schwester/Typen von neben an mein Geld schenken will, dann soll er es auch bekommen und fertig und nicht nochmal versteuert werden.
Hey Frederic,
deine Aussage stimmt nicht so ganz, da du nicht berücksichtigst, wie (!) eine Erbschaftssteuer erhoben wird.
Man kann ja analog zur ehemaligen, nicht-einheitlichen Körperschaftssteuer bei Betrieben z.B. zwischen thesaurierten (im U. verbleibende Gewinne) und nicht-thesaurierten Gewinnen (Barauszahlungen)unterscheiden, und das durch unterschiedliche Steuersätze lenken. Ist auch gar nicht so lange her, dass Gewinne, die im U. verblieben, deutlich niedriger besteuert wurden. Warum sollte das bei einer Erbschaft nicht gehen? Man könnte es sogar auf die Spitze treiben, indem man bei Betriebsvermögen überhaupt nicht besteuert und sehr hohe Steuern beim privaten Vermögen erhebt. Immobilien genau dasselbe; dazu müsste man das aktuelle Erbschaftsrecht wahrscheinlich nur geringfügig ändern, indem man einfach unterscheidet zwischen privatem und gewerblichen Immobilienvermögen, und diese auch wieder unterschiedlich besteuert. Die unterschiedliche Besteuerung macht es nicht einfacher, aber - richtig durchgeführt - deutlich gerechter...
Richtig ist auf jeden Fall, dass die Kapitalakkumulation (!) das Hauptproblem darstellt. Genau dadurch entsteht die Schere: Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer. Und genau da muss man ansetzen. Eine zweite, nicht erwähnte Möglichkeit wäre übrigens die automatische Entwertung von nicht investiertem Kapital - soz. Negativzinsen. Statt Zinsen für Erspartes zu kassieren würden die Sparvermögen dann an Wert verlieren... Auch ne nette Idee.
die Idee der Gleichheit haben wir vor ein paar Wochen aufgegriffen und sind dabei eine Genossenschaft zu gründen, die sich Nachhaltigkeit und neue Lernformen auf die Fahne geschrieben hat. Wir bieten noch vielen Menschen die Möglichkeit zur Mitwirkung.
Zu erben gibt es später nichts, weil ich irgendwann tot bin, aber die Genossenschaft weiterlebt.
Wir nennen uns übrigens "Allmende2" in Anspielung an das Gemeinschaftsland eines Dorfes in Verbindung mit den neuen Möglichkeiten des Web 2.0. Klingt nicht nur spannend - ist auch so!
Liebe Grüße
Udo Lindner
UL
Was denken Sie persönlich über den von Misik angesprochenen Punkt, dass die Idee der Gleichheit bei den Linken etwas in Verruf geraten ist?
es fällt mir schwer, "die Linke" zu beurteilen, allerdings glaube ich, dass es eine allgemeine Sehnsucht nach "Gerechtigkeit" gibt. Für mich (und andere) bedeutet Gerechtigkeit, nicht alles gleich, sondern gleiches gleich und ungleiches ungleich zu behandeln! Auch in den Schulen (oder wie ich in der Erwachsenenbildung) geht es verstärkt um einen Abschied vom "Lernen im Gleichschritt" zu einer Individualisierung der Lernprozesse (und letztendlich der Lebensentwürfe). Ich vermute, dass sich auch Linke der Tatsache von "Diversity" nicht verschließen können.
Die Welt ist komplexer geworden und die Einsicht ist gewachsen, dass wir auf Komplexität nicht mit Vereinfachung antworten sollten, sondern dass komplexe Probleme auch komplexe Lösungen verlangen. Das ist - leider - Wählern nicht so gut zu verkaufen...
Liebe Grüße
Udo Lindner
Mich stört übrigens immer diese fatale Vermischung der Begriffe. Kapitalismus, Marktwirtschaft, Neoliberalismus wird so gerne gleich gesetzt. Eine soziale Marktwirtschaft wird sehr wohl gesteuert, Ordoliberalismus hat sehr wohl gesellschaftliche Ziele und ist weit von Turbokapitalismus entfernt. Die Frage ist doch: haben wir überhaupt eine vernünftige Definition für Wohlstand und hat der Staat eine Zielvorstellung, ein Konzept? Anscheinend nicht, und daher ist auch nicht klar, wohin gesteuert werden sollte - und wie. In Deutschland werden doch immer wieder sinnvolle Marktmechanismen aus opportunistischen kurzfristigen Zielen (Wahlen) ignoriert. Schade, könnte man besser machen.
ganz recht "DIE LINKE" ist eine Partei und was aber hier damit gemeint ist, das ist was ganze anderes und NICHT homogen wie eine Partei, wenn eine Partei überhaupt homogen sein kann, in Wahrheit wird das doch nach aussen hin nur vorgetäuscht, damit man eine Linie hat und sich abgrenzen kann gegen+ber anderen Parteien: Identität!
Was nun die Bildung angeht: Wie kann Bildungsgerechtigkeit in unserer Gesellschaft hergestellt werden? Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt hat aber eklatante Probleme damit, diese Gerechtigkeit (oder Gleichheit) herzustellen. Ihr Vorschlag, auf komplexe Probleme mit komplexen Lösungen zu antworten, kann ich nur zustimmen. Andererseits tut sich auch hier wieder das Problem auf: Wir wollen die Lernenden individuell behandeln - das verstehe ich. Aber kommt man nicht auch ganz schnell in eine Argumentation, die aus der Wirtschaft nur allzuvertraut ist: "JedeR ist seines/ihres Glückes Schmied?"
Wie schaffen Sie es in Ihrer Arbeit in der Erwachsenenbildung diese Gratwanderung zu meistern?
denn folgende Antwort der Redaktion:
"es sollte doch möglich sein, alles erdenklich Gegebene so anzupacken, dass man sich die guten Seiten rausnimmt und die schlechten Seiten weglässt: das gilt auch für Kommunismus. Warum sollte man an einer Idee von Kommunismus festhalten, die mit Totalitarismus gleichzusetzen wäre?"
... also diese Antwort ist sowas von blauaäugig und naiv ... aber vor allem: genau DAS ist die Argumentation von EWIGGESTRIGEN aus dem rechtsextremistischen und rechtsradikalen und rechtspopulistischen Lager, die immer wieder betonen ... der Nationalsozialismus war ja gar nicht so schlecht ... ja gut, der Krieg und der Holocaust war halt blöd ... aber den Holocaust blendet man aus ... also die ganzen schlechten Dinge ... dann war's eh ok.
Das gilt auch für den Kommunismus ... ebenso totalitär, ebenso von Grund auf schlecht ...
Vielmehr geht es darum, nicht ständig Ideen, die genausogut "sozialistisch", "sozialdemokratisch", "kommunitaristisch" oder wie auch immer bezeichnet werden könnten dem Kommunismus zuzuschreiben (nur weil der sich diese Ideen pseudo-mäßig als Feigenblatt auf sein totalitäres Programm geheftet hat) ... es geht darum diesen alten (nicht originär kommunistischen) Ideen ein neues Label zu verpassen ... nicht dauernd den Kommunismus, der historisch und von der Idee her ganz klar totalitär ist, versuchen neu zu positionieren ... und damit zu verharmlosen!
Wohlgemerkt hat das nichts mit dem ursprünglichen Kommentar zu tun ... in dem ich eigentlich angemerkt habe, dass eben eine Besteuerung von Erbsschaft und Vermögen eben nicht mit Kommunismus gleichzusetzen ist!!!
Und es geht dabei eben nicht um Kommunitarismus --- sondern vielmehr um eine starke, harsche Kritik daran.
( https://berlinergazette.de/feuilleton/protokolle/minimum/ )
und insgesamt einen philosophischen Ausgangspunkt für Beschäftigung damit, die eine Neubestimmung initiieren will, davon was darunter verstanden werden könnte - in Zukunft.
Wir haben kürzlich auch einen Beitrag veröffentlicht, der von einem Philosophen aus Japan stammt, geschrieben unter dem Eindruck der Folgen von "3/11", auch hier wird die Idee des Kommunismus ins Spiel gebracht und meint tatsächlich auch nicht ein historisches Gesellschaftssystem, das restauriert werden soll, sondern eine Idee von Gesellschaft, die mal angedacht wurde, aber so noch nicht verwirklicht werden konnte. Hier geht es zum Text:
https://berlinergazette.de/karatani-kapitalismus-katastrophe-neubeginn/
Grundsätzlich verstehe ich den Gedanken durchaus (hab ja oben eh erwähnt, dass ich schon ... in etwa ... weiß wie ihr das meint). Es ging mir im Wesentlichen um diese "Romantisierung" des Kommunismus, die schon sehr früh bei westlichen "linken Intellektuellen" vorherrschend war (schon während des Kalten Krieges), wonach der Kommunismus eben ein gescheitertes Experiment sei ... im Grunde eine gute Idee, aber eben korrumpiert durch Stalin etc. - die Totalitarismusforschung hat diese Sichtweise mehrfach falsifiziert ... Kommunismus war schon immer von Grund auf totalitär.
Natürlich stimmt es, dass ein neues Gesellschaftssystem, das im Gegensatz zur Ungleichheit des herrschenden Systems steht, dringend angedacht werden muss ... dass dem neoliberalen oder marktextremistischen, rechten Gesellschaftsmodell wieder ein linker, egalitärer Gesellschaftsentwurf entgegengestellt werden muss, der Staat und Politik (also Gesellschaft) wieder ins Zentrum rückt (und den Markt wieder richtig positioniert) ...
... nur ist hier eben nach wie vor dieser romantische Blick auf den Kommunismus auch bei den Intellektuellen vorherrschend ... immer wird auf eine totalitäre Ideologie referenziert ...
... wäre es nicht auf der anderen Seite sehr, sehr fragwürdig, wenn die Prediger der "Leistungsgesellschaft" plötzlich sagen würden: Der Faschismus ist gescheitert, aber im Sinne einer starken, leistungsfähigen Gesellschaft müsste man ihn neu erfinden? Das wär doch (verständlicherweise) völlig inakzeptabel?
Was ich hier also aufzeigen wollte, ist diese eigenartige Romantisierung einer totalitären Ideologie durch "die Linken" bzw. durch "linke Intellektuelle" - die gleichzeitig bei viel geringeren Reminiszenzen in Richtung der anderen totalitären Ideologie (Faschismus/Nationalsozialismus) immer sehr aufgeregt sind.
Warum nicht Bezug nehmen auf Traditionen des Sozialismus oder auf die soziologischen Thesen von Marx (nicht den Marxismus) ... warum auf den Kommunismus (also auf Lenin, Trotzki, ... whoever)?