Deutschland hat einen neuen Superstar. Sein Name: Tim Bendzko. Im Sommer war sein Song „Muss nur noch kurz die Welt retten“ ganz oben in den Charts und ein Hit auf YouTube. Nun hat er auch noch den Bundesvision Song Contest gewonnen. Der Erfolg und sein Talent (er hat eine Schmuse-Stimme und schreibt poetisch klingende Songtexte) – all das scheint ihm nur so zuzufliegen. Mit diesem Image ist er ein typischer Vertreter der „Digital Natives“, denkt Berliner Gazette-Chefredakteurin Magdalena Taube.
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Zugegeben, Digital Natives klingt nicht schön. Dennoch wird die Wendung ziemlich oft benutzt, um jene Generation zu beschreiben, die eine Welt ohne Internet und Handy nicht kennt. Wer genau gehört zu dieser Generation? John Palfrey, von der Harvard-Uni, sagt: Alle die nach 1980 geboren sind. Das trifft auf Tim Bendzko zu – er wurde 1985 geboren. Warum sollte nun ausgerechnet er die Stimme dieser Generation sein? Ist da nicht einer wie Justin Bieber besser geeignet? Immerhin ist er der erste staatlich anerkannte YouTube-Star.
Bendzko oder Bieber?
Bendzko und Bieber lassen sich nicht wirklich vergleichen. Während Bieber seine Musik-Karriere mit fünf Jahren startete und sich das Gitarrespielen und Trommeln selbst beibrachte, stand bei Bendzko nie eine „Gitarre unterm Weihnachtsbaum“ – so strickt es zumindest die offizielle Bendzko-Biografie. Bei Justin Bieber ist Do-it-yourself (DIY) angesagt, bei Bendzko wird höchstens noch eine DIY-Pose eingenommen. Bendzko nahm irgendwann Gitarrenunterricht, alles andere kam von selbst.
Bevor Bendzko seine Musikkarriere startete, wollte er Profifußballer werden. Was für viele ein Traum ist, schien für ihn kein Problem: Sportgymnasium, Ausbildung beim Zweitligisten 1.FC Union Berlin. Diesen Plan gab er jedoch auf. Später die Uni: Ein Studium der Theologie brach er nach vier Semestern ab. „Da wusste ich eigentlich schon alles, was ich wissen wollte“, so Bendzko.
Bendzko scheinen die Dinge einfach zuzufliegen. Der erste, der wichtigste Grund, warum er meiner Meinung nach ein typischer Vertreter der Digital Natives ist. Während andere mühevoll üben und trainieren, hat er es einfach drauf. Dieses Draufhaben ist ein Markenzeichen der Digital Natives: Der Umgang mit technischen Geräten fällt ihnen leicht, sie müssen nicht üben, müssen sich nicht erst alles im langwierigen Training aneignen. Aneignen – das geht per Mausclick.
Bendzkos Songtexte: Selbst zusammengeklebt
Der zweite Grund, warum Bendzko den Digital Natives eine Stimme verleiht, lässt sich in seinen Songtexten finden. Bendzko dichtet die Stücke selbst, sein Chartstümer Nur noch kurz die Welt retten ist vollgepackt mit Gedankensplittern. Was beim ersten Hören vielleicht nach Poesie klingt, ist beim zweiten Mal ziemlich unsexy. Es hat vielmehr den Anschein, als hätte Bendzko Facebook-Statusmeldungen aneinandergeklebt oder ein paar Buzzwords in die Songtext-Suchmaschine eingetippt.
So sinniert er im besagten Stück: „Muss nur noch kurz die Welt retten / danach flieg ich zu dir. Noch 148 Mails checken / wer weiß was mir dann noch passiert / denn es passiert so viel.“ Die Zeile „muss nur noch kurz die Welt retten“ hat laut Bendzko ihren Ursprung in der Aussage des Freundes seiner Mutter, der gern Computerspiele spielt und sich immer mit „Ich geh mal kurz die Welt retten“ in seine Game-Welt verabschiedet. Okay.
Im zweiten Teil des Refrains tauchen dann die 148 Mails auf, die den Helden davon abhalten, irgendwo hinzugehen. Im Interview mit jetzt.de wurde Bendzko darauf angesprochen, ob die „148 Mails“ vielleicht als Kritik an Leuten aufgefasst werden kann, die Facebook zu wichtig nehmen. Das könne man durchaus so sehen, so Bendzko. Denn auf Facebook, „da hält man ja auch totalen Schwachsinn für etwas total Wesentliches“.
Der Mythos der Digital Natives
Klingt da auch ein Stück weit Selbstkritik an? Immerhin gesteht sein Albumtitel „Wenn Worte meine Sprache wären“, dass Worte nicht seine Stärke sind. Taucht man tiefer in die Bendzko-Welt ein, stellt sich schnell das Gefühl ein: Das ist alles nicht bis zu Ende gedacht. Bendzko hat eine schöne Stimme und er hat Ideen für Songtexte. Doch der Mythos, der um ihn gestrickt wird, ist trügerisch.
Der Mythos geht etwa so: Du kannst es schaffen und du brauchst eigentlich gar nicht so viel dafür tun. Was natürlich nicht stimmt. Ähnlich verhält es sich mit der „angeborenen“ Medienkompetenz der Digital Natives: Der Vorsprung dieser Generation liegt doch nicht darin, dass sie spielerisch-leicht mit den Digitalmedien umgehen kann, sondern dass sie eine Affinität für jene Geräte und Oberflächen hat, von denen sie schon immer umgeben war.
Die Frage, was man auf dieser Basis anstellen kann, um “die Welt zu retten” oder einfach nur um einen Beitrag zu leisten, den vorangegangene Generationen nicht leisten konnten – diese Frage werden Digital Natives noch beantworten müssen. Tim Bendzko verleiht dieser Suche eine Stimme.
12 Kommentare zu
Dein Punkt, dass es für junge Musiker anhand der Fülle von Informationen im Netz heute sehr schwierig ist, einen eigenen Stil zu finden, finde ich sehr gut, darüber würde ich gern mehr lesen!
Dann habe ich Dich wohl missverstanden. Ich habe eher ein Problem mit dem Begriff, vielleicht auch weil ich Ihn vorher noch nicht gehört habe. Aus der Generation X ist also also eine Generation "Digital Native" geworden :-)
Ich kann nur nicht richtig nachvollziehen woran man festmachen kann, dass ihm alles so "zufliegt"?
Den Punkt mit dem eigenen Stil kann ich gern mal mit einem Artikel näher erläutern.
Ich kann allerdings nicht recht nachvollziehen, warum Bendzko ein Digital Native sein soll. In seinen Texten greift er meiner Meinung nur auf, was mittlerweile in der breiten Masse angekommen ist: Internet, Facebook, Mails.
Rolf