• Von Netzen, Regenrinnen und Baustellen

    Ein feines Netz liegt ueber dem Hauptgebaeude der Justus-Liebig-Universitaet Giessen. Gruen und enmaschig. Es flattert leicht, wenn der Wind weht. Das Netz markiert das Gebaeude als Baustelle, es koennte aber auch als Verkleidung wahrgenommen werden, speziell installiert fuer die Tagung Web as Culture.

    An drei Tagen trafen sich hier Wissenschaftler aus Deutschland, Asien, Suedeuropa und dem anglo-amerikanischen Sprachraum, um ueber das Netz der Kulturen und die Kultur der Netze zu debattieren. Ich habe das Berliner Gazette-Projekt McDeutsch vorgestellt. Hier wurde Sprache als ein Netz von globalen Beziehungen begreifbar und das Internet als die gegenwaertig am weitesten entwickelte Infrastruktur, um diese Beziehungen zu entfalten.

    Ueber diese Dinge liess sich sprechen, natuerlich in den stickigen Tagungsraeumen, jedoch besser noch im Gutter. Was im Englischen fuer Regenrinne steht, ist ein Fachbegriff, welcher den Raum zwischen den Panels eines Comics bezeichnet. Am vergangenen Wochenende trug dieser Comic den Untertitel Ethnographische, linguistische & didaktische Perspektiven. Besonders anregend und ergiebig waren die Auseinandersetzungen und Gespraeche zwischen den einzelnen, stark formatisierten und weitgehend standardisierten Tagungsbeitraegen. Genauer gesagt: in den Pausen. Auf dem Flur, im Cafe, im Restaurant. Aber auch im Zug, wo man sich zufaellig trifft, auf dem Rueckweg, oder bei der Weiterfahrt, je nachdem.

    Eine Romanistin, die u.a. zu Wolgadeutschen in Argentinien forscht: Menschen, die aus Deutschland nach Russland und spaeter nach Suedamerika zogen. Eine Juniorprofessorin aus Rostock, die als Anglistin Korpuslinguistik am Beipiel von Zeitungen betreibt. Eine Franzoesisch-Professorin aus Rom, die sich fuer Sprachpolitik und die Problematik der Nation interessiert.

    Deutlich wurde: McDeutsch thematisiert all das. Wie koennen wir das Nationale (dafuer steht nicht zuletzt die Sprache) heute neu denken und modellieren? In einer Zeit, in der es unmoeglich geworden ist etwas auszublenden, was das Nationale ueberhaupt erst zur Konstitution verhalf, seinerzeit im ausgeblendeten Zustand: das Globale.


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