Kindheit
Den romantisierenden Blick zurück in die Vergangenheit nennt man Nostalgie. Die Kindheit ist ein Schauplatz, ein Objekt dieses Blickes, der erst später seinen besonderen, auch ästhetischen Reiz, erhält. Erst sehr viel später weiß man Erinnerungen an die Kindheit als etwas, was man unwiederbringlich verloren hat, zu schätzen. Nie wird man wieder so unbefangen spielen, den Weihnachtsmann gibt es schon lange nicht mehr, die Räder des Dreirades haben aufgehört, sich zu drehen. Der Wald riecht heute anders, das Eis schmeckt anders, die Welt ist ein Zug, der nur in eine Richtung fährt und nie anhält. Für mich haben diese Schwarzweißfotos der Fünfziger Jahre etwas Besonderes. Mein “Heimatfilm” dreht sich ganz egozentrisch um mich selbst. Die Musik der Beatles „When I´m sixtyfour“ musste aus Copyrightgründen weichen, gab dem Ganzen eine humorvolle Note. So bin ich nun auf gemeinfreie Gitarrenmusik ausgewichen, die es irgendwie tragender macht.
die beiden kleinen jungen vor der mauer sind sehr ausdrucksstark fotografiert.
Liebe Iris Nebel,
erst einmal herzlich willkommen bei meinem bescheidenen Blog. Sie müssen sich wahrscheinlich über Melusine oder Syra hierher „verlaufen“ haben. Was das Foto aus den Fünfziger Jahren betrifft, haben Sie natürlich absolut recht. Ich fand es von allen Fotos, die ich für diesen kleinen Film ausgesucht habe auch am „ausdrucksstärksten“. So sehen die „new kids on the block“ heute nicht mehr aus. Mit kurzer Leder- oder Strickhose stehen die beiden da, beinahe etwas verschmitzt in die Kamera schauend, lässig neugierig in die Linse. Ich weiß nur, dass es zwei Söhne einer entfernten Verwandtschaft von mir sind, vermutlich der Ältere in Lederhose und sein jüngerer Bruder. Ich glaube, es war sogar dieses Foto, das mich überhaupt auf die Idee gebracht hat, einen „Kindheitsfilm“ zu machen. Ob der Fotograf dabei wirklich über das Motiv hinaus professionell fotografieren konnte, sei dahingestellt. Wenn der Zufall solch bleibende Erinnerungen an eine vergangene Zeit festzuhalten vermag, muss auch ein Schuß Magie darin gelegen haben. Dass Sie dies sofort erkennen, steht für mich ausser Frage.
ich denke, die magie des bildes kommt von mimik und gestik der kleinen burschen, weniger vom outfit.
die luemmeln sich so an der mauer, wie 2 spitzbuben, denen man keinen streich uebel nehmen kann.
„richtige“ jungs. mich wuerde interessieren, was aus ihnen geworden ist.
und das outfit ist so richtig symbol seiner zeit.
das projekt erinnert mich an die hochinteressante, ziemlich deprimierende langzeitstudie „die kinder von golzow“.
Danke für den Hinweis auf „Die Kinder von Golzow„. Ich kenne nur Ausschnitte des Filmprojekts, ich meine mal auf 3Sat. Das Dokumentarische hat immer etwas Desillusionierendes. Ich bin Jahrgang 1954, das ist genau die Generation, die auch in dem Filmprojekt begleitet wird. Die beiden „spitzbübigen Jungs“ sind allerdings aus dem Westen, soweit ich weiß aus dem Solling bei Uslar und sie sind Bauernsöhne gewesen, die den Hof dort dann auch wohl weitergeführt haben. Mein Blick ist natürlich auch etwas selbstbezogen nostalgisch auf diese Zeit. Sie hat für mich deshalb einen besonderen Reiz, weil die Kultur mich damals in der Kindheit geprägt hat und ich heute mit soviel Abstand darauf zurückblicken kann. Kritisch und liebevoll zugleich.