Der Buecherblogger

Glashausbesichtigung III

Aber du deutest doch an,  ̶  suchte sich Aeins vorsichtig zu vergewissern  ̶  daß dies alles einen Sinn gemeinsam hat?
Du lieber Himmel, ̶  widersprach Azwei  ̶  es hat sich eben alles so ereignet; und wenn ich den Sinn wüßte, so brauchte ich dir wohl nicht erst zu erzählen. Aber es ist, wie wenn du flüstern hörst oder bloß rauschen, ohne das unterscheiden zu können! 
                                                                                           (Robert Musil: “Die Amsel”)

Heute war nun der dritte Tag mit den letzten vier Lesungen. Also zunächst einmal meine sicher absolut objektive Sternchenbewertung:

        
SCHIMMERNDER DUNST ÜBER COBYCOUNTY

    
Geschwister

    
WESPE

     
9to5 Hardcore

Viele Texte schienen mir daran zu kränkeln, dass die Autoren zwar ihren Protagonisten eine Stimme zu geben versuchten, jedoch sprachlich nicht in der Lage waren, die gewählte Rolle dann auch mit einer authentischen Stimme und einem erzählerisch ästhetisch anspruchsvollen Stil ausstatten zu können. Den drei Autoren, wo mir das am besten unter den vierzehn doch gelungen erschien, Gunther Geltinger, Maja Haderlap und Leif Randt, habe ich deshalb vier Sterne gegeben. Gelungen fand ich weiterhin die Afghanistanerzählung von Linus Reichlin und die witzige, letzte Hardcorestory von Thomas Klupp. Auch den “Beziehungsgeschichten” der beiden jungen Autorinnen Antonia Baum und Anna Maria Praßler konnte ich etwas abgewinnen. Alle anderen haben mich zum Teil gelangweilt oder unterfordert, jedenfalls nicht wirklich mitgenommen.

Nichts macht Schreiben authentischer als die eigene Erfahrung. Natürlich darf diese nicht Eins zu Eins umgesetzt werden, aber die bloße Genauigkeit der Beobachtung von außen oder sich in eine Situation lediglich fiktiv hineinzuversetzen, haftet oft etwas Gekünsteltes an. Als Hauptfigur taugt nur eine Figur, die ich auch mit eigenem Erfahrungspotenzial füllen kann. Sonst bleibt der Text vielleicht artifiziell, spiegelt eine erdachte Welt, aber schafft beim Leser nicht die Betroffenheit, auf die es ankommt. Nicht die perfekt erzählte Geschichte, die auch, aber dieser letzte Schuss Authentizität macht für mich Literatur aus. Beim Vortrag des Bachmannpreisträgers 2010 Peter Wawerzinek hatte ich damals dies Empfinden, in diesem Jahr ist es bei mir ausgeblieben, deshalb auch keine fünf Sterne. Die Jury hat es morgen nicht leicht. Gut, dass es mehrere Preise gibt. Die Spannung steigt.