Roberto Bolaños “Amuleto”. Eine surrealistische Sklavenschwuchtel (Capítulo 8)

Uma Thurman lesend in Pulp Fiction

Bolaño beginnt zunächst in surrealistischer Manier die Avenida Guerrero mit einem im Kreis fließenden Styx zu vergleichen, um dann die Geschichte der Befreiung eines Homosexuellen aus dem sadistischen Zuhältermilieu zu beschreiben. Sie erinnert mich stark an eine ähnliche Szene aus „Pulp Fiction“ (1994) von Quentin Tarantino, in der das Messer Arturos zum Baseballschläger von Bruce Willis wird. Bolaño lässt diese Szene aus der Sicht seiner Schutzgöttin und “Mutter der mexikanischen Poesie” Auxilio Lacouture erzählen, die diese wie ein surrealistisches Gemälde skizziert. Ich vermute, Bolaño hat diesen Film gekannt und ist davon, ob bewusst oder unbewusst, beeinflusst worden. In beiden Szenen ist die erschütterndste Figur die des Jungen im Hinterzimmer, der grausam vergewaltigt und gefoltert wird. Was besiegt eigentlich die Gewalt? Meine Antwort: Nicht die Worte Arturos über den Tod, sondern seine Unerschütterlichkeit, seinen eigenen Tod in die Waagschale zu werfen. Um ein bisschen pathetisch zu werden, im übertragenen Sinne tat das auch Bolaño mit seinem Schreiben. Aber eigentlich sind das alles nur Flecken auf dem Fußboden eines unfreiwilligen Gefängnisses.

Da aber fing Arturo an, von anderen Dingen zu reden. Von dem kranken Jungen da hinten im Bett, er sagte, den da werde ich auch mitnehmen, er redete vom Tod und wieder von dem Jungen, der zitterte und dessen Gesicht jetzt unter der Decke hervorkam und uns anstarrte, und er sprach über den Tod, sich ein ums andere Mal wiederholend, und immer wieder kam er auf den Tod zu sprechen, als wolle er dem Stricherkönig von Guerrero zu verstehen geben, dass der Tod ein Thema sei, bei dem dieser gar nicht mitreden könne, und in diesem Augenblick schoss mir durch den Kopf: Er fabriziert Literatur, Erzählungen, das alles stimmt ja gar nicht…”