Der Buecherblogger

Il Futuro – Eine Lumpengeschichte in Rom

Alicia Scherson:Il Futuro – Eine Lumpengeschichte in Rom. Deutscher Trailer. Kinostart 12. September 2013

Seit ich Bolaños Una Novelita Lumpen (Lumpenroman) gelesen habe, verfolgten mich zwei Sachen: die packende und steife Erzählstimme Biancas, die wie eine erwachsene Frau die Geschichte ihrer unsicheren Zukunft erzählt. Sie erzählt mit einer solch absoluten Klarheit, dass sie sogar die komischsten Seiten der Tragik offenbaren kann.
Zweitens war ich von der Handlung fasziniert. Unwahrscheinlich, verdreht, zeitgenössisch. Eine Geschichte, die aus Resten billiger Filme und Romane aufgebaut ist; eine Waise, die sich  für die Idee zweier muskulöser Charmeure prostituiert, ein blinder Schauspieler, der seinen Reichtum in einem Tresor aufbewahrt, zwei arme Kinder, die von ihrer Zukunft träumen.
Der Film, wie auch der Roman, spielt im heutigen Rom. Die chilenischen Waisen werden am Rand dieser unmöglichen Stadt Rom ihrem Glück überlassen, am Rand europäischer Dekadenz. So beginnen sie, auf ihre bizarre Art zu trauern und begeben sich auf dieses tollpatschige, gefährliche und irgendwie lächerliche Abenteuer.
Der Film könnte aber auch eine neue Folge der Maciste-Saga sein. Eine Folge, in der der Held etwas gealtert ist und das hilflose Mädchen ihre Rettung selber finden muss. Vielleicht keine triumphierende Rettung, aber eine durch die sie überlebt, um ein neues Abenteuer zu beginnen.
(Regiekommentar von Alicia Scherson)
Wir vertrieben uns die Zeit mit Fernsehen, sahen erst Talkshows, dann Zeichentrickfilme, schließlich das Frühstücksfernsehen über berühmte Leute. Aber davon später mehr. Fernsehen und Video spielen in dieser Geschichte eine wichtige Rolle. Noch heute, wenn ich nachmittags alles erledigt habe und den Fernseher einschalte, kommt es mir so vor, als sähe ich auf der Mattscheibe die junge Kriminelle, die ich einmal war, aber dieser Anblick währt nur kurz, nur so lange, wie der Apparat braucht, um anzugehen. In diesen Sekunden kann ich jedoch die Augen der Person sehen, die ich war, kann ihr Haar sehen, ihre verächtlichen Lippen, ihre Wangen, die kalt aussehen, und ihren Hals, der ebenfalls an kalten Marmor erinnert und dessen kurzer Anblick mir fast das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Roberto Bolaño: Lumpenroman