Der gute Wolf und andere Tiergeschichten

by Zeichensetzerin Alexa

„Fünf Geschich­ten, so wert­voll und tief­sin­nig, dass man sich wünscht, jedes Kind bekäme die Mög­lich­keit, sie zu hören, die Moral aus ihnen mit­zu­neh­men und mit einer guten Ein­stel­lung aufzuwachsen.“

Cover © Nord­Süd Verlag 

Das Kin­der­buch „Der gute Wolf und andere Tier­ge­schich­ten“ ent­hält fünf Geschich­ten mit wun­der­schö­nen, far­ben­fro­hen Illus­tra­tio­nen von Józef Wil­koń. Fünf ver­schie­dene Autoren erzäh­len dabei auf kind­ge­rechte Art von Wer­ten und Nor­men, Vor­ur­tei­len und Streit. Prot­ago­nis­ten der Geschich­ten sind stets Tiere, manch­mal als Beglei­tung eines mensch­li­chen Freunds.

Gleich die erste Geschichte „Die Geschichte vom guten Wolf“, geschrie­ben von Peter Nickl, greift Vor­ur­teile als Schwer­punkt auf. Oft­mals wer­den den Tie­ren bestimmte Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten zuge­schrie­ben: der Wolf ist böse, der Hase ängst­lich, der Fuchs schlau und die Eule klug. Der Groß­va­ter des Wol­fes schimpft des­we­gen: „Das ist eine dumme Aller­welts­weis­heit (…) und stimmt genauso wenig, als sagte man: Die Schot­ten sind gei­zig, die Spa­nier stolz oder alle Mäd­chen in Polen sind schön.“ Dar­auf­hin erzählt er die Geschichte vom guten Wolf, der als Arzt ver­sucht hat, den Tie­ren im Wald zu hel­fen. Da aber alle dach­ten, Wölfe seien böse, wollte zunächst kei­ner seine Hilfe anneh­men. Erst als der Win­ter kam und ihnen nichts ande­res blieb, als jede Hilfe anzu­neh­men, wand­ten sie sich an den Wolf – und muss­ten fest­stel­len, dass er alles andere als böse war! Seine Weis­heit und Hilfs­be­reit­schaft ver­brei­tete sich rasch im Wald, sodass ihn alle nur noch als den guten Wolf kann­ten. Eine Geschichte, die zeigt, wie schnell man alle in einen Topf wirft und Vor­ur­teile unser Han­deln beeinflussen.

In „Hase hopp-hopp-hopp“ von Josef Gug­gen­mos beglei­ten Hasen den Leser durch die Jah­res­zei­ten. Ver­schie­dene lyri­sche Texte erzäh­len von Oster­ha­sen, die Eier bema­len, von Hasen, die zum Regen­bo­gen lau­fen oder vom Bauer weg­lau­fen. Texte, die beschrei­ben, was Hasen das ganze Jahr über machen und deut­lich machen, dass Hasen nicht nur an Ostern da sind!

Einen star­ken Freund wünscht sich das Mäd­chen in der Geschichte „Hol­pel­tol­pel, star­ker Freund“ von Her­mann Moers. In die­ser erscheint ein Bär aus einem Bil­der­buch und beginnt dem Mäd­chen in ver­schie­de­nen All­tags­si­tua­tio­nen zu hel­fen. Er hilft ihm durch den star­ken Ver­kehr zu kom­men, hält ihm die schwere Tür auf und schlich­tet einen Streit mit einem Jun­gen, der das Mäd­chen stän­dig an den Haa­ren zieht. Wenn das Mäd­chen allein zu Hause ist, weil die Mut­ter ein­kau­fen gehen muss, passt der Bär auf sie auf. Ein Freund, auf den man sich ver­las­sen kann!

Dass man sich auch mal täu­schen kann, zeigt die Geschichte „Mis­ter Browns Katze“ von Sla­wo­mir Wol­ski. Die Katze, die bei Mis­ter Brown wohnt, ist näm­lich gar keine Katze, son­dern ein Tiger! Und er wächst von Tag zu Tag immer mehr. Was also tun? Mis­ter Brown kann doch kei­nen Tiger zu Hause hal­ten! Also ver­sucht er, dem Tiger ein neues Zuhause zu fin­den: im Zoo und im Zir­kus zum Bei­spiel. Aber jedes Mal passt etwas nicht und der Tiger ist so trau­rig, dass Mis­ter Brown ihn doch wie­der mit nach Hause nimmt. Und dann hat er eine Idee, wie er sei­nen Tiger sorg­los bei sich behal­ten kann…

„Der Streit um den Regen­bo­gen“ von Sieg­fried P. Rupprecht zeigt uns die Sinn­lo­sig­keit eines Kriegs. Er erzählt von den Län­dern der Wölfe und Bären, die jeweils ihren eige­nen König haben. Sie leben in Frie­den neben­ein­an­der, fei­ern gemein­sam Feste, laden sich gegen­sei­tig gerne ein. Bis eines Tages ein Regen­bo­gen erscheint. Alle sind über­wäl­tigt von die­ser Schön­heit! Diese Far­ben! Doch dann ver­schwin­det der Regen­bo­gen wie­der und die Bären und Wölfe geben sich gegen­sei­tig die Schuld daran. Beide Län­der behaup­ten, das jeweils andere hätte den Regen­bo­gen ver­steckt! Unter den Tie­ren ent­steht Unruhe und die Könige beschlie­ßen, dass so etwas nur mit einem Krieg geklärt wer­den kann. Doch ist Krieg wirk­lich eine Lösung? Ein wei­ser Bär gibt den Rat, in bei­den Län­dern nach dem Regen­bo­gen zu suchen. Die Wölfe im Bären­land und die Bären im Wolfs­land. Als die Gene­räle am nächs­ten Mor­gen zu den Waf­fen rufen, müs­sen sie fest­stel­len, dass kei­ner erschie­nen ist… Eine Geschichte, die uns vor Augen führt, dass das Volk gar kei­nen Krieg will und seine Pro­bleme viel lie­ber anders löst!

Fünf Geschich­ten, so wert­voll und tief­sin­nig, dass man sich wünscht, jedes Kind bekäme die Mög­lich­keit, sie zu hören, die Moral aus ihnen mit­zu­neh­men und mit einer guten Ein­stel­lung auf­zu­wach­sen. Aber nicht nur für Kin­der ist die­ses Buch geeig­net: auch den Erwach­se­nen wird noch ein­mal vor Augen geführt, wie falsch Vor­ur­teile sind, wie sinn­los der Krieg ist, und wie ein­sam sich Kin­der füh­len kön­nen. Ob unsere Welt ein klein wenig bes­ser wäre, wenn jeder offen wäre für sol­che Geschich­ten? Denn sind nicht wir es, die einem Regen­bo­gen hin­ter­her­ja­gen, ande­ren die Schuld an sei­nem Ver­schwin­den geben und uns dar­auf bekrie­gen? Wäre nicht alles schö­ner, wenn jeder mit offe­nen Augen durch die Welt ginge?

„Der gute Wolf und andere Tier­ge­schich­ten“ hat mir jeden­falls erneut Herz und Augen geöff­net und ich hoffe sehr, dass es auch vie­len ande­ren Lesern genauso erge­hen wird wie mir. Ein Bil­der­buch, das defi­ni­tiv in jedes Bücher­re­gal gehört!

Illus­tra­to­ren­por­trait

Józef Wil­koń, gebo­ren am 12. Februar 1930 in Bogu­cice bei Wie­li­czka, gilt als Vater der moder­nen pol­ni­schen Kin­der­buch­il­lus­tra­tion. Über 100 Bücher mit eige­nen Geschich­ten und ande­rer nam­haf­ter, frem­der Autoren hat er bereits illus­triert. Für „Rosa­lind das Kat­zen­kind“ erhielt er den Ehren­preis „Pre­mio Gra­fico“ auf der Buch­messe in Bolo­gna. Mit dem Kin­der­buch „Der gute Wolf und andere Tier­ge­schich­ten“ will der Nord­Süd Ver­lag die­sen Klas­si­ker des Kin­der­buchs im deutsch­spra­chi­gen Raum wie­der sicht­bar machen.

Über die Kunst des Illus­trie­rens sagt Wilkoń:
„Es ist ein­fach, falls man einige Dinge weiß. Zuerst muss man wis­sen, wie das, was man malen will, aus­schaut: Ein Mensch, ein Fisch, ein Vogel, ein Blatt oder ein Tier. Dann, wie es sich bewegt: Wie es rennt, kriecht, schleicht oder fliegt. Für viele ist dies das Ende des Lern­we­ges. Einige gehen aber wei­ter und kön­nen die Tages­zei­ten malen, den Mond, wie er scheint, einen Vogel, der singt, sie kön­nen sogar Sor­gen und Freude malen, Angst und Mut. Wenige kön­nen Schlaf, Ruhe und sogar den Geruch und Geschmack einer Frucht malen. Wenn man all dies weiß, muss man noch wis­sen, wie man Text und Illus­tra­tion zusam­men fügt, so dass sie sich ergän­zen und eine Span­nung im Buch wächst wie beim Thea­ter und alles in die rich­tige Zeit und rich­tige Pro­por­tion bringt.“
– JÓZEF WILKOŃ: Wo die Bücher vom Him­mel fal­len – Bücher, Bil­der und Filme aus Polen. SK Stif­tung Kul­tur aus dem Jahr 2000.

Alexa

Titel: Der Wolf und andere Tiergeschichten
Autoren: Peter Nickl, Josef Gug­gen­mos, Sla­wo­mir Wol­ski, Her­mann Moers, Sieg­fried P. Rupprecht
Illus­tra­tor: Józef Wilkoń
Ver­lag: Nord­Süd, Erschei­nungs­jahr: 2014

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7 comments

Elvira 27. März 2014 - 10:54

Die­ses Buch habe ich sofort 2x bei dem Buch­händ­ler mei­nes Ver­trau­ens bestellt! Das ist doch ein wun­der­ba­res Oster­ge­schenk für meine Enkel­kin­der! Danke für den Tipp!
Elvira

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Bücherstadt Kurier 1. April 2014 - 21:30

Das freut uns sehr! Viel Freude beim Lesen!

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Elvira 2. April 2014 - 21:25

Die Bücher war­ten nun auf das Ver­schenkt­wer­den. Natür­lich habe ich zuerst die Geschich­ten gele­sen und bin sehr begeis­tert. Auch die Buch­händ­le­rin hat sich über die­sen Kauf sehr gefreut. Sie kannte aller­dings nur die ein­zel­nen Geschich­ten und nicht alle ver­eint in einem Buch.

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Der Sonntagsleser KW#13 März 2014 | Lesen macht glücklich 30. März 2014 - 8:13

[…] guter Letzt noch etwas für die Klei­nen, vor­ge­stellt vom Bücher­stadt­ku­rier. Das Buch “Der gute Wolf und andere Tier­ge­schich­ten” stellt dabei so man­ches Klischee, […]

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Elvira 27. April 2014 - 11:10

So, die bei­den Bücher sind ver­schenkt und haben zwei völ­lig unter­schied­li­che Reak­tio­nen aus­ge­löst. Meine knapp fünf­jäh­rige Enkel­toch­ter wollte das Buch nicht ein­mal in die Hand neh­men. “Das will ich nicht! Das kön­nen meine Eltern haben!”, war ihre erste Reak­tion. Ich bin zunächst nicht wei­ter dar­auf ein­ge­gan­gen, werde aber beim nächs­ten Besuch das Buch ein­fach auf­schla­gen und nicht mit der Wolfs­ge­schichte begin­nen. Ich hätte nicht gedacht, dass das Mäd­chen schon so vom wolf­has­sen­den ande­ren Opa (Jäger!) beein­flusst wor­den ist (obwohl sie ihn nur sel­ten sieht). Der vier­jäh­rige Sohn mei­nes ande­ren Kin­des hin­ge­gen wollte die Geschich­ten sofort hören. Er ist “Fan” von Yakari und nimmt den Wolf nicht als böse wahr.

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Bücherstadt Kurier 1. Juni 2014 - 19:18

Da sieht man mal wie­der, wie schnell man Kin­der beein­flus­sen kann... Hat sich denn die Gele­gen­heit erge­ben, das Mäd­chen an das Buch her­an­zu­füh­ren? Und auch wenn nicht: zum Lesen zu zwin­gen ist ja auch keine Lösung, dann lie­ber ein ande­res Buch zum Vor­le­sen aus­wäh­len! Ich habe das Buch vor Kur­zem auch mei­ner Oma zum Geburts­tag geschenkt – die war auch begeis­tert und freut sich dar­auf, die Geschich­ten ihren Enkeln vor­zu­le­sen (beide im Grund­schul­al­ter). 🙂 LG, Alexa

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Elvira 1. Juni 2014 - 21:25

Meine Enkel haben mehr Bücher als Lego­steine – selbst die Jüngste, gerade 18 Monate alt, rennt sofort zum Bücher­re­gal, wenn ich frage, was sie gerne machen möchte. Vor­le­sen ist für alle noch das Größte. Daher ist es nicht schwie­rig, das Wolf­buch erst ein­mal im Regal zu las­sen. Und nein, bis­her hat sich keine Gele­gen­heit erge­ben, ihr das Buch näher zu brin­gen. Aber ich war schon immer ein sehr gedul­di­ger Mensch. Irgend­wann wird sich die Gele­gen­heit erge­ben, über­haupt über Wölfe zu reden und all die ande­ren “bösen” Tiere wie Tau­ben, Krä­hen und, und, und. 

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