Der Liebende von Abschweifungen

by Zeilenschwimmerin Ronja

Eine Nomi­nie­rung für den Deut­schen Buch­preis weckt gewisse Erwar­tun­gen: wun­der­volle Spra­che, eine bewe­gende, gran­dios erzählte Hand­lung, gut ver­mit­telte phi­lo­so­phi­sche Erkennt­nisse über Leben, Tod und allem, was dazwi­schen liegt. Viel­leicht hat Zei­len­schwim­me­rin Ronja das Fal­sche erwar­tet. „Die Lie­ben­den von Man­tua“ wird dem näm­lich nicht gerecht.

Zwei Freunde, Manu und Raffa, tref­fen sich in Man­tua wie­der. Der eine will über das Ver­schwin­den der Lie­ben­den von Man­tua, einem sich umar­men­den Ske­lett­pär­chen aus der Jung­stein­zeit, schrei­ben. Der andere möchte über die ver­blie­ben­den Schä­den eines Erd­be­bens berich­ten. Kurz dar­auf wird Manu von einem­ge­heim­nis­vol­len Gra­fen ent­führt, der mit den Lie­ben­den von Man­tua als Sym­bol eine neue Reli­gion erschaf­fen will.

So span­nend wie die Hand­lung klingt, liest es sich lei­der nicht. Kapi­tel­lang geschieht nichts. Die bei­den Haupt­fi­gu­ren trei­ben pas­siv in ihren eige­nen Gedan­ken umher. Raffa, der sich um sei­nen Freund sorgt, besucht lie­ber Renais­sance-Gebäude, als ihn zu suchen. Aber auch Manu selbst unter­nimmt kei­nen Flucht­ver­such, son­dern erkun­det lie­ber nachts das Haus des Gra­fen. Die Hand­lung tritt in den Hin­ter­grund. Statt­des­sen fin­den sich sei­ten­lange Dia­loge oder Mono­loge und ver­wir­rende, phi­lo­so­phi­sche Gedan­ken­gänge, die sich mit den geschicht­li­chen Infor­ma­tio­nen des Erzäh­lers ver­mi­schen. Erst auf den letz­ten drei­ßig Sei­ten kommt etwas Span­nung auf. Doch selbst die klingt so rasch wie­der ab, dass es kei­nen Aus­gleich für ihr vori­ges Feh­len bietet.

„Wie kön­nen Sie es wagen, die Lie­ben­den von Man­tua hier ein­zu­sper­ren? Was soll die schwüls­tige Insze­nie­rung ihres schlich­ten gemein­sa­men Able­bens?“ (S. 109)

Eine Ret­tung durch die Spra­che erfolgt lei­der nicht. Ralph Dutli hat eine aus­ge­feilte Schreibe, die sich eigent­lich auch ange­nehm lesen lässt. Doch es mischen sich auch einige Fach­be­griffe und Wort­neu­schöp­fun­gen wie „Strei­chel­brett­chen“ für einen Tablet-Com­pu­ter hin­ein. Diese wir­ken eher stö­rend und letz­te­res vor allem auch etwas lächer­lich. Die Bedacht­heit und Lang­sam­keit sei­ner Spra­che steht dabei auch im kras­sen Gegen­satz zu der bei einer Ent­füh­rungs­ge­schichte eigent­lich erwar­te­ten Spannung.

Auch die dritte Erwar­tung wurde nicht erfüllt. Obwohl phi­lo­so­phisch-geschicht­li­che Abschwei­fun­gen mehr als aus­rei­chend zu fin­den sind, bleibt doch der Punkt „gut ver­mit­telt“ auf der Stre­cke. Die Aus­sage die­ses Romans wird nicht deut­lich. Statt­des­sen blei­ben Ver­wir­rung und Unver­ständ­nis. Einen wei­te­ren Stör­fak­tor gibt es noch: feh­lende Anfüh­rungs­zei­chen. Wört­li­che Rede, Gedan­ken und Erzäh­ler­stimme ver­flie­ßen und sind nicht zu tren­nen. Gesprä­chen zwi­schen Figu­ren kann man schlecht fol­gen, weil sie nicht mal durch „er/sie sagte, fragte“ etc. kennt­lich gemacht wer­den. Ver­ständ­nis­pro­bleme und mehr­ma­li­ges Lesen einer Seite, um diese zu besei­ti­gen, sind da vorprogrammiert.

Wer also nicht unbe­dingt alle im Jahr 2015 nomi­nier­ten Bücher gele­sen haben will, kann sich auch nur mal kurz am ele­gan­ten Buch­co­ver erfreuen und dann wort­wört­lich „dane­ben greifen“.

Die Lie­ben­den von Man­tua. Ralph Dutli. Wall­stein Ver­lag. 2015.

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2 comments

Deutscher Buchpreis 2015 – Die Shortlist | Bücherstadt Kurier 16. September 2015 - 12:14

[…] gemacht, wel­che der Titel wir vor­stel­len wol­len. Bis­her ist von uns die Buch­be­spre­chung zu “Die Lie­ben­den von Man­tua“ von Ralph Dutli erschie­nen. Wei­tere Titel sol­len in nächs­ter Zeit besprochen […]

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nettebuecherkiste 2. Oktober 2015 - 14:20

Ich fand die meis­ten Wort­spie­le­rein miss­glückt, hab sel­ten in einem Buch so viel unter­schlän­gelt, gestöhnt und die Augen ver­dreht. Manch­mal hab ich auch lachen müssen 😉

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