Die Dämonin, die eine Heldin ist

by Bücherstadt Kurier

Februar ist Black History Month. Bücher­städ­te­rin Vera liest dann mit Vor­liebe Bücher schwar­zer Autor*innen. Das Fan­tasy-Debut von Namina Forna, „Die Göt­tin­nen von Otera: Gol­den wie Blut“ kam für sie dafür genau zur rech­ten Zeit. Es geht darin um Selbst­fin­dung, Eman­zi­pa­tion und die Erkennt­nis, dass man nicht nur gegen Mons­ter, son­dern auch gegen unge­rechte Sys­teme kämp­fen kann.

Die sech­zehn­jäh­rige Deka will nur eines: in ihrem Dorf end­lich dazu­ge­hö­ren, trotz ihrer dunk­len Haut. Dazu muss sie nur das Rein­heits­ri­tual bestehen, das sie zur voll­wer­ti­gen Frau der Gemein­schaft erklärt. Und eine Frau, so will es Gott Oyomo, ist dem Mann unter­ge­ord­net, sitt­sam mas­kiert, und vor allem: rein. Rotes Blut, das bedeu­tet Rein­heit. Fließt es jedoch gol­den, so ist eine Frau ein Dämon, der eli­mi­niert wer­den muss. Als „Todes­ru­fer“, grau­same Mons­ter, das Dorf angrei­fen, ent­deckt Deka das Undenk­bare: Ihr Blut ist flüs­si­ges Gold. Ein Todes­ur­teil? Ja, und nein. Denn egal, wel­che Grau­sam­keit man ihr antut, immer wie­der kehrt sie leben­dig zurück.

Bald wird ihr ein Aus­weg gebo­ten: Der Kai­ser des Rei­ches rekru­tiert sie, als „Alaki“, als unbe­sieg­bare Krie­ge­rin für eine Armee gegen die Todes­ru­fer. Zum ers­ten Mal ist sie unter Mäd­chen, die so sind wie sie, die ihr Leid tei­len, die zuein­an­der hal­ten. Bald erkennt Deka jedoch, dass ihre Kräfte die ihrer Bluts­schwes­tern über­stei­gen. Wieso ist sie anders? Und Deka hin­ter­fragt bald das patri­ar­chale Sys­tem und die Reli­gion, mit denen sie auf­ge­wach­sen ist.

„Und das ist das Schlimmste daran: Der Kör­per heilt. Die Nar­ben ver­blas­sen. Aber die Erin­ne­run­gen blei­ben für immer.“ (S. 341)

Forna, die in den 90ern mit ihrer Fami­lie aus Sierra Leone in die USA aus­wan­derte, gelingt es, sehr wich­tige The­men glaub­wür­dig zu ver­han­deln, und macht auch vor unan­ge­neh­men Sze­nen nicht halt. Deka, die zunächst als ein­zige Schwarze in einem Wei­ßen Dorf auf­wächst, erfährt Ras­sis­mus und Sexis­mus – zu denen noch andere Dis­kri­mi­nie­run­gen und Gewalt­er­fah­run­gen hin­zu­kom­men, als ihr Sta­tus als Alaki bekannt wird. Aber Deka ist in ihrem Leid nicht allein. So unter­schied­lich die Her­kunft ihrer Mit­strei­te­rin­nen ist, so eint sie die Unge­rech­tig­keit und Gewalt, die ihnen ange­tan wurde. Dabei prä­sen­tiert Forna Empower­ment als Aus­weg: Das, was die Mäd­chen als Außen­sei­te­rin kenn­zeich­net, machen sie selbst zum Aus­gangs­punkt ihres Stol­zes. Wel­che Wahl haben sie auch sonst?

„Ich habe es satt, Angst zu haben.“ (S. 189)

Doch dar­über hin­aus hat man das Gefühl, dass das Buch trotz der über 500 Sei­ten zu viel auf ein­mal will, so als hätte Forna ver­sucht, so viele Jugend-Fan­tasy-Punkte unter­zu­brin­gen wie mög­lich: Geheim­nisse um die Her­kunft, eine Romanze, ein magi­sches Haus­tier, Wen­dun­gen und Ent­hül­lun­gen, die sich zum Schluss über­schla­gen. Was den Lese­ge­nuss aber lei­der auch trübt, ist, dass die Wen­dun­gen häu­fig sehr pas­siv prä­sen­tiert wer­den. Anstatt mit Deka zusam­men aktiv Ent­de­ckun­gen zu machen, Plot Twists zu erle­ben und daran zu wach­sen, wer­den zu viele wich­tige Erklä­run­gen in nach­träg­lich ein­ge­wor­fe­nen Fließ­tex­ten gege­ben. So hat man als Leser*in das Gefühl, an den wich­tigs­ten Stel­len außen vor gelas­sen zu werden.

Es scheint, als hätte Forna mit dem Auf­takt der Tri­lo­gie ihre Erzähl­stimme und den Fein­schliff in ihrem World­buil­ding noch nicht gefun­den. Den­noch ist der Roman eine span­nende Abwechs­lung zur gewohn­ten Fan­tasy aus wei­ßer Per­spek­tive in west­li­chem Setting.

Die Göt­tin­nen von Otera (Band 1): Gol­den wie Blut. Namina Forna. Aus dem Ame­ri­ka­ni­schen von Bea Rei­ter. Loewe. 2020.

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