Die Entscheidung über Leben und Tod

by Bücherstadt Kurier

„Wir wür­den leben. Kurz – ja, nicht per­fekt – natür­lich, dumm – manch­mal, aber das wäre uns egal. Denn so sind wir geschaf­fen. Und wenn die Zeit zum Ster­ben gekom­men ist, wer­den wir nicht davon lau­fen. Wir erwar­ten sie.“ Bücher­städ­te­rin Nata­lie hat sich „The Phi­lo­so­phers – Wer über­lebt?“ angesehen.

In der Phi­lo­so­phie wer­den Moral, Wert­vor­stel­lun­gen, Metho­den und Erkennt­nisse oft in Form von Gedan­ken­ex­pe­ri­men­ten wie­der­ge­ge­ben, um eine Vor­stel­lung von der eigent­li­chen Theo­rie erfas­sen zu kön­nen. Der Wei­chen­stel­ler­fall oder auch das Höh­len­gleich­nis, das einem Gedan­ken­ex­pe­ri­ment gleicht, sind beliebte Bei­spiele, die sich unter ande­rem mit mora­li­schen Dilem­mata und der Frage nach Rea­li­tät und Erkennt­nis beschäftigen.

In „The Phi­lo­so­phers – Wer über­lebt?“ wird genau ein sol­ches Gedan­ken­ex­pe­ri­ment am letz­ten Schul­tag der Phi­lo­so­phie­klasse einer Hoch­be­gab­ten­schule in Jakarta durch­ge­führt. Obwohl sich die Klasse zuerst wei­gert, am letz­ten Tag pro­duk­tiv zu sein, schafft es ihr Leh­rer, Mr. Zimit, sie davon zu über­zeu­gen, sich doch auf das Expe­ri­ment ein­zu­las­sen. Die 20 Schü­ler und ihr Leh­rer erle­ben ein Sze­na­rio, in wel­chem die Erde durch eine ato­mare Kata­stro­phe zer­stört wird. In ihrer unmit­tel­ba­ren Nähe befin­det sich ein hoch­mo­der­ner und siche­rer Bun­ker, der für 10 Per­so­nen aus­ge­stat­tet ist. Für ein Jahr rei­chen Sauer­stoff und Lebens­mit­tel. Außer­dem lässt sich die Tür erst nach Ablauf des einen Jah­res öffnen.

Durch Zufall zuge­teilte Berufe, anhand von Zet­tel­zie­hen, sol­len ent­schei­den, wer spä­ter für die Nach­welt und das Über­le­ben der Mensch­heit von grö­ße­rem Nut­zen ist. Einige Ent­schei­dun­gen erge­ben sich schnell und ein­fach, wie zum Bei­spiel, dass eine Opern­sän­ge­rin nicht für eine spä­tere Neu­be­völ­ke­rung hilf­reich sein wird – ganz im Gegen­satz zu einem Bau­in­ge­nieur. Wäh­rend die Dage­blie­be­nen lei­der der ato­ma­ren Strah­lung erlie­gen müs­sen, müs­sen die 10 Aus­er­wähl­ten mit den Tücken des Expe­ri­ments fer­tig werden.

Der Film spielt nicht nur allein mit der Moral und dem Dilemma, Per­so­nen anhand ihrer Berufe, fach­li­chen Qua­li­tä­ten und beson­de­ren Fähig­kei­ten als wich­ti­ger zu erach­ten und somit mit dem Anrecht, über­le­ben zu dür­fen bzw. zu müs­sen, aus­zu­wäh­len. Er beschäf­tigt sich auch mit der Bezie­hung der Schü­ler zu ihrem Leh­rer. Drei Figu­ren sind hier sehr zen­tral: Der Leh­rer Mr. Zimit, der sich im Laufe des Fil­mes zynisch, aggres­siv, unbe­re­chen­bar und als unmo­ra­lisch erweist, Ein­s­er­schü­le­rin Petra, die klug, mensch­lich und gelas­sen Ent­schei­dun­gen trifft, und Petras fes­ter Freund James, der immer wie­der zum Angriffs­ziel von Mr. Zimit wird.

Ins­ge­samt drei­mal durch­läuft die Klasse das Expe­ri­ment. Jedes Mal unter ande­ren Prä­mis­sen. Bei jedem Durch­lauf wird klar, dass es nicht an der Wahl der Schü­ler für den Bun­ker liegt oder deren Han­deln, son­dern dass der Stör­fak­tor ihr Leh­rer ist, der das Expe­ri­ment für seine eige­nen Zwe­cke miss­braucht. Nach dem ers­ten Durch­lauf des Expe­ri­ments wird deut­lich, dass die lockere und gute Bezie­hung zu Mr. Zimit nun anfängt zu bre­chen. Zum Ende steht die Klasse sogar geeint hin­ter Petra, sym­bo­lisch mit Tischen ein­ge­kreist, gegen Mr. Zimit.

Es wird hier nicht nur mit phi­lo­so­phi­schen Prin­zi­pien gespielt, son­dern auch deut­lich, dass sich der Wert eines Men­schen nicht durch Äußer­lich­kei­ten schät­zen lässt. Jeder Mensch ist gleich­wer­tig, was Mr. Zimit selbst zum Ende hin nicht klar wird. Aller­dings ist die Geschichte tie­fer als nur die Bezie­hung einer Klasse zu ihrem Leh­rer. Ein­zel­per­so­nen ste­chen immer wie­der her­aus und geben dem Film Tiefe. Ein etwas uner­war­te­ter Twist zum Ende deckt viele Ver­mu­tun­gen auf und lässt noch ein­mal in den Cha­rak­ter von Mr. Zimit ein­bli­cken. Ein inter­es­san­ter Film, der Kli­schees ver­eint, Ste­reo­ty­pen bestä­tigt und doch uner­war­tete Momente bietet.

The Phi­lo­so­phers – Wer über­lebt? Dreh­buch: Wil­liam Yeh. Regie: John Hudd­les. Dar­stel­ler: James D’Arcy, Sophie Lowe, Rhys Wake­field, u.a. Phase 4 Films. USA. 2013. FSK 12.

Ein Bei­trag zum Spe­cial #phi­lo­so­phie­stadt. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

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